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Siemens, Werner von: Die electrische Telegraphie. Berlin, 1866.

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Gauß und Weber benutzten, übereinstimmen. Es sind dies
Spiegelgalvanometer, d. h. Magnetnadeln, an welchen kleine
Spiegel befestigt sind. Der Beobachter sieht in diesem Spiegel
das Bild einer kleinen Flamme -- wie du Bois-Reymond dies
bei seinen Vorlesungen zur Sichtbarmachung schwacher Nerven
und Muskelströme zuerst benutzte. Aus dem Hin- und Zurück¬
zucken des Flämmchens, das durch die sehr schwachen Ströme
bewirkt wird, die als Endresultat der kräftigen Wechselströme,
welche in die Leitung geschickt werden, am empfangenden Ende
der Leitung zum Vorschein kommen, muß der Beobachter den
Sinn der Depeschen entziffern.

Bei oberirdischen Leitungen sind die Ladungserscheinungen,
welche die Benutzung langer unterseeischer und unterirdischer
Leitungen so sehr erschweren, wie schon gesagt, kaum bemerkbar.
Man kann aber dennoch auch eine oberirdische Leitung als eine
Leydener Flasche ansehen, bei der der Draht und der Erdboden
die Belegungen und die zwischen Draht und Erde befindliche
Luft die isolirende Glaswand vertritt. Auch der oberirdische
Leitungsdraht muß mithin mit Electricität geladen werden, be¬
vor der Strom am entfernten Ende beginnen kann. Der hier¬
durch bedingte Zeitverlust ist aber wegen des geringen Fassungs¬
vermögens dieser Drahtflasche so gering, daß er beim Telegra¬
phiren durch die Hand nicht in Betracht kommt. Dagegen
tritt er schon merklich auf beim mechanischen Telegraphiren, bei
welchem man sich der Gränze der Leistungsfähigkeit des Lei¬
tungsdrahtes schon nähert. Je länger und dünner dieser ist,
desto geringer ist die Zahl der telegraphischen Zeichen, die man
durch ihn in derselben Zeit befördern kann. Auch aus diesem
Grunde ist es nicht zweckmäßig, zu lange Leitungskreise zu be¬
nutzen, und vortheilhafter Translationsstationen einzuschieben,
wenn die Depeschen sehr lange Wegstrecken zu durchlaufen haben.

Die Frage, welches die größte Geschwindigkeit ist, mit

Gauß und Weber benutzten, übereinſtimmen. Es ſind dies
Spiegelgalvanometer, d. h. Magnetnadeln, an welchen kleine
Spiegel befeſtigt ſind. Der Beobachter ſieht in dieſem Spiegel
das Bild einer kleinen Flamme — wie du Bois-Reymond dies
bei ſeinen Vorleſungen zur Sichtbarmachung ſchwacher Nerven
und Muskelſtröme zuerſt benutzte. Aus dem Hin- und Zurück¬
zucken des Flämmchens, das durch die ſehr ſchwachen Ströme
bewirkt wird, die als Endreſultat der kräftigen Wechſelſtröme,
welche in die Leitung geſchickt werden, am empfangenden Ende
der Leitung zum Vorſchein kommen, muß der Beobachter den
Sinn der Depeſchen entziffern.

Bei oberirdiſchen Leitungen ſind die Ladungserſcheinungen,
welche die Benutzung langer unterſeeiſcher und unterirdiſcher
Leitungen ſo ſehr erſchweren, wie ſchon geſagt, kaum bemerkbar.
Man kann aber dennoch auch eine oberirdiſche Leitung als eine
Leydener Flaſche anſehen, bei der der Draht und der Erdboden
die Belegungen und die zwiſchen Draht und Erde befindliche
Luft die iſolirende Glaswand vertritt. Auch der oberirdiſche
Leitungsdraht muß mithin mit Electricität geladen werden, be¬
vor der Strom am entfernten Ende beginnen kann. Der hier¬
durch bedingte Zeitverluſt iſt aber wegen des geringen Faſſungs¬
vermögens dieſer Drahtflaſche ſo gering, daß er beim Telegra¬
phiren durch die Hand nicht in Betracht kommt. Dagegen
tritt er ſchon merklich auf beim mechaniſchen Telegraphiren, bei
welchem man ſich der Gränze der Leiſtungsfähigkeit des Lei¬
tungsdrahtes ſchon nähert. Je länger und dünner dieſer iſt,
deſto geringer iſt die Zahl der telegraphiſchen Zeichen, die man
durch ihn in derſelben Zeit befördern kann. Auch aus dieſem
Grunde iſt es nicht zweckmäßig, zu lange Leitungskreiſe zu be¬
nutzen, und vortheilhafter Translationsſtationen einzuſchieben,
wenn die Depeſchen ſehr lange Wegſtrecken zu durchlaufen haben.

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[39/0045] Gauß und Weber benutzten, übereinſtimmen. Es ſind dies Spiegelgalvanometer, d. h. Magnetnadeln, an welchen kleine Spiegel befeſtigt ſind. Der Beobachter ſieht in dieſem Spiegel das Bild einer kleinen Flamme — wie du Bois-Reymond dies bei ſeinen Vorleſungen zur Sichtbarmachung ſchwacher Nerven und Muskelſtröme zuerſt benutzte. Aus dem Hin- und Zurück¬ zucken des Flämmchens, das durch die ſehr ſchwachen Ströme bewirkt wird, die als Endreſultat der kräftigen Wechſelſtröme, welche in die Leitung geſchickt werden, am empfangenden Ende der Leitung zum Vorſchein kommen, muß der Beobachter den Sinn der Depeſchen entziffern. Bei oberirdiſchen Leitungen ſind die Ladungserſcheinungen, welche die Benutzung langer unterſeeiſcher und unterirdiſcher Leitungen ſo ſehr erſchweren, wie ſchon geſagt, kaum bemerkbar. Man kann aber dennoch auch eine oberirdiſche Leitung als eine Leydener Flaſche anſehen, bei der der Draht und der Erdboden die Belegungen und die zwiſchen Draht und Erde befindliche Luft die iſolirende Glaswand vertritt. Auch der oberirdiſche Leitungsdraht muß mithin mit Electricität geladen werden, be¬ vor der Strom am entfernten Ende beginnen kann. Der hier¬ durch bedingte Zeitverluſt iſt aber wegen des geringen Faſſungs¬ vermögens dieſer Drahtflaſche ſo gering, daß er beim Telegra¬ phiren durch die Hand nicht in Betracht kommt. Dagegen tritt er ſchon merklich auf beim mechaniſchen Telegraphiren, bei welchem man ſich der Gränze der Leiſtungsfähigkeit des Lei¬ tungsdrahtes ſchon nähert. Je länger und dünner dieſer iſt, deſto geringer iſt die Zahl der telegraphiſchen Zeichen, die man durch ihn in derſelben Zeit befördern kann. Auch aus dieſem Grunde iſt es nicht zweckmäßig, zu lange Leitungskreiſe zu be¬ nutzen, und vortheilhafter Translationsſtationen einzuſchieben, wenn die Depeſchen ſehr lange Wegſtrecken zu durchlaufen haben. Die Frage, welches die größte Geſchwindigkeit iſt, mit

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Die electrische Telegraphie. Berlin, 1866, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_telegraphie_1866/45>, abgerufen am 18.04.2024.