geben könnte, mit denen sie sich berührt, so würde ihre reale Be- deutung gleich Null sein. Kurz, wovon die Kategorie jener Substanzen und Werte sich allerdings generell unterscheidet, ist jeder Einzelfall als solcher und die noch so grosse relative Summe der Einzelfälle; ihre absolute Summe aber ist ihr restloses Äquivalent, sie sind, von ihrem metaphysischen Sinne abgesehen, nur der abgekürzte Ausdruck für die Totalität der einzelnen Ereignisse, Vorstellungen, Aktionen. Und daran darf man sich nicht durch die Thatsache irre machen lassen, dass allerdings keine empirische Reihe von Einzelheiten -- als welche immer unvollständig und relativ ist -- die Inhalte jener Kategorien deckt oder erschöpft.
Dies ist nun die Formel, in die der Eigentumsbegriff sich ein- stellt. Gewiss ist das Eigentum begrifflich und juristisch von den ein- zelnen Rechten und Nutzniessungen an der Sache zu unterscheiden. Und was jemand mit seinem Eigentum vornehmen wird, lässt sich nie- mals von vornherein so bestimmen, dass man sagen könnte: diese Summe von Aktion und Genuss decke sich mit seinem Eigentum an der Sache. Allein die Gesamtheit der überhaupt möglichen und je wirklichen Benutzung deckt sich doch damit. So sehr sich die iura in re aliena von dem Eigentum unterscheiden mögen, so ist doch in- haltlich zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied: in etwas Anderem als einer Summe von Rechten über das Objekt kann kein Eigentum bestehen; selbst ein so einheitlich und geschlossen erscheinen- der Besitz wie der römische Prinzipat ist rechtshistorisch der Eintritt in eine Reihe auf verschiedene Weise erworbener Ämter, grade wie, dass der Gutsherr den unterthänigen Bauern als "Eigentum" besass, doch nur die Summiertheit einzelner, allmählich angewachsener Rechte über ihn bedeutete. Nur dass das Eigentum nicht eine relative, sondern prinzipiell die absolute Summe der Rechte an der Sache ausdrückt und garantiert. Eben deshalb hat das Eigentum als Wirklichkeit, wenn auch nicht als begriffliche Abstraktion, die Aktion des Eigentümers zum notwendigen Korrelat. Nur in der ideellen Nachwirkung der Prozesse, die zu ihm führten, und in der ideellen Vorwegnahme künf- tigen Geniessens oder Verwertens besteht der ruhende Besitz; zieht man diese Erscheinungen, die man fälschlich für nur begleitende an- zusehen pflegt, von ihm ab, so bleibt nichts von ihm übrig.
Nun aber sind die wechselnden Arten dieser subjektiven Bewegung, die Besitz heisst, in irgend einem Masse von der Eigenart des Objekts abhängig, an dem sie sich vollzieht; das Geld aber ist dasjenige Be- sitzobjekt, bei dem diese Abhängigkeit die geringste ist. Erwerb und Fruktifizierung von Besitzobjekten, die nicht Geld sind, ist von
geben könnte, mit denen sie sich berührt, so würde ihre reale Be- deutung gleich Null sein. Kurz, wovon die Kategorie jener Substanzen und Werte sich allerdings generell unterscheidet, ist jeder Einzelfall als solcher und die noch so groſse relative Summe der Einzelfälle; ihre absolute Summe aber ist ihr restloses Äquivalent, sie sind, von ihrem metaphysischen Sinne abgesehen, nur der abgekürzte Ausdruck für die Totalität der einzelnen Ereignisse, Vorstellungen, Aktionen. Und daran darf man sich nicht durch die Thatsache irre machen lassen, daſs allerdings keine empirische Reihe von Einzelheiten — als welche immer unvollständig und relativ ist — die Inhalte jener Kategorien deckt oder erschöpft.
