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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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rischen Bedingungen alle technischen Vorteile der letzteren behalten und
ihre Benachteiligungen der Subjektivität und Freiheit vermeiden, auf
die sich heute der Anarchismus und teilweise der Sozialismus gründet.
Das aber ist die Richtung der Kultur, die, wie wir oben sahen, die
Geldwirtschaft anbahnt. Die Trennung des Arbeiters von seinem Ar-
beitsmittel, die als Besitzfrage für den Knotenpunkt des sozialen
Elends gilt, würde sich in einem anderen Sinne grade als eine Erlösung
zeigen: wenn sie die personale Differenzierung des Arbeiters als
Menschen von den rein sachlichen Bedingungen bedeutete, in die die
Technik der Produktion ihn stellt. So würde das Geld eine jener
nicht seltenen Entwicklungen vollziehen, in denen die Bedeutung eines
Elementes direkt in ihr Gegenteil umschlägt, sobald sie aus ihrer ur-
sprünglichen beschränkten Wirksamkeit sich zu einer durchgehenden,
konsequenten, überall hindringenden entfaltet hat. Indem das Geld
gleichsam einen Keil zwischen die Person und die Sache treibt, zer-
reisst es zunächst wohlthätige und stützende Verbindungen, leitet aber
doch jene Verselbständigung beider gegeneinander ein, in der jedes
von beiden seine volle, befriedigende, von dem andern ungestörte
Entwicklung finden kann.

Wo die Arbeitsverfassung, bezw. das allgemeine soziale Verhältnis
aus der personalen in die sachliche Form -- und, parallel damit, aus
der naturalwirtschaftlichen in die geldwirtschaftliche -- übergeht, finden
wir zunächst oder partiell eine Verschlechterung in der Stellung des
Untergeordneten. Die Entlohnung des Arbeiters in Naturalien hat, gegen-
über dem Geldlohn, neben all ihren Gefahren sicher manche Vorteile.
Denn die Geldleistung bezahlt ihre grössere äussere Bestimmtheit, sozusagen
ihre logische Präzision mit der grösseren Unsicherheit ihres schliess-
lichen Wertquantums. Brot und Wohnung haben für den Arbeiter
einen, man möchte sagen, absoluten Wert, der als solcher zu allen Zeiten
derselbe ist; die Wertschwankungen, denen nichts empirisches sich ent-
ziehen kann, fallen hier dem Arbeitgeber zur Last, der sie dadurch
für den Arbeiter ausgleicht. Der gleiche Geldlohn dagegen kann
heute etwas völlig anderes bedeuten als vor einem Jahre, er verteilt
die Chancen der Schwankungen zwischen Geber und Empfänger. Allein
diese Unsicherheit und Ungleichmässigkeit, die oft genug recht empfind-
lich sein mag, ist doch das unvermeidliche Korrelat der Freiheit. Die
Art, auf die die Freiheit sich darstellt, ist Unregelmässigkeit, Un-
berechenbarkeit, Asymmetrie; weshalb denn -- wie später noch ausführ-
lich zu erörtern ist -- freiheitliche politische Verfassungen, wie die
englische, durch ihre inneren Anomalien, ihren Mangel an Planmässig-
keit und systematischem Aufbau charakterisiert sind, während des-

rischen Bedingungen alle technischen Vorteile der letzteren behalten und
ihre Benachteiligungen der Subjektivität und Freiheit vermeiden, auf
die sich heute der Anarchismus und teilweise der Sozialismus gründet.
Das aber ist die Richtung der Kultur, die, wie wir oben sahen, die
Geldwirtschaft anbahnt. Die Trennung des Arbeiters von seinem Ar-
beitsmittel, die als Besitzfrage für den Knotenpunkt des sozialen
Elends gilt, würde sich in einem anderen Sinne grade als eine Erlösung
zeigen: wenn sie die personale Differenzierung des Arbeiters als
Menschen von den rein sachlichen Bedingungen bedeutete, in die die
Technik der Produktion ihn stellt. So würde das Geld eine jener
nicht seltenen Entwicklungen vollziehen, in denen die Bedeutung eines
Elementes direkt in ihr Gegenteil umschlägt, sobald sie aus ihrer ur-
sprünglichen beschränkten Wirksamkeit sich zu einer durchgehenden,
konsequenten, überall hindringenden entfaltet hat. Indem das Geld
gleichsam einen Keil zwischen die Person und die Sache treibt, zer-
reiſst es zunächst wohlthätige und stützende Verbindungen, leitet aber
doch jene Verselbständigung beider gegeneinander ein, in der jedes
von beiden seine volle, befriedigende, von dem andern ungestörte
Entwicklung finden kann.

