potischer Zwang allenthalben auf symmetrische Strukturen, Gleich- förmigkeit der Elemente, Vermeidung alles Rhapsodischen ausgeht. Die Schwankungen der Preise, unter denen der Geldlohn empfangende Ar- beiter ganz anders als der in Naturalien entlohnte leidet, haben so einen tiefen Zusammenhang mit der Lebensform der Freiheit, die dem Geldlohn ebenso entspricht, wie die Naturalentlohnung der Lebensform der Gebundenheit. Gemäss der Regel, die weit über die Politik hinaus gilt: wo eine Freiheit ist, da ist auch eine Steuer -- zahlt der Arbeiter in den Unsicherheiten des Geldlohnes die Steuer für die durch diesen bewirkte oder angebahnte Freiheit. -- Ganz Entsprechendes nehmen wir wahr, wo umgekehrt die Leistungen des sozial Tieferstehenden aus der naturalen in die Geldform übergehen. Die Naturalleistung schafft ein gemütlicheres Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten. In dem Korn, dem Geflügel, dem Wein, die der Grund- holde in den Herrenhof liefert, steckt unmittelbar seine Arbeitskraft, es sind gleichsam Stücke von ihm, die sich von seiner Vergangenheit und seinem Interesse noch nicht völlig gelöst haben; und entsprechend werden sie unmittelbar von dem Empfänger genossen, er hat ein In- teresse an ihrer Qualität und sie gehen sozusagen ebenso in ihn per- sönlich ein, wie sie von jenem persönlich ausgehen. Es wird damit also eine viel engere Verbindung zwischen Berechtigtem und Ver- pflichtetem hergestellt, als durch die Geldleistung, in der die perso- nalen Momente von beiden Seiten her verschwinden. Deshalb hören wir, dass im frühen mittelalterlichen Deutschland durchaus die Sitte herrschte, die Leistungen der Hörigen durch kleine Gefälligkeiten zu mildern; allenthalben erhielten sie bei der Entrichtung der Abgaben eine kleine Gegengabe, mindestens Speise und Trank. Diese wohl- wollende, sozusagen anmutige Behandlung der Verpflichteten hat sich in dem Masse verloren, in dem an die Stelle der Naturalleistungen mehr und mehr Geldleistungen und an die Stelle der unter ihren Grundholden lebenden Grund- und Landesherren die härteren Beamten traten. Denn diese Einsetzung der Beamten bedeutete die Objektivie- rung des Betriebes: der Beamte leitete ihn nach den unpersönlichen Anforderungen der Technik, die ein möglichst grosses objektives Er- trägnis liefern sollte. Er stand mit derselben entpersonalisierenden Wirkung zwischen dem Hörigen und dem Herrn, wie sich das Geld zwischen die Leistung des einen und den Genuss des andern schob, eine trennende Selbständigkeit der Mittelinstanz, die sich auch darin zeigte, dass die Verwandlung der Naturalfronen in Geldzinsung dem Gutsverwalter ganz neue Gelegenheiten zu Unredlichkeiten gegenüber dem fernen Herrn gab. So sehr der Bauer von dem Persönlichkeits-
potischer Zwang allenthalben auf symmetrische Strukturen, Gleich- förmigkeit der Elemente, Vermeidung alles Rhapsodischen ausgeht. Die Schwankungen der Preise, unter denen der Geldlohn empfangende Ar- beiter ganz anders als der in Naturalien entlohnte leidet, haben so einen tiefen Zusammenhang mit der Lebensform der Freiheit, die dem Geldlohn ebenso entspricht, wie die Naturalentlohnung der Lebensform der Gebundenheit. Gemäſs der Regel, die weit über die Politik hinaus gilt: wo eine Freiheit ist, da ist auch eine Steuer — zahlt der Arbeiter in den Unsicherheiten des Geldlohnes die Steuer für die durch diesen bewirkte oder angebahnte Freiheit. — Ganz Entsprechendes nehmen wir wahr, wo umgekehrt die Leistungen des sozial Tieferstehenden aus der naturalen in die Geldform übergehen. Die Naturalleistung schafft ein gemütlicheres Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten. In dem Korn, dem Geflügel, dem Wein, die der Grund- holde in den Herrenhof liefert, steckt unmittelbar seine Arbeitskraft, es sind gleichsam Stücke von ihm, die sich von seiner Vergangenheit und seinem Interesse noch nicht völlig gelöst haben; und entsprechend werden sie unmittelbar von dem Empfänger genossen, er hat ein In- teresse an ihrer Qualität und sie gehen sozusagen ebenso in ihn per- sönlich ein, wie sie von jenem persönlich ausgehen. Es wird damit also eine viel engere Verbindung zwischen Berechtigtem und Ver- pflichtetem hergestellt, als