Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
aus Sibirien.

Jemehr ich mich vom Tarabagatai entfernte, desto
mehr wird das Land reicher an geilwachsenden Pflanzen
und verschieden vom sibirischen. Alles schien mir ein
ganz anderes Ansehen zu haben. Jch sah hier seit mei-
ner Abreise aus Moscau zum erstenmate wieder Conium
maculatum
und Cichorium Intybus. Eine sehr schöne
dem Astragalus christianus, und eine andere dem Astra-
galus alopecuroides
ähnliche Gattung, und der Linnei-
sche pilosus prangten in ihren besten Festtagskleidern.
Während wir uns zum Mittagsplatze näherten, stießen
wir auf Ackerland, wo ein einziger Kirgise ein mit Wei-
zen und gelber Hirse (Panicum miliaceum) angesäetes
Stück Land vermittelst Kanäle wässerte. Der Acker war
wie gewöhnlich an einem kleinen Flüßchen mit fettem
und schwarzem Erdboden, nur war das Korn mit andern
nicht dazu gehörigen, besonders der Gypsophila pani-
culata
gleichsam überschwemmt. Wenn das hiesige Erd-
reich davon fleißig gereinigt und gehörig bearbeitet wür-
de, so könnte man hier mit dem besten Nutzen Reiß,
Baumwolle, Mays, Lein, Kartoffeln, Melonen, Ar-
busen u. s. w. erzielen, vielleicht würde auch der Wein-
bau gedeihen. Bis jetzo finde ich den Ackerbau noch in
seiner Kindheit, aber da den Kirgisen doch das nach her
gewonnene Korn sehr angenehm ist, so zweifele ich gar
nicht, daß sie mit der Zeit nicht eben so gute Feldbebauer
werden sollten, wie meine Landsleute. Unter dem Schat-
ten von 6 hohen weissen Weiden und in dem nicht sehr
angenehmen Duft von Mannshohem dicht gesäetem
Conium maculatum am Uldshar, gaben wir Pferd und

Mann
K 3
aus Sibirien.

Jemehr ich mich vom Tarabagatai entfernte, deſto
mehr wird das Land reicher an geilwachſenden Pflanzen
und verſchieden vom ſibiriſchen. Alles ſchien mir ein
ganz anderes Anſehen zu haben. Jch ſah hier ſeit mei-
ner Abreiſe aus Moſcau zum erſtenmate wieder Conium
maculatum
und Cichorium Intybus. Eine ſehr ſchoͤne
dem Aſtragalus chriſtianus, und eine andere dem Aſtra-
galus alopecuroides
aͤhnliche Gattung, und der Linnéi-
ſche piloſus prangten in ihren beſten Feſttagskleidern.
Waͤhrend wir uns zum Mittagsplatze naͤherten, ſtießen
wir auf Ackerland, wo ein einziger Kirgiſe ein mit Wei-
zen und gelber Hirſe (Panicum miliaceum) angeſaͤetes
Stuͤck Land vermittelſt Kanaͤle waͤſſerte. Der Acker war
wie gewoͤhnlich an einem kleinen Fluͤßchen mit fettem
und ſchwarzem Erdboden, nur war das Korn mit andern
nicht dazu gehoͤrigen, beſonders der Gypſophila pani-
culata
gleichſam uͤberſchwemmt. Wenn das hieſige Erd-
reich davon fleißig gereinigt und gehoͤrig bearbeitet wuͤr-
de, ſo koͤnnte man hier mit dem beſten Nutzen Reiß,
Baumwolle, Mays, Lein, Kartoffeln, Melonen, Ar-
buſen u. ſ. w. erzielen, vielleicht wuͤrde auch der Wein-
bau gedeihen. Bis jetzo finde ich den Ackerbau noch in
ſeiner Kindheit, aber da den Kirgiſen doch das nach her
gewonnene Korn ſehr angenehm iſt, ſo zweifele ich gar
nicht, daß ſie mit der Zeit nicht eben ſo gute Feldbebauer
werden ſollten, wie meine Landsleute. Unter dem Schat-
ten von 6 hohen weiſſen Weiden und in dem nicht ſehr
angenehmen Duft von Mannshohem dicht geſaͤetem
Conium maculatum am Uldſhar, gaben wir Pferd und

