Geld freilich um so beweglicher, je schlechter es ist, denn jeder wird es so schnell wie möglich loszuwerden suchen. Der naheliegende Einwurf: dass zu einem Handel doch zwei gehören und dass die Leich- tigkeit des Weggebens schlechten Geldes durch die Bedenklichkeit, es anzunehmen, paralysiert werde -- ist nicht ganz zutreffend, weil schlechtes Geld immerhin besser ist als gar keines (was man entsprechend von schlechter Ware nicht immer sagen kann). Von der Abneigung des Warenbesitzers gegen das schlechte Geld muss also seine Neigung für Geld überhaupt abgezogen werden; so dass die Neigung des Käufers und die Abneigung des Verkäufers, das schlechte Geld gegen Ware zu tauschen, sich nicht ganz die Wage halten, sondern die letztere, als die schwächere, die durch die erstere nahegelegte Zirkulations- beschleunigung nicht entsprechend hemmen kann. Andrerseits wird der Besitzer eines schlechten oder nur unter bestimmten Umständen wertvollen Geldes an der Aufrechthaltung des Zustandes, unter dem sein Besitz Wert hat, lebhaft interessiert sein. Als die fürstlichen Schulden von der Mitte des 16. Jahrhunderts an so gestiegen waren, dass es allenthalben Staatsbankerotte gab, und in Frankreich das Mittel der Rentenverkäufe bis zum Extrem ausgenutzt wurde, hob man zur Verteidigung derselben -- denn sie waren ausserordentlich unsicher -- hervor, dass dadurch die Anhänglichkeit der Bürger als Rentenbesitzer an den König und ihr Interesse, ihn zu erhalten, sehr gestärkt würden. Es ist bezeichnend, dass das Wort Partisan ursprünglich einen Geld- mann bezeichnet, der an einer Anleihe der Krone (parti) beteiligt war, dann aber durch die Interessensolidarität zwischen solchen Bankiers und dem Finanzminister, unter Mazarin und Fouquet, die Bedeutung: unbedingter Anhänger -- erhielt und seitdem behielt. Grade bei grösster Unsolidität des französischen Finanzwesens also fand dies statt, während bei der Besserung unter Sully die Partisans in den Hintergrund ge- treten waren. Und später betonte Mirabeau bei Einführung der Assig- naten, dass überall, wo ein Stück davon sich befände, auch der Wunsch nach der Beständigkeit ihres Kredites bestehen müsste: Vous comp- terez un defenseur necessaire a vos mesures, un creancier interesse a vos succes. So schafft ein derartiges Geld eine besondere Parteiung, und, auf dem Grunde einer neuen Beharrungstendenz, eine neue Leb- haftigkeit der Gegensätze. --
Solche Erfolge der vermehrten Umlaufsmittel treten nun aber that- sächlich in um so höherem Masse ein, als die bisherige Voraussetzung: dass die Verbilligung des Geldes jeden als Konsumenten und Produ- zenten gleichmässig trifft -- eine viel zu einfache ist. In Wirklichkeit ergeben sich viel kompliziertere und bewegtere Erscheinungen. Zu-
Geld freilich um so beweglicher, je schlechter es ist, denn jeder wird es so schnell wie möglich loszuwerden suchen. Der naheliegende Einwurf: daſs zu einem Handel doch zwei gehören und daſs die Leich- tigkeit des Weggebens schlechten Geldes durch die Bedenklichkeit, es anzunehmen, paralysiert werde — ist nicht ganz zutreffend, weil schlechtes Geld immerhin besser ist als gar keines (was man entsprechend von schlechter Ware nicht immer sagen kann). Von der Abneigung des Warenbesitzers gegen das schlechte Geld muſs also seine Neigung für Geld überhaupt abgezogen werden; so daſs die Neigung des Käufers und die Abneigung des Verkäufers, das schlechte Geld gegen Ware zu tauschen, sich nicht ganz die Wage halten, sondern die letztere, als die schwächere, die durch die erstere nahegelegte Zirkulations- beschleunigung nicht entsprechend hemmen kann. Andrerseits wird der Besitzer eines schlechten oder nur unter bestimmten Umständen wertvollen Geldes an der Aufrechthaltung des Zustandes, unter dem sein Besitz Wert hat, lebhaft interessiert sein. Als die fürstlichen Schulden von der Mitte des 16. Jahrhunderts an so gestiegen waren, daſs es allenthalben Staatsbankerotte gab, und in Frankreich das Mittel der Rentenverkäufe bis zum Extrem ausgenutzt wurde, hob man zur Verteidigung derselben — denn sie waren auſserordentlich unsicher — hervor, daſs dadurch die Anhänglichkeit der Bürger als Rentenbesitzer an den König und ihr Interesse, ihn zu