Dies ist nun die Formel, in die der Eigentumsbegriff sich ein- stellt. Gewiſs ist das Eigentum begrifflich und juristisch von den ein- zelnen Rechten und Nutznieſsungen an der Sache zu unterscheiden. Und was jemand mit seinem Eigentum vornehmen wird, läſst sich nie- mals von vornherein so bestimmen, daſs man sagen könnte: diese Summe von Aktion und Genuſs decke sich mit seinem Eigentum an der Sache. Allein die Gesamtheit der überhaupt möglichen und je wirklichen Benutzung deckt sich doch damit. So sehr sich die iura in re aliena von dem Eigentum unterscheiden mögen, so ist doch in- haltlich zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied: in etwas Anderem als einer Summe von Rechten über das Objekt kann kein Eigentum bestehen; selbst ein so einheitlich und geschlossen erscheinen- der Besitz wie der römische Prinzipat ist rechtshistorisch der Eintritt in eine Reihe auf verschiedene Weise erworbener Ämter, grade wie, daſs der Gutsherr den unterthänigen Bauern als „Eigentum“ besaſs, doch nur die Summiertheit einzelner, allmählich angewachsener Rechte über ihn bedeutete. Nur daſs das Eigentum nicht eine relative, sondern prinzipiell die absolute Summe der Rechte an der Sache ausdrückt und garantiert. Eben deshalb hat das Eigentum als Wirklichkeit, wenn auch nicht als begriffliche Abstraktion, die Aktion des Eigentümers zum notwendigen Korrelat. Nur in der ideellen Nachwirkung der Prozesse, die zu ihm führten, und in der ideellen Vorwegnahme künf- tigen Genieſsens oder Verwertens besteht der ruhende Besitz; zieht man diese Erscheinungen, die man fälschlich für nur begleitende an- zusehen pflegt, von ihm ab, so bleibt nichts von ihm übrig.
Nun aber sind die wechselnden Arten dieser subjektiven Bewegung, die Besitz heiſst, in irgend einem Maſse von der Eigenart des Objekts abhängig, an dem sie sich vollzieht; das Geld aber ist dasjenige Be- sitzobjekt, bei dem diese Abhängigkeit die geringste ist. Erwerb und Fruktifizierung von Besitzobjekten, die nicht Geld sind, ist von
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[306/0330]
geben könnte, mit denen sie sich berührt, so würde ihre reale Be-
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als solcher und die noch so groſse relative Summe der Einzelfälle; ihre
absolute Summe aber ist ihr restloses Äquivalent, sie sind, von
ihrem metaphysischen Sinne abgesehen, nur der abgekürzte Ausdruck
für die Totalität der einzelnen Ereignisse, Vorstellungen, Aktionen.
Und daran darf man sich nicht durch die Thatsache irre machen lassen,
daſs allerdings keine empirische Reihe von Einzelheiten — als welche
immer unvollständig und relativ ist — die Inhalte jener Kategorien
deckt oder erschöpft.
Dies ist nun die Formel, in die der Eigentumsbegriff sich ein-
stellt. Gewiſs ist das Eigentum begrifflich und juristisch von den ein-
zelnen Rechten und Nutznieſsungen an der Sache zu unterscheiden.
Und was jemand mit seinem Eigentum vornehmen wird, läſst sich nie-
mals von vornherein so bestimmen, daſs man sagen könnte: diese
Summe von Aktion und Genuſs decke sich mit seinem Eigentum an
der Sache. Allein die Gesamtheit der überhaupt möglichen und je
wirklichen Benutzung deckt sich doch damit. So sehr sich die iura
in re aliena von dem Eigentum unterscheiden mögen, so ist doch in-
haltlich zwischen beiden nur ein gradueller Unterschied: in etwas
Anderem als einer Summe von Rechten über das Objekt kann kein
Eigentum bestehen; selbst ein so einheitlich und geschlossen erscheinen-
der Besitz wie der römische Prinzipat ist rechtshistorisch der Eintritt
in eine Reihe auf verschiedene Weise erworbener Ämter, grade wie, daſs
der Gutsherr den unterthänigen Bauern als „Eigentum“ besaſs, doch
nur die Summiertheit einzelner, allmählich angewachsener Rechte über
ihn bedeutete. Nur daſs das Eigentum nicht eine relative, sondern
prinzipiell die absolute Summe der Rechte an der Sache ausdrückt
und garantiert. Eben deshalb hat das Eigentum als Wirklichkeit, wenn
auch nicht als begriffliche Abstraktion, die Aktion des Eigentümers
zum notwendigen Korrelat. Nur in der ideellen Nachwirkung der
Prozesse, die zu ihm führten, und in der ideellen Vorwegnahme künf-
tigen Genieſsens oder Verwertens besteht der ruhende Besitz; zieht
man diese Erscheinungen, die man fälschlich für nur begleitende an-
zusehen pflegt, von ihm ab, so bleibt nichts von ihm übrig.
Nun aber sind die wechselnden Arten dieser subjektiven Bewegung,
die Besitz heiſst, in irgend einem Maſse von der Eigenart des Objekts
abhängig, an dem sie sich vollzieht; das Geld aber ist dasjenige Be-
sitzobjekt, bei dem diese Abhängigkeit die geringste ist. Erwerb
und Fruktifizierung von Besitzobjekten, die nicht Geld sind, ist von
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/330>, abgerufen am 25.11.2024.
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