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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Bestimmtheit der Objekte hindurch mehr und mehr lockern, bis sie
schliesslich beim Gelde ganz auseinanderzufallen scheint.

Die Unabhängigkeit des Seins vom Haben und des Habens vom
Sein, die das Geld zuwege bringt, zeigt sich zunächst an seinem Er-
werb. Denn vermöge des abstrakten Wesens des Geldes münden alle
möglichen Anlagen und Bethätigungen in ihm. Wie alle Wege nach
Rom führen -- indem Rom als die oberhalb jedes lokalen Interesses
gelegene und im Hintergrunde jeder Einzelaktion stehende Instanz ge-
dacht wird -- so führen alle ökonomischen Wege auf Geld; es ist
mindestens das immer gleiche Nebenprodukt aller noch so ungleichen
Produktionen. Das Geld hat die Eigentümlichkeit, dass es durch die
Tüchtigkeit in der Behandlung anderer Dinge erworben wird. Viel
Bodenfrüchte werden durch die Tüchtigkeit des Landwirts, viel Stiefel
durch den Fleiss des Schuhmachers gewonnen, viel Geld aber durch
die Tüchtigkeit in jedweder besonderen Thätigkeit. Zu seinem
Gewinn bedarf es deshalb nicht jener speziellen Anlagen, die den
Erwerb anderer Objekte sonst an das Sein des Subjekts knüpft. Es
giebt allerdings Persönlichkeiten, die für die Behandlung der Geldseite
alles Verkehrs besondere Begabung zeigen; allein da der Erfolg des
wirtschaftlichen Verkehrs überhaupt sich jetzt in Geld ausdrückt, so
wird sehr häufig allgemeine kaufmännische Beanlagung sich als
Talent zum Geldverdienen darstellen. Umgekehrt aber wird die
oben vorgetragene Deutung grade dadurch bestärkt, dass gewisse
Persönlichkeiten durch ihren Mangel an Verständnis für alles Geld-
wesen auffallen. Dass derartige Personen sich so charakteristisch ab-
heben -- ganz anders als solche, die etwa kein Talent für Landwirt-
schaft oder für litterarische oder für technische Aufgaben haben --
beweist grade, dass der Gewinn von Geld an einen viel weiteren Kreis
von Qualitäten appelliert als der jedes anderen Wertes.

Andrerseits mag sich eine entsprechende Ausnahme auf den
höchsten Höhen der Geldwirtschaft beobachten lassen. An den Trans-
aktionen des grossen Finanziers oder Spekulanten kann der Kenner
vielleicht die "Hand" der bestimmten Persönlichkeit erkennen, einen
eigenen Stil und Rhythmus, der die Unternehmungen des einen von
denen des anderen charakteristisch unterscheidet. Allein hier kommt
erstens in Betracht, was noch an anderen Erscheinungen nachzuweisen
sein wird, dass der blosse Quantitätscharakter des Geldes bei ausser-
ordentlich hohen Summen allerdings einer Nüance von qualitativer
Eigenheit Platz macht. Die Indifferenz, Abgeschliffenheit und Bana-
lität, die das Los des fortwährend kursierenden Geldes bilden, reichen
nicht in gleichem Masse an die seltenen und auffälligen Konzentrierungen

Bestimmtheit der Objekte hindurch mehr und mehr lockern, bis sie
schlieſslich beim Gelde ganz auseinanderzufallen scheint.

Die Unabhängigkeit des Seins vom Haben und des Habens vom
Sein, die das Geld zuwege bringt, zeigt sich zunächst an seinem Er-
werb. Denn vermöge des abstrakten Wesens des Geldes münden alle
möglichen Anlagen und Bethätigungen in ihm. Wie alle Wege nach
Rom führen — indem Rom als die oberhalb jedes lokalen Interesses
gelegene und im Hintergrunde jeder Einzelaktion stehende Instanz ge-
dacht wird — so führen alle ökonomischen Wege auf Geld; es ist
mindestens das immer gleiche Nebenprodukt aller noch so ungleichen
Produktionen. Das Geld hat die Eigentümlichkeit, daſs es durch die
Tüchtigkeit in der Behandlung anderer Dinge erworben wird. Viel
Bodenfrüchte werden durch die Tüchtigkeit des Landwirts, viel Stiefel
durch den Fleiſs des Schuhmachers gewonnen, viel Geld aber durch
die Tüchtigkeit in jedweder besonderen Thätigkeit. Zu seinem
Gewinn bedarf es deshalb nicht jener speziellen Anlagen, die den
Erwerb anderer Objekte sonst an das Sein des Subjekts knüpft. Es
giebt allerdings Persönlichkeiten, die für die Behandlung der Geldseite
alles Verkehrs besondere Begabung zeigen; allein da der Erfolg des
wirtschaftlichen Verkehrs überhaupt sich jetzt in Geld ausdrückt, so
wird sehr häufig allgemeine kaufmännische Beanlagung sich als
Talent zum Geldverdienen darstellen. Umgekehrt aber wird die
oben vorgetragene Deutung grade dadurch bestärkt, daſs gewisse
Persönlichkeiten durch ihren Mangel an Verständnis für alles Geld-
wesen auffallen. Daſs derartige Personen sich so charakteristisch ab-
heben — ganz anders als solche, die etwa kein Talent für Landwirt-
schaft oder für litterarische oder für technische Aufgaben haben —
beweist grade, daſs der Gewinn von Geld an einen viel weiteren Kreis
von Qualitäten appelliert als der jedes anderen Wertes.

