Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen bereits früher besprochene Thatsache, dass das Geld allenthalben als Zweck empfunden wird und damit ausserordentlich viele Dinge, die eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu blossen Mitteln herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm- herziger Objektivität misst und ihr Wertmass, das sich so herausstellt, ihre Verbindungen bestimmt -- so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft- heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmässigkeit ihres eigent- lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver- knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu- sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus, die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen, wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen- seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab- geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor- wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak- tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz; oder vielleicht genauer: die vorstellungsmässigen Elemente des Handelns wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver- bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmässigen Be- tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschliessen.
Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der des Geldes für das Leben lässt die Epochen oder Interessengebiete, wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse
Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen bereits früher besprochene Thatsache, daſs das Geld allenthalben als Zweck empfunden wird und damit auſserordentlich viele Dinge, die eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloſsen Mitteln herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm- herziger Objektivität miſst und ihr Wertmaſs, das sich so herausstellt, ihre Verbindungen bestimmt — so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft- heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäſsigkeit ihres eigent- lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver- knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu- sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus, die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen, wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen- seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab- geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor- wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak- tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz; oder vielleicht genauer: die vorstellungsmäſsigen Elemente des Handelns wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver- bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäſsigen Be- tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschlieſsen.
Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der des Geldes für das Leben läſst die Epochen oder Interessengebiete, wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0482"n="458"/>
Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen<lb/>
bereits früher besprochene Thatsache, daſs das Geld allenthalben als<lb/>
Zweck empfunden wird und damit auſserordentlich viele Dinge, die<lb/>
eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloſsen Mitteln<lb/>
herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem<lb/>
Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren<lb/>
teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und<lb/>
keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm-<lb/>
herziger Objektivität miſst und ihr Wertmaſs, das sich so herausstellt,<lb/>
ihre Verbindungen bestimmt — so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher<lb/>
und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft-<lb/>
heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und<lb/>
von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie<lb/>
die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener<lb/>
in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäſsigkeit ihres eigent-<lb/>
lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen<lb/>
jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines<lb/>
jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse<lb/>
alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive<lb/>
Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver-<lb/>
knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu-<lb/>
sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus,<lb/>
die sich nur an teleologischen <hirendition="#g">Endp</hi>unkten einstellen, und sind nur<lb/>
noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen,<lb/>
wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die<lb/>
steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen-<lb/>
seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab-<lb/>
geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht<lb/>
nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der<lb/>
Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und<lb/>
Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor-<lb/>
wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak-<lb/>
tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz;<lb/>
oder vielleicht genauer: die vorstellungsmäſsigen Elemente des Handelns<lb/>
wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver-<lb/>
bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäſsigen Be-<lb/>
tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die<lb/>
Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschlieſsen.</p><lb/><p>Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der<lb/>
des Geldes für das Leben läſst die Epochen oder Interessengebiete,<lb/>
wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[458/0482]
Wesentliche aber ist die allgemeine, nach ihrem Zustandekommen
bereits früher besprochene Thatsache, daſs das Geld allenthalben als
Zweck empfunden wird und damit auſserordentlich viele Dinge, die
eigentlich den Charakter des Selbstzwecks haben, zu bloſsen Mitteln
herabdrückt. Indem nun aber das Geld selbst überall und zu allem
Mittel ist, werden dadurch die Inhalte des Daseins in einen ungeheuren
teleologischen Zusammenhang eingestellt, in dem keiner der erste und
keiner der letzte ist. Und da das Geld alle Dinge mit unbarm-
herziger Objektivität miſst und ihr Wertmaſs, das sich so herausstellt,
ihre Verbindungen bestimmt — so ergiebt sich ein Gewebe sachlicher
und persönlicher Lebensinhalte, das sich an ununterbrochener Verknüpft-
heit und strenger Kausalität dem naturgesetzlichen Kosmos nähert und
von dem alles durchflutenden Geldwert so zusammengehalten wird, wie
die Natur von der alles belebenden Energie, die sich ebenso wie jener
in tausend Formen kleidet, aber durch die Gleichmäſsigkeit ihres eigent-
lichen Wesens und die Rückverwandelbarkeit jeder ihrer Umsetzungen
jedes mit jedem in Verbindung setzt und jedes zur Bedingung eines
jeden macht. Wie nun aus der Auffassung der natürlichen Prozesse
alle Gefühlsbetonungen verschwunden und durch die eine objektive
Intelligenz ersetzt worden sind, so scheiden die Gegenstände und Ver-
knüpfungen unserer praktischen Welt, indem sie mehr und mehr zu-
sammenhängende Reihen bilden, die Einmischungen des Gefühles aus,
die sich nur an teleologischen Endpunkten einstellen, und sind nur
noch Objekte der Intelligenz, die wir an der Hand dieser benutzen,
wie wir die Ursächlichkeiten der materiellen Natur benutzen. Die
steigende Verwandlung aller Lebensbestandteile in Mittel, die gegen-
seitige Verbindung der sonst mit selbstgenügsamen Zwecken ab-
geschlossenen Reihen zu einem Komplex relativer Elemente ist nicht
nur das praktische Gegenbild der wachsenden Kausalerkenntnis der
Natur und der Verwandlung des Absoluten in ihr in Bewegungen und
Relativitäten; sondern, da alle Struktur von Mitteln nur eine von vor-
wärts betrachtete Kausalverbindung ist, so wird damit auch die prak-
tische Welt mehr und mehr zu einem Problem für die Intelligenz;
oder vielleicht genauer: die vorstellungsmäſsigen Elemente des Handelns
wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationalen Ver-
bindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäſsigen Be-
tonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die
Cäsuren des Lebensverlaufes, an die Endzwecke in ihm, anschlieſsen.
Diese Beziehung zwischen der Bedeutung des Intellekts und der
des Geldes für das Leben läſst die Epochen oder Interessengebiete,
wo beides herrscht, zunächst negativ bestimmen: durch eine gewisse
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/482>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.