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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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nicht-praktische Wesen. Das Wollen begleitet die Reihe unserer Über-
legungen nur wie ein Orgelpunkt oder wie die allgemeine Voraus-
setzung eines Gebietes, in dessen Einzelheiten und Verhältnisse sie
nicht eingreift, in das aber erst sie Leben und Wirklichkeit ein-
strömen lässt.

Die Intellektualität, als der subjektive Repräsentant der objektiven
Weltordnung, entwickelt sich also proportional mit der Anzahl und
Reihenlänge der Mittel, die den Inhalt unserer Thätigkeit bilden. Da
nun jedes Mittel als solches völlig indifferent ist, so knüpfen sich alle
Gefühlswerte im Praktischen an die Zwecke, an die Haltepunkte des
Handelns, deren Erreichtheit nicht mehr in die Aktivität, sondern nur
in die Rezeptivität unserer Seele ausstrahlt. Je mehr solcher End-
stationen unser praktisches Leben enthält, desto stärker wird sich also
die Gefühlsfunktion gegenüber der Intellektfunktion bethätigen. Die
Impulsivität und Hingegebenheit an den Affekt, die von Naturvölkern
so vielfach berichtet wird, hängt sicher mit der Kürze ihrer teleo-
logischen Reihen zusammen. Ihre Lebensarbeit hat nicht die Kohäsion
der Elemente, die in höheren Kulturen durch den einheitlich das
Leben durchziehenden "Beruf" geschaffen wird, sondern besteht aus
einfachen Interessenreihen, die, wenn sie ihr Ziel überhaupt erreichen,
es mit relativ wenig Mitteln thun; wozu besonders viel die Unmittel-
barkeit der Bemühung um den Nahrungserwerb beiträgt, die dann in
höheren Verhältnissen fast durchgehends vielgliedrigen Zweckreihen
Platz macht. Unter diesen Umständen ist Vorstellung und Genuss von
Endzwecken ein relativ häufiger, das Bewusstsein der sachlichen Ver-
knüpfungen und der Wirklichkeit, die Intellektualität, tritt seltener in
Funktion, als die Gefühlsbegleitungen, die sowohl die unmittelbare
Vorstellung wie den realen Eintritt der Endzwecke charakterisieren.
Noch das Mittelalter hatte durch die ausgedehnte Produktion für den
Selbstbedarf, durch die Art des Handwerksbetriebes, durch die Viel-
fachheit und Enge der Einungen, vor allem durch die Kirche eine
viel grössere Zahl definitiver Befriedigungspunkte des Zweckhandelns,
als die Gegenwart, in der die Umwege und Vorbereitungen zu solchen
ins Endlose wachsen, wo der Zweck der Stunde so viel häufiger über
die Stunde hinaus, ja, über den Gesichtskreis des Individuums hinaus-
liegt. Diese Verlängerung der Reihen bringt das Geld zunächst da-
durch zu stande, dass es ein gemeinsames, zentrales Interesse über
sonst auseinanderliegenden schafft und sie dadurch in Verbindung
bringt, so dass die eine zur Vorbereitung der anderen, ihr sachlich
ganz fremden, werden kann (indem z. B. der Geldertrag der einen
und damit sie als Ganzes zum Unternehmen der andern dient). Das

nicht-praktische Wesen. Das Wollen begleitet die Reihe unserer Über-
legungen nur wie ein Orgelpunkt oder wie die allgemeine Voraus-
setzung eines Gebietes, in dessen Einzelheiten und Verhältnisse sie
nicht eingreift, in das aber erst sie Leben und Wirklichkeit ein-
strömen läſst.

