Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.Joh: Angeli sechtes Buch. 10 Der Abgeleibte Seelige. O GOtt wiewol ist mir! mein Leiden ist verschwundenDie Schmertzen sind dahin/ die Trübsal hat ein End' Und alles Hertzeleid ist von mir abgewend: Jch bin nu Kärkerloß und seeliglich entbunden: Jch habe Freudenreich gesiegt und überwunden: Kein Feind berührt mich mehr/ und was man böse nennt: Es wird mit keinem Weh mein frölich seyn getrent. Jch habe wahre Ruh/ und wahre Lust gefunden. Der Himmel lacht mich an/ die Engel nehmen mich Sambt allen Heiligen mit Freuden unter sich. Jch bin so voller Trosts daß ich fast überfliesse: Jch habe was ich wil/ und wil was ich geniesse: Jch habe nu genug: man führt mich wie ich bin Zu meinem Bräutigam und süssen JEsu hin. 11 Der Seelige weise. Wie Seelig ist der Mensch/ der alle seine zeitMit anders nichts verbringt/ als mit der Ewigkeit! Der jung und alt allein betrachtet und beschaut Der Weißheit Schloß/ das GOtt sein Vater hat gebaut. Der sich auf seinen Stab/ das ewge Wort/ aufstützt/ Und nicht/ wie mancher Thor/ im frembden sande sitzt. Der nicht nach Hauß und Hoff/ nach Gold und Silber sieht/ Noch seines Lebens zeit zu zehlen sich bemüht. Jhn wird das blinde Glük nicht hin und her vexirn/ Noch etwann eitler Durst zu frembden Wassern führn. Er weiß von keinem Zang/ er liebt nicht krämerey/ Er trachtet nicht darnach/ daß er gesehen sey/ Er ist der Welt ein kind/ die allernächste stadt Jst ihm so viel bekand/ als die der Tagus hat. Er schaut nur über sich/ so frey er immer kan/ Sein rechtes Vaterland/ den lieben Himmel an. Sein alter rechnet er nicht nach der Jahre zahl/ Jn K 2
Joh: Angeli ſechtes Buch. 10 Der Abgeleibte Seelige. O GOtt wiewol iſt mir! mein Leiden iſt verſchwundenDie Schmertzen ſind dahin/ die Truͤbſal hat ein End’ Und alles Hertzeleid iſt von mir abgewend: Jch bin nu Kaͤrkerloß und ſeeliglich entbunden: Jch habe Freudenreich geſiegt und uͤberwunden: Kein Feind beruͤhrt mich mehr/ und was man boͤſe nen̄t: Es wird mit keinem Weh mein froͤlich ſeyn getrent. Jch habe wahre Ruh/ und wahre Luſt gefunden. Der Himmel lacht mich an/ die Engel nehmen mich Sambt allen Heiligen mit Freuden unter ſich. Jch bin ſo voller Troſts daß ich faſt uͤberflieſſe: Jch habe was ich wil/ und wil was ich genieſſe: Jch habe nu genug: man fuͤhrt mich wie ich bin Zu meinem Braͤutigam und ſuͤſſen JEſu hin. 11 Der Seelige weiſe. Wie Seelig iſt der Menſch/ der alle ſeine zeitMit anders nichts verbringt/ als mit der Ewigkeit! Der jung und alt allein betrachtet und beſchaut Der Weißheit Schloß/ das GOtt ſein Vater hat gebaut. Der ſich auf ſeinen Stab/ das ewge Wort/ aufſtuͤtzt/ Und nicht/ wie mancher Thor/ im frembden ſande ſitzt. Der nicht nach Hauß und Hoff/ nach Gold und Silber ſieht/ Noch ſeines Lebens zeit zu zehlen ſich bemuͤht. Jhn wird das blinde Gluͤk nicht hin und her vexirn/ Noch etwann eitler Durſt zu frembden Waſſern fuͤhrn. Er weiß von keinem Zang/ er liebt nicht kraͤmerey/ Er trachtet nicht darnach/ daß er geſehen ſey/ Er iſt der Welt ein kind/ die allernaͤchſte ſtadt Jſt ihm ſo viel bekand/ als die der Tagus hat. Er ſchaut nur uͤber ſich/ ſo frey er immer kan/ Sein rechtes Vaterland/ den lieben Himmel an. Sein alter rechnet er nicht nach der Jahre zahl/ Jn K 2
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Joh: Angeli ſechtes Buch.
10 Der Abgeleibte Seelige.
O GOtt wiewol iſt mir! mein Leiden iſt verſchwunden
Die Schmertzen ſind dahin/ die Truͤbſal hat ein End’
Und alles Hertzeleid iſt von mir abgewend:
Jch bin nu Kaͤrkerloß und ſeeliglich entbunden:
Jch habe Freudenreich geſiegt und uͤberwunden:
Kein Feind beruͤhrt mich mehr/ und was man boͤſe nen̄t:
Es wird mit keinem Weh mein froͤlich ſeyn getrent.
Jch habe wahre Ruh/ und wahre Luſt gefunden.
Der Himmel lacht mich an/ die Engel nehmen mich
Sambt allen Heiligen mit Freuden unter ſich.
Jch bin ſo voller Troſts daß ich faſt uͤberflieſſe:
Jch habe was ich wil/ und wil was ich genieſſe:
Jch habe nu genug: man fuͤhrt mich wie ich bin
Zu meinem Braͤutigam und ſuͤſſen JEſu hin.
11 Der Seelige weiſe.
Wie Seelig iſt der Menſch/ der alle ſeine zeit
Mit anders nichts verbringt/ als mit der Ewigkeit!
Der jung und alt allein betrachtet und beſchaut
Der Weißheit Schloß/ das GOtt ſein Vater hat gebaut.
Der ſich auf ſeinen Stab/ das ewge Wort/ aufſtuͤtzt/
Und nicht/ wie mancher Thor/ im frembden ſande ſitzt.
Der nicht nach Hauß und Hoff/ nach Gold und Silber
ſieht/
Noch ſeines Lebens zeit zu zehlen ſich bemuͤht.
Jhn wird das blinde Gluͤk nicht hin und her vexirn/
Noch etwann eitler Durſt zu frembden Waſſern fuͤhrn.
Er weiß von keinem Zang/ er liebt nicht kraͤmerey/
Er trachtet nicht darnach/ daß er geſehen ſey/
Er iſt der Welt ein kind/ die allernaͤchſte ſtadt
Jſt ihm ſo viel bekand/ als die der Tagus hat.
Er ſchaut nur uͤber ſich/ ſo frey er immer kan/
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