Mann
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0157" n="149"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi> </fw><lb/>
          <p>Jemehr ich mich vom Tarabagatai entfernte, de&#x017F;to<lb/>
mehr wird das Land reicher an geilwach&#x017F;enden Pflanzen<lb/>
und ver&#x017F;chieden vom &#x017F;ibiri&#x017F;chen. Alles &#x017F;chien mir ein<lb/>
ganz anderes An&#x017F;ehen zu haben. Jch &#x017F;ah hier &#x017F;eit mei-<lb/>
ner Abrei&#x017F;e aus Mo&#x017F;cau zum er&#x017F;tenmate wieder <hi rendition="#aq">Conium<lb/>
maculatum</hi> und <hi rendition="#aq">Cichorium Intybus.</hi> Eine &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
dem <hi rendition="#aq">A&#x017F;tragalus chri&#x017F;tianus,</hi> und eine andere dem <hi rendition="#aq">A&#x017F;tra-<lb/>
galus alopecuroides</hi> a&#x0364;hnliche Gattung, und der Linnéi-<lb/>
&#x017F;che <hi rendition="#aq">pilo&#x017F;us</hi> prangten in ihren be&#x017F;ten Fe&#x017F;ttagskleidern.<lb/>
Wa&#x0364;hrend wir uns zum Mittagsplatze na&#x0364;herten, &#x017F;tießen<lb/>
wir auf Ackerland, wo ein einziger Kirgi&#x017F;e ein mit Wei-<lb/>
zen und gelber Hir&#x017F;e <hi rendition="#aq">(Panicum miliaceum)</hi> ange&#x017F;a&#x0364;etes<lb/>
Stu&#x0364;ck Land vermittel&#x017F;t Kana&#x0364;le wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erte. Der Acker war<lb/>
wie gewo&#x0364;hnlich an einem kleinen Flu&#x0364;ßchen mit fettem<lb/>
und &#x017F;chwarzem Erdboden, nur war das Korn mit andern<lb/>
nicht dazu geho&#x0364;rigen, be&#x017F;onders der <hi rendition="#aq">Gyp&#x017F;ophila pani-<lb/>
culata</hi> gleich&#x017F;am u&#x0364;ber&#x017F;chwemmt. Wenn das hie&#x017F;ige Erd-<lb/>
reich davon fleißig gereinigt und geho&#x0364;rig bearbeitet wu&#x0364;r-<lb/>
de, &#x017F;o ko&#x0364;nnte man hier mit dem be&#x017F;ten Nutzen Reiß,<lb/>
Baumwolle, Mays, Lein, Kartoffeln, Melonen, Ar-<lb/>
bu&#x017F;en u. &#x017F;. w. erzielen, vielleicht wu&#x0364;rde auch der Wein-<lb/>
bau gedeihen. Bis jetzo finde ich den Ackerbau noch in<lb/>
&#x017F;einer Kindheit, aber da den Kirgi&#x017F;en doch das nach her<lb/>
gewonnene Korn &#x017F;ehr angenehm i&#x017F;t, &#x017F;o zweifele ich gar<lb/>
nicht, daß &#x017F;ie mit der Zeit nicht eben &#x017F;o gute Feldbebauer<lb/>
werden &#x017F;ollten, wie meine Landsleute. Unter dem Schat-<lb/>
ten von 6 hohen wei&#x017F;&#x017F;en Weiden und in dem nicht &#x017F;ehr<lb/>
angenehmen Duft von Mannshohem dicht ge&#x017F;a&#x0364;etem<lb/><hi rendition="#aq">Conium maculatum am</hi> Uld&#x017F;har, gaben wir Pferd und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Mann</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0157] aus Sibirien. Jemehr ich mich vom Tarabagatai entfernte, deſto mehr wird das Land reicher an geilwachſenden Pflanzen und verſchieden vom ſibiriſchen. Alles ſchien mir ein ganz anderes Anſehen zu haben. Jch ſah hier ſeit mei- ner Abreiſe aus Moſcau zum erſtenmate wieder Conium maculatum und Cichorium Intybus. Eine ſehr ſchoͤne dem Aſtragalus chriſtianus, und eine andere dem Aſtra- galus alopecuroides aͤhnliche Gattung, und der Linnéi- ſche piloſus prangten in ihren beſten Feſttagskleidern. Waͤhrend wir uns zum Mittagsplatze naͤherten, ſtießen wir auf Ackerland, wo ein einziger Kirgiſe ein mit Wei- zen und gelber Hirſe (Panicum miliaceum) angeſaͤetes Stuͤck Land vermittelſt Kanaͤle waͤſſerte. Der Acker war wie gewoͤhnlich an einem kleinen Fluͤßchen mit fettem und ſchwarzem Erdboden, nur war das Korn mit andern nicht dazu gehoͤrigen, beſonders der Gypſophila pani- culata gleichſam uͤberſchwemmt. Wenn das hieſige Erd- reich davon fleißig gereinigt und gehoͤrig bearbeitet wuͤr- de, ſo koͤnnte man hier mit dem beſten Nutzen Reiß, Baumwolle, Mays, Lein, Kartoffeln, Melonen, Ar- buſen u. ſ. w. erzielen, vielleicht wuͤrde auch der Wein- bau gedeihen. Bis jetzo finde ich den Ackerbau noch in ſeiner Kindheit, aber da den Kirgiſen doch das nach her gewonnene Korn ſehr angenehm iſt, ſo zweifele ich gar nicht, daß ſie mit der Zeit nicht eben ſo gute Feldbebauer werden ſollten, wie meine Landsleute. Unter dem Schat- ten von 6 hohen weiſſen Weiden und in dem nicht ſehr angenehmen Duft von Mannshohem dicht geſaͤetem Conium maculatum am Uldſhar, gaben wir Pferd und Mann K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/157
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/157>, abgerufen am 25.11.2024.