Andrerseits mag sich eine entsprechende Ausnahme auf den
höchsten Höhen der Geldwirtschaft beobachten lassen. An den Trans-
aktionen des groſsen Finanziers oder Spekulanten kann der Kenner
vielleicht die „Hand“ der bestimmten Persönlichkeit erkennen, einen
eigenen Stil und Rhythmus, der die Unternehmungen des einen von
denen des anderen charakteristisch unterscheidet. Allein hier kommt
erstens in Betracht, was noch an anderen Erscheinungen nachzuweisen
sein wird, daſs der bloſse Quantitätscharakter des Geldes bei auſser-
ordentlich hohen Summen allerdings einer Nüance von qualitativer
Eigenheit Platz macht. Die Indifferenz, Abgeschliffenheit und Bana-
lität, die das Los des fortwährend kursierenden Geldes bilden, reichen
nicht in gleichem Maſse an die seltenen und auffälligen Konzentrierungen

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[308/0332] Bestimmtheit der Objekte hindurch mehr und mehr lockern, bis sie schlieſslich beim Gelde ganz auseinanderzufallen scheint. Die Unabhängigkeit des Seins vom Haben und des Habens vom Sein, die das Geld zuwege bringt, zeigt sich zunächst an seinem Er- werb. Denn vermöge des abstrakten Wesens des Geldes münden alle möglichen Anlagen und Bethätigungen in ihm. Wie alle Wege nach Rom führen — indem Rom als die oberhalb jedes lokalen Interesses gelegene und im Hintergrunde jeder Einzelaktion stehende Instanz ge- dacht wird — so führen alle ökonomischen Wege auf Geld; es ist mindestens das immer gleiche Nebenprodukt aller noch so ungleichen Produktionen. Das Geld hat die Eigentümlichkeit, daſs es durch die Tüchtigkeit in der Behandlung anderer Dinge erworben wird. Viel Bodenfrüchte werden durch die Tüchtigkeit des Landwirts, viel Stiefel durch den Fleiſs des Schuhmachers gewonnen, viel Geld aber durch die Tüchtigkeit in jedweder besonderen Thätigkeit. Zu seinem Gewinn bedarf es deshalb nicht jener speziellen Anlagen, die den Erwerb anderer Objekte sonst an das Sein des Subjekts knüpft. Es giebt allerdings Persönlichkeiten, die für die Behandlung der Geldseite alles Verkehrs besondere Begabung zeigen; allein da der Erfolg des wirtschaftlichen Verkehrs überhaupt sich jetzt in Geld ausdrückt, so wird sehr häufig allgemeine kaufmännische Beanlagung sich als Talent zum Geldverdienen darstellen. Umgekehrt aber wird die oben vorgetragene Deutung grade dadurch bestärkt, daſs gewisse Persönlichkeiten durch ihren Mangel an Verständnis für alles Geld- wesen auffallen. Daſs derartige Personen sich so charakteristisch ab- heben — ganz anders als solche, die etwa kein Talent für Landwirt- schaft oder für litterarische oder für technische Aufgaben haben — beweist grade, daſs der Gewinn von Geld an einen viel weiteren Kreis von Qualitäten appelliert als der jedes anderen Wertes. Andrerseits mag sich eine entsprechende Ausnahme auf den höchsten Höhen der Geldwirtschaft beobachten lassen. An den Trans- aktionen des groſsen Finanziers oder Spekulanten kann der Kenner vielleicht die „Hand“ der bestimmten Persönlichkeit erkennen, einen eigenen Stil und Rhythmus, der die Unternehmungen des einen von denen des anderen charakteristisch unterscheidet. Allein hier kommt erstens in Betracht, was noch an anderen Erscheinungen nachzuweisen sein wird, daſs der bloſse Quantitätscharakter des Geldes bei auſser- ordentlich hohen Summen allerdings einer Nüance von qualitativer Eigenheit Platz macht. Die Indifferenz, Abgeschliffenheit und Bana- lität, die das Los des fortwährend kursierenden Geldes bilden, reichen nicht in gleichem Maſse an die seltenen und auffälligen Konzentrierungen

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/332>, abgerufen am 25.11.2024.