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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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jektiven Prozess seiner Arbeit. Je undifferenzierter der Wissen-
schaftsbetrieb noch war, je mehr der Forscher alle Voraussetzungen
und Materialien seiner Arbeit persönlich erarbeiten musste, desto
weniger bestand für ihn der Gegensatz seiner subjektiven Leistung und
einer Welt objektiv feststehender wissenschaftlicher Gegebenheiten.
Und auch hier erstreckt sich dieser in das Produkt der Arbeit hinein:
auch das Ergebnis selbst, so sehr es als solches die Frucht subjektiven
Bemühens ist, muss um so eher in die Kategorie einer objektiven, von
dem Produzenten unabhängigen Thatsache aufsteigen, je mehr Arbeits-
produkte Anderer schon von vornherein in ihm zusammengebracht und
wirksam sind. Darum sehen wir auch, dass in der Wissenschaft der
geringsten Arbeitsteilung, der Philosophie -- insbesondere in ihrem
metaphysischen Sinne -- einerseits das aufgenommene objektive Material
eine durchaus sekundäre Rolle spielt, andrerseits das Produkt sich
am wenigsten von seinem subjektiven Ursprung gelöst hat und ganz als
Leistung dieser einen Persönlichkeit auftritt.

Wenn so die Arbeitsteilung -- die ich hier in ihrem weitesten
Sinne, die Produktionsteilung wie die Arbeitszerlegung wie die Speziali-
sation einschliessend verstehe -- die schaffende Persönlichkeit von dem
geschaffenen Werk abtrennt und dies letztere eine objektive Selb-
ständigkeit gewinnen lässt, so stellt sich Verwandtes in dem Verhältnis
der arbeitsteiligen Produktion zum Konsumenten ein. Hier handelt
es sich um die Herleitung innerer Folgen aus allbekannten äusseren
Thatsachen. Die Kundenarbeit, die das mittelalterliche Handwerk be-
herrschte und erst im letzten Jahrhundert ihren rapidesten Rückgang
erfahren hat, beliess dem Konsumenten ein persönliches Verhältnis zur
Ware: da sie speziell für ihn bereitet war, sozusagen eine Wechsel-
wirkung zwischen ihm und dem Produzenten darstellte, so gehörte sie,
in einigermassen ähnlicher Weise wie diesem, innerlich auch ihm zu.
Wie man den schneidenden Gegensatz von Subjekt und Objekt
in der Theorie dadurch versöhnt hat, dass man dieses in jenem als
seine Vorstellung bestehen liess, so kommt der gleiche Gegensatz in
der Praxis nicht zur Entfaltung, solange das Objekt entweder nur
durch ein Subjekt, oder um eines Subjektes willen entsteht. Indem
die Arbeitsteilung die Kundenproduktion zerstört -- schon weil der
Abnehmer sich wohl mit einem Produzenten, aber nicht mit einem
Dutzend Teilarbeiter in Verbindung setzen kann -- verschwindet die
subjektive Färbung des Produkts auch nach der Seite des Konsumenten
hin, denn es entsteht nun unabhängig von ihm, die Ware ist nun eine
objektive Gegebenheit, an die er von aussen herantritt und die ihr
Dasein und Sosein ihm gleichsam als etwas Autonomes gegenüberstellt.

jektiven Prozeſs seiner Arbeit. Je undifferenzierter der Wissen-
schaftsbetrieb noch war, je mehr der Forscher alle Voraussetzungen
und Materialien seiner Arbeit persönlich erarbeiten muſste, desto
weniger bestand für ihn der Gegensatz seiner subjektiven Leistung und
einer Welt objektiv feststehender wissenschaftlicher Gegebenheiten.
Und auch hier erstreckt sich dieser in das Produkt der Arbeit hinein:
auch das Ergebnis selbst, so sehr es als solches die Frucht subjektiven
Bemühens ist, muſs um so eher in die Kategorie einer objektiven, von
dem Produzenten unabhängigen Thatsache aufsteigen, je mehr Arbeits-
produkte Anderer schon von vornherein in ihm zusammengebracht und
wirksam sind. Darum sehen wir auch, daſs in der Wissenschaft der
geringsten Arbeitsteilung, der Philosophie — insbesondere in ihrem
metaphysischen Sinne — einerseits das aufgenommene objektive Material
eine durchaus sekundäre Rolle spielt, andrerseits das Produkt sich
am wenigsten von seinem subjektiven Ursprung gelöst hat und ganz als
Leistung dieser einen Persönlichkeit auftritt.