Wo die Arbeitsverfassung, bezw. das allgemeine soziale Verhältnis
aus der personalen in die sachliche Form — und, parallel damit, aus
der naturalwirtschaftlichen in die geldwirtschaftliche — übergeht, finden
wir zunächst oder partiell eine Verschlechterung in der Stellung des
Untergeordneten. Die Entlohnung des Arbeiters in Naturalien hat, gegen-
über dem Geldlohn, neben all ihren Gefahren sicher manche Vorteile.
Denn die Geldleistung bezahlt ihre gröſsere äuſsere Bestimmtheit, sozusagen
ihre logische Präzision mit der gröſseren Unsicherheit ihres schlieſs-
lichen Wertquantums. Brot und Wohnung haben für den Arbeiter
einen, man möchte sagen, absoluten Wert, der als solcher zu allen Zeiten
derselbe ist; die Wertschwankungen, denen nichts empirisches sich ent-
ziehen kann, fallen hier dem Arbeitgeber zur Last, der sie dadurch
für den Arbeiter ausgleicht. Der gleiche Geldlohn dagegen kann
heute etwas völlig anderes bedeuten als vor einem Jahre, er verteilt
die Chancen der Schwankungen zwischen Geber und Empfänger. Allein
diese Unsicherheit und Ungleichmäſsigkeit, die oft genug recht empfind-
lich sein mag, ist doch das unvermeidliche Korrelat der Freiheit. Die
Art, auf die die Freiheit sich darstellt, ist Unregelmäſsigkeit, Un-
berechenbarkeit, Asymmetrie; weshalb denn — wie später noch ausführ-
lich zu erörtern ist — freiheitliche politische Verfassungen, wie die
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[344/0368] rischen Bedingungen alle technischen Vorteile der letzteren behalten und ihre Benachteiligungen der Subjektivität und Freiheit vermeiden, auf die sich heute der Anarchismus und teilweise der Sozialismus gründet. Das aber ist die Richtung der Kultur, die, wie wir oben sahen, die Geldwirtschaft anbahnt. Die Trennung des Arbeiters von seinem Ar- beitsmittel, die als Besitzfrage für den Knotenpunkt des sozialen Elends gilt, würde sich in einem anderen Sinne grade als eine Erlösung zeigen: wenn sie die personale Differenzierung des Arbeiters als Menschen von den rein sachlichen Bedingungen bedeutete, in die die Technik der Produktion ihn stellt. So würde das Geld eine jener nicht seltenen Entwicklungen vollziehen, in denen die Bedeutung eines Elementes direkt in ihr Gegenteil umschlägt, sobald sie aus ihrer ur- sprünglichen beschränkten Wirksamkeit sich zu einer durchgehenden, konsequenten, überall hindringenden entfaltet hat. Indem das Geld gleichsam einen Keil zwischen die Person und die Sache treibt, zer- reiſst es zunächst wohlthätige und stützende Verbindungen, leitet aber doch jene Verselbständigung beider gegeneinander ein, in der jedes von beiden seine volle, befriedigende, von dem andern ungestörte Entwicklung finden kann. Wo die Arbeitsverfassung, bezw. das allgemeine soziale Verhältnis aus der personalen in die sachliche Form — und, parallel damit, aus der naturalwirtschaftlichen in die geldwirtschaftliche — übergeht, finden wir zunächst oder partiell eine Verschlechterung in der Stellung des Untergeordneten. Die Entlohnung des Arbeiters in Naturalien hat, gegen- über dem Geldlohn, neben all ihren Gefahren sicher manche Vorteile. Denn die Geldleistung bezahlt ihre gröſsere äuſsere Bestimmtheit, sozusagen ihre logische Präzision mit der gröſseren Unsicherheit ihres schlieſs- lichen Wertquantums. Brot und Wohnung haben für den Arbeiter einen, man möchte sagen, absoluten Wert, der als solcher zu allen Zeiten derselbe ist; die Wertschwankungen, denen nichts empirisches sich ent- ziehen kann, fallen hier dem Arbeitgeber zur Last, der sie dadurch für den Arbeiter ausgleicht. Der gleiche Geldlohn dagegen kann heute etwas völlig anderes bedeuten als vor einem Jahre, er verteilt die Chancen der Schwankungen zwischen Geber und Empfänger. Allein diese Unsicherheit und Ungleichmäſsigkeit, die oft genug recht empfind- lich sein mag, ist doch das unvermeidliche Korrelat der Freiheit. Die Art, auf die die Freiheit sich darstellt, ist Unregelmäſsigkeit, Un- berechenbarkeit, Asymmetrie; weshalb denn — wie später noch ausführ- lich zu erörtern ist — freiheitliche politische Verfassungen, wie die englische, durch ihre inneren Anomalien, ihren Mangel an Planmäſsig- keit und systematischem Aufbau charakterisiert sind, während des-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/368>, abgerufen am 22.11.2024.