durch die Geldleistung, in der die perso- nalen Momente von beiden Seiten her verschwinden. Deshalb hören wir, daſs im frühen mittelalterlichen Deutschland durchaus die Sitte herrschte, die Leistungen der Hörigen durch kleine Gefälligkeiten zu mildern; allenthalben erhielten sie bei der Entrichtung der Abgaben eine kleine Gegengabe, mindestens Speise und Trank. Diese wohl- wollende, sozusagen anmutige Behandlung der Verpflichteten hat sich in dem Maſse verloren, in dem an die Stelle der Naturalleistungen mehr und mehr Geldleistungen und an die Stelle der unter ihren Grundholden lebenden Grund- und Landesherren die härteren Beamten traten. Denn diese Einsetzung der Beamten bedeutete die Objektivie- rung des Betriebes: der Beamte leitete ihn nach den unpersönlichen Anforderungen der Technik, die ein möglichst groſses objektives Er- trägnis liefern sollte. Er stand mit derselben entpersonalisierenden Wirkung zwischen dem Hörigen und dem Herrn, wie sich das Geld zwischen die Leistung des einen und den Genuſs des andern schob, eine trennende Selbständigkeit der Mittelinstanz, die sich auch darin zeigte, daſs die Verwandlung der Naturalfronen in Geldzinsung dem Gutsverwalter ganz neue Gelegenheiten zu Unredlichkeiten gegenüber dem fernen Herrn gab. So sehr der Bauer von dem Persönlichkeits-
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potischer Zwang allenthalben auf symmetrische Strukturen, Gleich-
förmigkeit der Elemente, Vermeidung alles Rhapsodischen ausgeht. Die
Schwankungen der Preise, unter denen der Geldlohn empfangende Ar-
beiter ganz anders als der in Naturalien entlohnte leidet, haben so
einen tiefen Zusammenhang mit der Lebensform der Freiheit, die dem
Geldlohn ebenso entspricht, wie die Naturalentlohnung der Lebensform
der Gebundenheit. Gemäſs der Regel, die weit über die Politik hinaus
gilt: wo eine Freiheit ist, da ist auch eine Steuer — zahlt der Arbeiter
in den Unsicherheiten des Geldlohnes die Steuer für die durch diesen
bewirkte oder angebahnte Freiheit. — Ganz Entsprechendes nehmen
wir wahr, wo umgekehrt die Leistungen des sozial Tieferstehenden
aus der naturalen in die Geldform übergehen. Die Naturalleistung
schafft ein gemütlicheres Verhältnis zwischen dem Berechtigten und dem
Verpflichteten. In dem Korn, dem Geflügel, dem Wein, die der Grund-
holde in den Herrenhof liefert, steckt unmittelbar seine Arbeitskraft,
es sind gleichsam Stücke von ihm, die sich von seiner Vergangenheit
und seinem Interesse noch nicht völlig gelöst haben; und entsprechend
werden sie unmittelbar von dem Empfänger genossen, er hat ein In-
teresse an ihrer Qualität und sie gehen sozusagen ebenso in ihn per-
sönlich ein, wie sie von jenem persönlich ausgehen. Es wird damit
also eine viel engere Verbindung zwischen Berechtigtem und Ver-
pflichtetem hergestellt, als durch die Geldleistung, in der die perso-
nalen Momente von beiden Seiten her verschwinden. Deshalb hören
wir, daſs im frühen mittelalterlichen Deutschland durchaus die Sitte
herrschte, die Leistungen der Hörigen durch kleine Gefälligkeiten zu
mildern; allenthalben erhielten sie bei der Entrichtung der Abgaben
eine kleine Gegengabe, mindestens Speise und Trank. Diese wohl-
wollende, sozusagen anmutige Behandlung der Verpflichteten hat sich
in dem Maſse verloren, in dem an die Stelle der Naturalleistungen
mehr und mehr Geldleistungen und an die Stelle der unter ihren
Grundholden lebenden Grund- und Landesherren die härteren Beamten
traten. Denn diese Einsetzung der Beamten bedeutete die Objektivie-
rung des Betriebes: der Beamte leitete ihn nach den unpersönlichen
Anforderungen der Technik, die ein möglichst groſses objektives Er-
trägnis liefern sollte. Er stand mit derselben entpersonalisierenden
Wirkung zwischen dem Hörigen und dem Herrn, wie sich das Geld
zwischen die Leistung des einen und den Genuſs des andern schob,
eine trennende Selbständigkeit der Mittelinstanz, die sich auch darin
zeigte, daſs die Verwandlung der Naturalfronen in Geldzinsung dem
Gutsverwalter ganz neue Gelegenheiten zu Unredlichkeiten gegenüber
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/369>, abgerufen am 25.11.2024.
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