Die Intellektualität, als der subjektive Repräsentant der objektiven
Weltordnung, entwickelt sich also proportional mit der Anzahl und
Reihenlänge der Mittel, die den Inhalt unserer Thätigkeit bilden. Da
nun jedes Mittel als solches völlig indifferent ist, so knüpfen sich alle
Gefühlswerte im Praktischen an die Zwecke, an die Haltepunkte des
Handelns, deren Erreichtheit nicht mehr in die Aktivität, sondern nur
in die Rezeptivität unserer Seele ausstrahlt. Je mehr solcher End-
stationen unser praktisches Leben enthält, desto stärker wird sich also
die Gefühlsfunktion gegenüber der Intellektfunktion bethätigen. Die
Impulsivität und Hingegebenheit an den Affekt, die von Naturvölkern
so vielfach berichtet wird, hängt sicher mit der Kürze ihrer teleo-
logischen Reihen zusammen. Ihre Lebensarbeit hat nicht die Kohäsion
der Elemente, die in höheren Kulturen durch den einheitlich das
Leben durchziehenden „Beruf“ geschaffen wird, sondern besteht aus
einfachen Interessenreihen, die, wenn sie ihr Ziel überhaupt erreichen,
es mit relativ wenig Mitteln thun; wozu besonders viel die Unmittel-
barkeit der Bemühung um den Nahrungserwerb beiträgt, die dann in
höheren Verhältnissen fast durchgehends vielgliedrigen Zweckreihen
Platz macht. Unter diesen Umständen ist Vorstellung und Genuſs von
Endzwecken ein relativ häufiger, das Bewuſstsein der sachlichen Ver-
knüpfungen und der Wirklichkeit, die Intellektualität, tritt seltener in
Funktion, als die Gefühlsbegleitungen, die sowohl die unmittelbare
Vorstellung wie den realen Eintritt der Endzwecke charakterisieren.
Noch das Mittelalter hatte durch die ausgedehnte Produktion für den
Selbstbedarf, durch die Art des Handwerksbetriebes, durch die Viel-
fachheit und Enge der Einungen, vor allem durch die Kirche eine
viel gröſsere Zahl definitiver Befriedigungspunkte des Zweckhandelns,
als die Gegenwart, in der die Umwege und Vorbereitungen zu solchen
ins Endlose wachsen, wo der Zweck der Stunde so viel häufiger über
die Stunde hinaus, ja, über den Gesichtskreis des Individuums hinaus-
liegt. Diese Verlängerung der Reihen bringt das Geld zunächst da-
durch zu stande, daſs es ein gemeinsames, zentrales Interesse über
sonst auseinanderliegenden schafft und sie dadurch in Verbindung
bringt, so daſs die eine zur Vorbereitung der anderen, ihr sachlich
ganz fremden, werden kann (indem z. B. der Geldertrag der einen
und damit sie als Ganzes zum Unternehmen der andern dient). Das

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[457/0481] nicht-praktische Wesen. Das Wollen begleitet die Reihe unserer Über- legungen nur wie ein Orgelpunkt oder wie die allgemeine Voraus- setzung eines Gebietes, in dessen Einzelheiten und Verhältnisse sie nicht eingreift, in das aber erst sie Leben und Wirklichkeit ein- strömen läſst. Die Intellektualität, als der subjektive Repräsentant der objektiven Weltordnung, entwickelt sich also proportional mit der Anzahl und Reihenlänge der Mittel, die den Inhalt unserer Thätigkeit bilden. Da nun jedes Mittel als solches völlig indifferent ist, so knüpfen sich alle Gefühlswerte im Praktischen an die Zwecke, an die Haltepunkte des Handelns, deren Erreichtheit nicht mehr in die Aktivität, sondern nur in die Rezeptivität unserer Seele ausstrahlt. Je mehr solcher End- stationen unser praktisches Leben enthält, desto stärker wird sich also die Gefühlsfunktion gegenüber der Intellektfunktion bethätigen. Die Impulsivität und Hingegebenheit an den Affekt, die von Naturvölkern so vielfach berichtet wird, hängt sicher mit der Kürze ihrer teleo- logischen Reihen zusammen. Ihre Lebensarbeit hat nicht die Kohäsion der Elemente, die in höheren Kulturen durch den einheitlich das Leben durchziehenden „Beruf“ geschaffen wird, sondern besteht aus einfachen Interessenreihen, die, wenn sie ihr Ziel überhaupt erreichen, es mit relativ wenig Mitteln thun; wozu besonders viel die Unmittel- barkeit der Bemühung um den Nahrungserwerb beiträgt, die dann in höheren Verhältnissen fast durchgehends vielgliedrigen Zweckreihen Platz macht. Unter diesen Umständen ist Vorstellung und Genuſs von Endzwecken ein relativ häufiger, das Bewuſstsein der sachlichen Ver- knüpfungen und der Wirklichkeit, die Intellektualität, tritt seltener in Funktion, als die Gefühlsbegleitungen, die sowohl die unmittelbare Vorstellung wie den realen Eintritt der Endzwecke charakterisieren. Noch das Mittelalter hatte durch die ausgedehnte Produktion für den Selbstbedarf, durch die Art des Handwerksbetriebes, durch die Viel- fachheit und Enge der Einungen, vor allem durch die Kirche eine viel gröſsere Zahl definitiver Befriedigungspunkte des Zweckhandelns, als die Gegenwart, in der die Umwege und Vorbereitungen zu solchen ins Endlose wachsen, wo der Zweck der Stunde so viel häufiger über die Stunde hinaus, ja, über den Gesichtskreis des Individuums hinaus- liegt. Diese Verlängerung der Reihen bringt das Geld zunächst da- durch zu stande, daſs es ein gemeinsames, zentrales Interesse über sonst auseinanderliegenden schafft und sie dadurch in Verbindung bringt, so daſs die eine zur Vorbereitung der anderen, ihr sachlich ganz fremden, werden kann (indem z. B. der Geldertrag der einen und damit sie als Ganzes zum Unternehmen der andern dient). Das

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/481>, abgerufen am 23.11.2024.