erhalten, sehr gestärkt würden. Es ist bezeichnend, daſs das Wort Partisan ursprünglich einen Geld- mann bezeichnet, der an einer Anleihe der Krone (parti) beteiligt war, dann aber durch die Interessensolidarität zwischen solchen Bankiers und dem Finanzminister, unter Mazarin und Fouquet, die Bedeutung: unbedingter Anhänger — erhielt und seitdem behielt. Grade bei gröſster Unsolidität des französischen Finanzwesens also fand dies statt, während bei der Besserung unter Sully die Partisans in den Hintergrund ge- treten waren. Und später betonte Mirabeau bei Einführung der Assig- naten, daſs überall, wo ein Stück davon sich befände, auch der Wunsch nach der Beständigkeit ihres Kredites bestehen müſste: Vous comp- terez un défenseur nécessaire à vos mesures, un créancier interessé à vos succès. So schafft ein derartiges Geld eine besondere Parteiung, und, auf dem Grunde einer neuen Beharrungstendenz, eine neue Leb- haftigkeit der Gegensätze. —
Solche Erfolge der vermehrten Umlaufsmittel treten nun aber that- sächlich in um so höherem Maſse ein, als die bisherige Voraussetzung: daſs die Verbilligung des Geldes jeden als Konsumenten und Produ- zenten gleichmäſsig trifft — eine viel zu einfache ist. In Wirklichkeit ergeben sich viel kompliziertere und bewegtere Erscheinungen. Zu-
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Geld freilich um so beweglicher, je schlechter es ist, denn jeder wird
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Einwurf: daſs zu einem Handel doch zwei gehören und daſs die Leich-
tigkeit des Weggebens schlechten Geldes durch die Bedenklichkeit, es
anzunehmen, paralysiert werde — ist nicht ganz zutreffend, weil
schlechtes Geld immerhin besser ist als gar keines (was man entsprechend
von schlechter Ware nicht immer sagen kann). Von der Abneigung
des Warenbesitzers gegen das schlechte Geld muſs also seine Neigung
für Geld überhaupt abgezogen werden; so daſs die Neigung des Käufers
und die Abneigung des Verkäufers, das schlechte Geld gegen Ware
zu tauschen, sich nicht ganz die Wage halten, sondern die letztere,
als die schwächere, die durch die erstere nahegelegte Zirkulations-
beschleunigung nicht entsprechend hemmen kann. Andrerseits wird
der Besitzer eines schlechten oder nur unter bestimmten Umständen
wertvollen Geldes an der Aufrechthaltung des Zustandes, unter dem
sein Besitz Wert hat, lebhaft interessiert sein. Als die fürstlichen
Schulden von der Mitte des 16. Jahrhunderts an so gestiegen waren,
daſs es allenthalben Staatsbankerotte gab, und in Frankreich das Mittel
der Rentenverkäufe bis zum Extrem ausgenutzt wurde, hob man zur
Verteidigung derselben — denn sie waren auſserordentlich unsicher —
hervor, daſs dadurch die Anhänglichkeit der Bürger als Rentenbesitzer
an den König und ihr Interesse, ihn zu erhalten, sehr gestärkt würden.
Es ist bezeichnend, daſs das Wort Partisan ursprünglich einen Geld-
mann bezeichnet, der an einer Anleihe der Krone (parti) beteiligt
war, dann aber durch die Interessensolidarität zwischen solchen Bankiers
und dem Finanzminister, unter Mazarin und Fouquet, die Bedeutung:
unbedingter Anhänger — erhielt und seitdem behielt. Grade bei gröſster
Unsolidität des französischen Finanzwesens also fand dies statt, während
bei der Besserung unter Sully die Partisans in den Hintergrund ge-
treten waren. Und später betonte Mirabeau bei Einführung der Assig-
naten, daſs überall, wo ein Stück davon sich befände, auch der Wunsch
nach der Beständigkeit ihres Kredites bestehen müſste: Vous comp-
terez un défenseur nécessaire à vos mesures, un créancier interessé à
vos succès. So schafft ein derartiges Geld eine besondere Parteiung,
und, auf dem Grunde einer neuen Beharrungstendenz, eine neue Leb-
haftigkeit der Gegensätze. —
Solche Erfolge der vermehrten Umlaufsmittel treten nun aber that-
sächlich in um so höherem Maſse ein, als die bisherige Voraussetzung:
daſs die Verbilligung des Geldes jeden als Konsumenten und Produ-
zenten gleichmäſsig trifft — eine viel zu einfache ist. In Wirklichkeit
ergeben sich viel kompliziertere und bewegtere Erscheinungen. Zu-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/566>, abgerufen am 23.11.2024.
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