Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
dern durch die ganze Steppe, dergleichen noch häufiger
vorkommen würde. Der Ackerbau, der gewöhnlich an
Flüßchen betrieben wird, bringt vortrefliches Korn, be-
sonders Waizen! Gewöhnlich ist der Regen selten, da
kommen dann die Kirgisen der Saat durch Wässerung,
vermittelst über die Felder geleiteter Kanäle zu Hülfe.
Es sind nur Dienstboten oder Sklaven, die die Feldar-
beit besorgen müssen; denn der reichere Kirgise will sich
noch durchaus zu keiner Arbeit bequemen. Jndessen je
mehr ich diese Leute sehe und näher kennen lerne, je mehr
werde ich überzeugt, daß sie gar nicht die gefährlichen,
wilden Menschen sind, wofür man sie gewöhnlich hält. --

Unser Thal mag fünf Werste in der Breite haben
und in der Länge von Westen nach Osten, wohin es sich
mit dem vorhergedachten Chalwa bis ohngefähr an die
Mitte des Gebirges Tarabagatai, zu dessen Anfang
ohnweit des Sees Allagül unsere Reise gieng, auf 50
bis 80 Werst erstreckt. Am Jrtisch hörte ich die Nach-
tigallen zum letztenmale; aber vom Dschar-gurban an
und nachher an allen Flüssen weiter hin, wo nur Ge-
sträuche war, wiederum auf kirgisischem Grund und Bo-
den. So fehlte es auch nicht an Wachteln, Lerchen und
andern mir unbekannten theils schön gezeichneten Sing-
vögeln.

Zweyhundert Werst war ich nun schon von der ruf-
sischen Grenzlinie entfernt. Auf dem stillfließenden Köp-
kuck-tö, der unterhalb dem Noor-Saissan in den Jr-
tisch fällt, schwammen Nymphaea lutea, Potamogeton

natans,

aus Sibirien.
dern durch die ganze Steppe, dergleichen noch haͤufiger
vorkommen wuͤrde. Der Ackerbau, der gewoͤhnlich an
Fluͤßchen betrieben wird, bringt vortrefliches Korn, be-
ſonders Waizen! Gewoͤhnlich iſt der Regen ſelten, da
kommen dann die Kirgiſen der Saat durch Waͤſſerung,
vermittelſt uͤber die Felder geleiteter Kanaͤle zu Huͤlfe.
Es ſind nur Dienſtboten oder Sklaven, die die Feldar-
beit beſorgen muͤſſen; denn der reichere Kirgiſe will ſich
noch durchaus zu keiner Arbeit bequemen. Jndeſſen je
mehr ich dieſe Leute ſehe und naͤher kennen lerne, je mehr
werde ich uͤberzeugt, daß ſie gar nicht die gefaͤhrlichen,
wilden Menſchen ſind, wofuͤr man ſie gewoͤhnlich haͤlt. —

Unſer Thal mag fuͤnf Werſte in der Breite haben
und in der Laͤnge von Weſten nach Oſten, wohin es ſich
mit dem vorhergedachten Chalwà bis ohngefaͤhr an die
Mitte des Gebirges Tarabagatai, zu deſſen Anfang
ohnweit des Sees Allaguͤl unſere Reiſe gieng, auf 50
bis 80 Werſt erſtreckt. Am Jrtiſch hoͤrte ich die Nach-
tigallen zum letztenmale; aber vom Dſchar-gurban an
und nachher an allen Fluͤſſen weiter hin, wo nur Ge-
ſtraͤuche war, wiederum auf kirgiſiſchem Grund und Bo-
den. So fehlte es auch nicht an Wachteln, Lerchen und
andern mir unbekannten theils ſchoͤn gezeichneten Sing-
voͤgeln.

Zweyhundert Werſt war ich nun ſchon von der ruf-
ſiſchen Grenzlinie entfernt. Auf dem ſtillfließenden Koͤp-
kuck-toͤ, der unterhalb dem Noor-Saiſſan in den Jr-
tiſch faͤllt, ſchwammen Nymphaea lutea, Potamogeton

