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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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bestimmten Kräften, spezifischen Eigenschaften und Bemühungen ab-
hängig. Daraus ergiebt sich aber unmittelbar, dass umgekehrt auch
der eigenartige Besitz auf die Qualität und Bethätigung des Besitzers
Einfluss üben muss. Wer ein Landgut oder eine Fabrik besitzt, so-
weit er den Betrieb nicht Anderen überlässt und ausschliesslich Renten-
empfänger ist; wer als zentrales Besitzstück eine Gemäldegalerie oder
einen Rennstall besitzt, der ist in seinem Sein nicht mehr vollkommen
frei; und das bedeutet nicht nur, dass seine Zeit in einem bestimmten
Mass und Art beansprucht ist, sondern vor allem, dass eine bestimmte
Qualifikation seiner dazu vorausgesetzt wird. Der spezifische Sachbesitz
enthält gleichsam eine rückwärtsgewendete Prädestination; der Besitz von
Verschiedenem ist ein verschiedenes Besitzen, sobald nicht nur der juris-
tische Sinn des Eigentums in Frage steht. Der Besitz eines besonders
charakterisierten Objektes, der mehr als jenen abstrakten Eigentumsbegriff
bedeuten will, ist nichts, was jeder Persönlichkeit ohne weiteres und
wie von aussen angeheftet werden könnte; er besteht vielmehr aus
einer Wechselwirkung zwischen den Kräften oder Qualitäten des Sub-
jekts und denen des Objekts, und diese Wechselwirkung kann nur bei
einem bestimmten Verhältnis beider, das heisst, bei einer bestimmten
Qualifikation auch des Subjektes entstehen. Es ist nur der Revers
dieser Überlegung, dass die Wirkung des Besitzes auf den Besitzer
diesen bestimmt. Wie der Besitz besonderer Objekte umsomehr ein
echter und aktiver ist, je entschiedener und unzweideutiger das
Subjekt dafür veranlagt ist, so umgekehrt: je gründlicher und
eindringlicher der Besitz wirklich besessen, das heisst fruchtbar ge-
macht und genossen wird, um so entschiednere und determinierendere
Wirkungen wird er auf das innere und das äussere Wesen des Sub-
jekts ausüben. So geht eine Kette vom Sein zum Haben und vom
Haben zurück zum Sein. Die Marxische Frage, ob das Bewusstsein
der Menschen ihr Sein oder ihr Sein ihr Bewusstsein bestimme, findet
für ein Teilgebiet hier ihre Antwort: denn unter das Sein im Sinne
von Marx gehört das Haben der Menschen. Diese eigentümliche Ver-
bindung aber, vermittels deren der Mensch durch eine spezifische An-
lage auf einen bestimmten Besitz hingewiesen, durch diesen Besitz
aber andrerseits in seinem Wesen bestimmt wird, ist straffer oder
loser je nach dem Objekt, das ihren Drehpunkt bildet. Bei Gegen-
ständen von rein ästhetischer Bedeutung, ökonomischen Werten von
sehr arbeitsteiliger Bestimmtheit, Objekten von schwieriger Zugängig-
keit und Verwertbarkeit wird jene Verbindung eine sehr stringente
sein, und sie wird sich durch die Skala immer geringerer spezifischer

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bestimmten Kräften, spezifischen Eigenschaften und Bemühungen ab-
hängig. Daraus ergiebt sich aber unmittelbar, daſs umgekehrt auch
der eigenartige Besitz auf die Qualität und Bethätigung des Besitzers
Einfluſs üben muſs. Wer ein Landgut oder eine Fabrik besitzt, so-
weit er den Betrieb nicht Anderen überläſst und ausschlieſslich Renten-
empfänger ist; wer als zentrales Besitzstück eine Gemäldegalerie oder
einen Rennstall besitzt, der ist in seinem Sein nicht mehr vollkommen
frei; und das bedeutet nicht nur, daſs seine Zeit in einem bestimmten
Maſs und Art beansprucht ist, sondern vor allem, daſs eine bestimmte
Qualifikation seiner dazu vorausgesetzt wird. Der spezifische Sachbesitz
enthält gleichsam eine rückwärtsgewendete Prädestination; der Besitz von
Verschiedenem ist ein verschiedenes Besitzen, sobald nicht nur der juris-
tische Sinn des Eigentums in Frage steht. Der Besitz eines besonders
charakterisierten Objektes, der mehr als jenen abstrakten Eigentumsbegriff
bedeuten will, ist nichts, was jeder Persönlichkeit ohne weiteres und
wie von auſsen angeheftet werden könnte; er besteht vielmehr aus
einer Wechselwirkung zwischen den Kräften oder Qualitäten des Sub-
jekts und denen des Objekts, und diese Wechselwirkung kann nur bei
einem bestimmten Verhältnis beider, das heiſst, bei einer bestimmten
Qualifikation auch des Subjektes entstehen. Es ist nur der Revers
dieser Überlegung, daſs die Wirkung des Besitzes auf den Besitzer
diesen bestimmt. Wie der Besitz besonderer Objekte umsomehr ein
echter und aktiver ist, je entschiedener und unzweideutiger das
Subjekt dafür veranlagt ist, so umgekehrt: je gründlicher und
eindringlicher der Besitz wirklich besessen, das heiſst fruchtbar ge-
macht und genossen wird, um so entschiednere und determinierendere
Wirkungen wird er auf das innere und das äuſsere Wesen des Sub-
jekts ausüben. So geht eine Kette vom Sein zum Haben und vom
Haben zurück zum Sein. Die Marxische Frage, ob das Bewuſstsein
der Menschen ihr Sein oder ihr Sein ihr Bewuſstsein bestimme, findet
für ein Teilgebiet hier ihre Antwort: denn unter das Sein im Sinne
von Marx gehört das Haben der Menschen. Diese eigentümliche Ver-
bindung aber, vermittels deren der Mensch durch eine spezifische An-
lage auf einen bestimmten Besitz hingewiesen, durch diesen Besitz
aber andrerseits in seinem Wesen bestimmt wird, ist straffer oder
loser je nach dem Objekt, das ihren Drehpunkt bildet. Bei Gegen-
ständen von rein ästhetischer Bedeutung, ökonomischen Werten von
sehr arbeitsteiliger Bestimmtheit, Objekten von schwieriger Zugängig-
keit und Verwertbarkeit wird jene Verbindung eine sehr stringente
sein, und sie wird sich durch die Skala immer geringerer spezifischer