Wenn so die Arbeitsteilung — die ich hier in ihrem weitesten
Sinne, die Produktionsteilung wie die Arbeitszerlegung wie die Speziali-
sation einschlieſsend verstehe — die schaffende Persönlichkeit von dem
geschaffenen Werk abtrennt und dies letztere eine objektive Selb-
ständigkeit gewinnen läſst, so stellt sich Verwandtes in dem Verhältnis
der arbeitsteiligen Produktion zum Konsumenten ein. Hier handelt
es sich um die Herleitung innerer Folgen aus allbekannten äuſseren
Thatsachen. Die Kundenarbeit, die das mittelalterliche Handwerk be-
herrschte und erst im letzten Jahrhundert ihren rapidesten Rückgang
erfahren hat, belieſs dem Konsumenten ein persönliches Verhältnis zur
Ware: da sie speziell für ihn bereitet war, sozusagen eine Wechsel-
wirkung zwischen ihm und dem Produzenten darstellte, so gehörte sie,
in einigermaſsen ähnlicher Weise wie diesem, innerlich auch ihm zu.
Wie man den schneidenden Gegensatz von Subjekt und Objekt
in der Theorie dadurch versöhnt hat, daſs man dieses in jenem als
seine Vorstellung bestehen lieſs, so kommt der gleiche Gegensatz in
der Praxis nicht zur Entfaltung, solange das Objekt entweder nur
durch ein Subjekt, oder um eines Subjektes willen entsteht. Indem
die Arbeitsteilung die Kundenproduktion zerstört — schon weil der
Abnehmer sich wohl mit einem Produzenten, aber nicht mit einem
Dutzend Teilarbeiter in Verbindung setzen kann — verschwindet die
subjektive Färbung des Produkts auch nach der Seite des Konsumenten
hin, denn es entsteht nun unabhängig von ihm, die Ware ist nun eine
objektive Gegebenheit, an die er von auſsen herantritt und die ihr
Dasein und Sosein ihm gleichsam als etwas Autonomes gegenüberstellt.

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[488/0512] jektiven Prozeſs seiner Arbeit. Je undifferenzierter der Wissen- schaftsbetrieb noch war, je mehr der Forscher alle Voraussetzungen und Materialien seiner Arbeit persönlich erarbeiten muſste, desto weniger bestand für ihn der Gegensatz seiner subjektiven Leistung und einer Welt objektiv feststehender wissenschaftlicher Gegebenheiten. Und auch hier erstreckt sich dieser in das Produkt der Arbeit hinein: auch das Ergebnis selbst, so sehr es als solches die Frucht subjektiven Bemühens ist, muſs um so eher in die Kategorie einer objektiven, von dem Produzenten unabhängigen Thatsache aufsteigen, je mehr Arbeits- produkte Anderer schon von vornherein in ihm zusammengebracht und wirksam sind. Darum sehen wir auch, daſs in der Wissenschaft der geringsten Arbeitsteilung, der Philosophie — insbesondere in ihrem metaphysischen Sinne — einerseits das aufgenommene objektive Material eine durchaus sekundäre Rolle spielt, andrerseits das Produkt sich am wenigsten von seinem subjektiven Ursprung gelöst hat und ganz als Leistung dieser einen Persönlichkeit auftritt. Wenn so die Arbeitsteilung — die ich hier in ihrem weitesten Sinne, die Produktionsteilung wie die Arbeitszerlegung wie die Speziali- sation einschlieſsend verstehe — die schaffende Persönlichkeit von dem geschaffenen Werk abtrennt und dies letztere eine objektive Selb- ständigkeit gewinnen läſst, so stellt sich Verwandtes in dem Verhältnis der arbeitsteiligen Produktion zum Konsumenten ein. Hier handelt es sich um die Herleitung innerer Folgen aus allbekannten äuſseren Thatsachen. Die Kundenarbeit, die das mittelalterliche Handwerk be- herrschte und erst im letzten Jahrhundert ihren rapidesten Rückgang erfahren hat, belieſs dem Konsumenten ein persönliches Verhältnis zur Ware: da sie speziell für ihn bereitet war, sozusagen eine Wechsel- wirkung zwischen ihm und dem Produzenten darstellte, so gehörte sie, in einigermaſsen ähnlicher Weise wie diesem, innerlich auch ihm zu. Wie man den schneidenden Gegensatz von Subjekt und Objekt in der Theorie dadurch versöhnt hat, daſs man dieses in jenem als seine Vorstellung bestehen lieſs, so kommt der gleiche Gegensatz in der Praxis nicht zur Entfaltung, solange das Objekt entweder nur durch ein Subjekt, oder um eines Subjektes willen entsteht. Indem die Arbeitsteilung die Kundenproduktion zerstört — schon weil der Abnehmer sich wohl mit einem Produzenten, aber nicht mit einem Dutzend Teilarbeiter in Verbindung setzen kann — verschwindet die subjektive Färbung des Produkts auch nach der Seite des Konsumenten hin, denn es entsteht nun unabhängig von ihm, die Ware ist nun eine objektive Gegebenheit, an die er von auſsen herantritt und die ihr Dasein und Sosein ihm gleichsam als etwas Autonomes gegenüberstellt.

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/512>, abgerufen am 07.05.2024.