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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

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22.
Man liebt nur Einmahl.

Es giebt eine gewisse Klasse der feinen So-
zietät, wo man diesen Gemein-Plaz häufig
hört; vorzüglich freilich in dem Munde
schwärmerischer oder empfindelnder Jüng-
linge und Mädchen, koketter Weiber oder
affektirter Prüden.

Aber auch denkende, empfindende We-
sen glauben an diese Jdee und für sie hat
sie traurige Folgen. Sie äzt an ihrer Em-
pfänglichkeit für reinen Genuß der Liebe,
beschattet den zweiten Geliebten, erhöht jede
Unvollkommenheit desselben, gebiert Trauer
über die eingebildete Unersezlichkeit des er-

22.
Man liebt nur Einmahl.

Es giebt eine gewiſſe Klaſſe der feinen So-
zietaͤt, wo man dieſen Gemein-Plaz haͤufig
hoͤrt; vorzuͤglich freilich in dem Munde
ſchwaͤrmeriſcher oder empfindelnder Juͤng-
linge und Maͤdchen, koketter Weiber oder
affektirter Pruͤden.

Aber auch denkende, empfindende We-
ſen glauben an dieſe Jdee und fuͤr ſie hat
ſie traurige Folgen. Sie aͤzt an ihrer Em-
pfaͤnglichkeit fuͤr reinen Genuß der Liebe,
beſchattet den zweiten Geliebten, erhoͤht jede
Unvollkommenheit deſſelben, gebiert Trauer
uͤber die eingebildete Unerſezlichkeit des er-

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[212/0224] 22. Man liebt nur Einmahl. Es giebt eine gewiſſe Klaſſe der feinen So- zietaͤt, wo man dieſen Gemein-Plaz haͤufig hoͤrt; vorzuͤglich freilich in dem Munde ſchwaͤrmeriſcher oder empfindelnder Juͤng- linge und Maͤdchen, koketter Weiber oder affektirter Pruͤden. Aber auch denkende, empfindende We- ſen glauben an dieſe Jdee und fuͤr ſie hat ſie traurige Folgen. Sie aͤzt an ihrer Em- pfaͤnglichkeit fuͤr reinen Genuß der Liebe, beſchattet den zweiten Geliebten, erhoͤht jede Unvollkommenheit deſſelben, gebiert Trauer uͤber die eingebildete Unerſezlichkeit des er-

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Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/224>, abgerufen am 21.11.2024.