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[307/0331] bestimmten Kräften, spezifischen Eigenschaften und Bemühungen ab- hängig. Daraus ergiebt sich aber unmittelbar, daſs umgekehrt auch der eigenartige Besitz auf die Qualität und Bethätigung des Besitzers Einfluſs üben muſs. Wer ein Landgut oder eine Fabrik besitzt, so- weit er den Betrieb nicht Anderen überläſst und ausschlieſslich Renten- empfänger ist; wer als zentrales Besitzstück eine Gemäldegalerie oder einen Rennstall besitzt, der ist in seinem Sein nicht mehr vollkommen frei; und das bedeutet nicht nur, daſs seine Zeit in einem bestimmten Maſs und Art beansprucht ist, sondern vor allem, daſs eine bestimmte Qualifikation seiner dazu vorausgesetzt wird. Der spezifische Sachbesitz enthält gleichsam eine rückwärtsgewendete Prädestination; der Besitz von Verschiedenem ist ein verschiedenes Besitzen, sobald nicht nur der juris- tische Sinn des Eigentums in Frage steht. Der Besitz eines besonders charakterisierten Objektes, der mehr als jenen abstrakten Eigentumsbegriff bedeuten will, ist nichts, was jeder Persönlichkeit ohne weiteres und wie von auſsen angeheftet werden könnte; er besteht vielmehr aus einer Wechselwirkung zwischen den Kräften oder Qualitäten des Sub- jekts und denen des Objekts, und diese Wechselwirkung kann nur bei einem bestimmten Verhältnis beider, das heiſst, bei einer bestimmten Qualifikation auch des Subjektes entstehen. Es ist nur der Revers dieser Überlegung, daſs die Wirkung des Besitzes auf den Besitzer diesen bestimmt. Wie der Besitz besonderer Objekte umsomehr ein echter und aktiver ist, je entschiedener und unzweideutiger das Subjekt dafür veranlagt ist, so umgekehrt: je gründlicher und eindringlicher der Besitz wirklich besessen, das heiſst fruchtbar ge- macht und genossen wird, um so entschiednere und determinierendere Wirkungen wird er auf das innere und das äuſsere Wesen des Sub- jekts ausüben. So geht eine Kette vom Sein zum Haben und vom Haben zurück zum Sein. Die Marxische Frage, ob das Bewuſstsein der Menschen ihr Sein oder ihr Sein ihr Bewuſstsein bestimme, findet für ein Teilgebiet hier ihre Antwort: denn unter das Sein im Sinne von Marx gehört das Haben der Menschen. Diese eigentümliche Ver- bindung aber, vermittels deren der Mensch durch eine spezifische An- lage auf einen bestimmten Besitz hingewiesen, durch diesen Besitz aber andrerseits in seinem Wesen bestimmt wird, ist straffer oder loser je nach dem Objekt, das ihren Drehpunkt bildet. Bei Gegen- ständen von rein ästhetischer Bedeutung, ökonomischen Werten von sehr arbeitsteiliger Bestimmtheit, Objekten von schwieriger Zugängig- keit und Verwertbarkeit wird jene Verbindung eine sehr stringente sein, und sie wird sich durch die Skala immer geringerer spezifischer 20*

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/331>, abgerufen am 25.11.2024.