natans,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0131" n="123"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
dern durch die ganze Steppe, dergleichen noch ha&#x0364;ufiger<lb/>
vorkommen wu&#x0364;rde. Der Ackerbau, der gewo&#x0364;hnlich an<lb/>
Flu&#x0364;ßchen betrieben wird, bringt vortrefliches Korn, be-<lb/>
&#x017F;onders Waizen! Gewo&#x0364;hnlich i&#x017F;t der Regen &#x017F;elten, da<lb/>
kommen dann die Kirgi&#x017F;en der Saat durch Wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erung,<lb/>
vermittel&#x017F;t u&#x0364;ber die Felder geleiteter Kana&#x0364;le zu Hu&#x0364;lfe.<lb/>
Es &#x017F;ind nur Dien&#x017F;tboten oder Sklaven, die die Feldar-<lb/>
beit be&#x017F;orgen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; denn der reichere Kirgi&#x017F;e will &#x017F;ich<lb/>
noch durchaus zu keiner Arbeit bequemen. Jnde&#x017F;&#x017F;en je<lb/>
mehr ich die&#x017F;e Leute &#x017F;ehe und na&#x0364;her kennen lerne, je mehr<lb/>
werde ich u&#x0364;berzeugt, daß &#x017F;ie gar nicht die gefa&#x0364;hrlichen,<lb/>
wilden Men&#x017F;chen &#x017F;ind, wofu&#x0364;r man &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich ha&#x0364;lt. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Un&#x017F;er Thal mag fu&#x0364;nf Wer&#x017F;te in der Breite haben<lb/>
und in der La&#x0364;nge von We&#x017F;ten nach O&#x017F;ten, wohin es &#x017F;ich<lb/>
mit dem vorhergedachten <hi rendition="#fr">Chalw</hi><hi rendition="#aq">à</hi> bis ohngefa&#x0364;hr an die<lb/>
Mitte des Gebirges <hi rendition="#fr">Tarabagatai,</hi> zu de&#x017F;&#x017F;en Anfang<lb/>
ohnweit des Sees <hi rendition="#fr">Allagu&#x0364;l</hi> un&#x017F;ere Rei&#x017F;e gieng, auf 50<lb/>
bis 80 Wer&#x017F;t er&#x017F;treckt. Am Jrti&#x017F;ch ho&#x0364;rte ich die Nach-<lb/>
tigallen zum letztenmale; aber vom D&#x017F;char-gurban an<lb/>
und nachher an allen Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en weiter hin, wo nur Ge-<lb/>
&#x017F;tra&#x0364;uche war, wiederum auf kirgi&#x017F;i&#x017F;chem Grund und Bo-<lb/>
den. So fehlte es auch nicht an Wachteln, Lerchen und<lb/>
andern mir unbekannten theils &#x017F;cho&#x0364;n gezeichneten Sing-<lb/>
vo&#x0364;geln.</p><lb/>
            <p>Zweyhundert Wer&#x017F;t war ich nun &#x017F;chon von der ruf-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Grenzlinie entfernt. Auf dem &#x017F;tillfließenden Ko&#x0364;p-<lb/>
kuck-to&#x0364;, der unterhalb dem Noor-Sai&#x017F;&#x017F;an in den Jr-<lb/>
ti&#x017F;ch fa&#x0364;llt, &#x017F;chwammen <hi rendition="#aq">Nymphaea lutea, Potamogeton</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">natans,</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0131] aus Sibirien. dern durch die ganze Steppe, dergleichen noch haͤufiger vorkommen wuͤrde. Der Ackerbau, der gewoͤhnlich an Fluͤßchen betrieben wird, bringt vortrefliches Korn, be- ſonders Waizen! Gewoͤhnlich iſt der Regen ſelten, da kommen dann die Kirgiſen der Saat durch Waͤſſerung, vermittelſt uͤber die Felder geleiteter Kanaͤle zu Huͤlfe. Es ſind nur Dienſtboten oder Sklaven, die die Feldar- beit beſorgen muͤſſen; denn der reichere Kirgiſe will ſich noch durchaus zu keiner Arbeit bequemen. Jndeſſen je mehr ich dieſe Leute ſehe und naͤher kennen lerne, je mehr werde ich uͤberzeugt, daß ſie gar nicht die gefaͤhrlichen, wilden Menſchen ſind, wofuͤr man ſie gewoͤhnlich haͤlt. — Unſer Thal mag fuͤnf Werſte in der Breite haben und in der Laͤnge von Weſten nach Oſten, wohin es ſich mit dem vorhergedachten Chalwà bis ohngefaͤhr an die Mitte des Gebirges Tarabagatai, zu deſſen Anfang ohnweit des Sees Allaguͤl unſere Reiſe gieng, auf 50 bis 80 Werſt erſtreckt. Am Jrtiſch hoͤrte ich die Nach- tigallen zum letztenmale; aber vom Dſchar-gurban an und nachher an allen Fluͤſſen weiter hin, wo nur Ge- ſtraͤuche war, wiederum auf kirgiſiſchem Grund und Bo- den. So fehlte es auch nicht an Wachteln, Lerchen und andern mir unbekannten theils ſchoͤn gezeichneten Sing- voͤgeln. Zweyhundert Werſt war ich nun ſchon von der ruf- ſiſchen Grenzlinie entfernt. Auf dem ſtillfließenden Koͤp- kuck-toͤ, der unterhalb dem Noor-Saiſſan in den Jr- tiſch faͤllt, ſchwammen Nymphaea lutea, Potamogeton natans,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/131
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/131>, abgerufen am 23.11.2024.