eiserne Form festgestellt. Eine beim Herausnehmen. aus der Form noch dunkelrothe Flasche hatte nach der Abkühlung im Kühlofen einen Umfang von 293,3 cm. Ein Gypsklumpen, der in derselben Form erstarrt war, was bekanntlich ohne Schwinden geschieht, hatte an derselben Stelle einen Umfang von 290,2 cm. Nimmt man an, dass der Temperaturunterschied zwischen roth- glühendem, noch plastischem Glase und der Lufttemperatur 800° C. betrug und dass die lineare Ausdehnung des schwer schmelz- baren Flaschenglases 0,0008 bei Erwärmung um 100 °C. beträgt, so würde die Contraction des festen Glases etwa doppelt so gross gewesen sein, als die hier gefundene, was auf eine Ausdehnung beim wirklichen Erstarren schliessen liess.
Entscheidender für die Frage, ob mit der Festwerdung aus dem noch plastischen Zustande der Silicate eine Contraction oder Ausdehnung verknüpft ist, ist die von Mallet ausgeführte Zusam- menstellung jahrelang durchgeführter Messungen der Grösse der in der Plate Glass Co. zu Blackwall gefertigten Spiegelplatten im rothglühenden, noch zähen und im abgekühlten Zustande. Dieselben ergaben eine Contraction von 0,53 pCt. Nimmt man auch hier einen Temperaturunterschied von 800 °C. und den Aus- dehnungscoefficienten für lineare Ausdehnung des festen Spiegel- glases zu 1/1100 oder 0,0009 pro 100 °C. an, so würde die lineare Contraction fester Glasmassen durch die Abkühlung 0,72 pCt. betragen, also eine geringe Ausdehnung beim eigentlichen Er- starren eingetreten sein. Die Frage, ob beim Uebergang in den krystallinischen Zustand bei den Silicaten eine Ausdehnung oder Zusammenziehung stattfindet, ist bisher durch Versuche nicht entschieden. Durch Schmelzung von krystallinischen Massen lässt sie sich auch kaum entscheiden, da erfahrungsmässig bei solchen Schmelzungen ein grosser Gewichtsverlust durch Ver- flüchtigung etc. eintritt. Wahrscheinlich ist, dass die Aenderung des specifischen Gewichtes durch die Krystallisation bei den ver- schiedenen Silicaten eben so verschieden ist als bei den übrigen Krystallen, bei denen nach noch unbekannten Gesetzen bisweilen Ausdehnung, bisweilen Zusammenziehung eintritt.
Es ergiebt sich aus dem Vorherigen, dass die Annahme, welche Thomson seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hat, dass beim Uebergange der Silicate aus dem flüssigen in den festen
eiserne Form festgestellt. Eine beim Herausnehmen. aus der Form noch dunkelrothe Flasche hatte nach der Abkühlung im Kühlofen einen Umfang von 293,3 cm. Ein Gypsklumpen, der in derselben Form erstarrt war, was bekanntlich ohne Schwinden geschieht, hatte an derselben Stelle einen Umfang von 290,2 cm. Nimmt man an, dass der Temperaturunterschied zwischen roth- glühendem, noch plastischem Glase und der Lufttemperatur 800° C. betrug und dass die lineare Ausdehnung des schwer schmelz- baren Flaschenglases 0,0008 bei Erwärmung um 100 °C. beträgt, so würde die Contraction des festen Glases etwa doppelt so gross gewesen sein, als die hier gefundene, was auf eine Ausdehnung beim wirklichen Erstarren schliessen liess.
Entscheidender für die Frage, ob mit der Festwerdung aus dem noch plastischen Zustande der Silicate eine Contraction oder Ausdehnung verknüpft ist, ist die von Mallet ausgeführte Zusam- menstellung jahrelang durchgeführter Messungen der Grösse der in der Plate Glass Co. zu Blackwall gefertigten Spiegelplatten im rothglühenden, noch zähen und im abgekühlten Zustande. Dieselben ergaben eine Contraction von 0,53 pCt. Nimmt man auch hier einen Temperaturunterschied von 800 °C. und den Aus- dehnungscoefficienten für lineare Ausdehnung des festen Spiegel- glases zu 1/1100 oder 0,0009 pro 100 °C. an, so würde die lineare Contraction fester Glasmassen durch die Abkühlung 0,72 pCt. betragen, also eine geringe Ausdehnung beim eigentlichen Er- starren eingetreten sein. Die Frage, ob beim Uebergang in den krystallinischen Zustand bei den Silicaten eine Ausdehnung oder Zusammenziehung stattfindet, ist bisher durch Versuche nicht entschieden. Durch Schmelzung von krystallinischen Massen lässt sie sich auch kaum entscheiden, da erfahrungsmässig bei solchen Schmelzungen ein grosser Gewichtsverlust durch Ver- flüchtigung etc. eintritt. Wahrscheinlich ist, dass die Aenderung des specifischen Gewichtes durch die Krystallisation bei den ver- schiedenen Silicaten eben so verschieden ist als bei den übrigen Krystallen, bei denen nach noch unbekannten Gesetzen bisweilen Ausdehnung, bisweilen Zusammenziehung eintritt.
Es ergiebt sich aus dem Vorherigen, dass die Annahme, welche Thomson seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hat, dass beim Uebergange der Silicate aus dem flüssigen in den festen
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eiserne Form festgestellt. Eine beim Herausnehmen. aus der
Form noch dunkelrothe Flasche hatte nach der Abkühlung im
Kühlofen einen Umfang von 293,3 cm. Ein Gypsklumpen, der
in derselben Form erstarrt war, was bekanntlich ohne Schwinden
geschieht, hatte an derselben Stelle einen Umfang von 290,2 cm.
Nimmt man an, dass der Temperaturunterschied zwischen roth-
glühendem, noch plastischem Glase und der Lufttemperatur 800°
C. betrug und dass die lineare Ausdehnung des schwer schmelz-
baren Flaschenglases 0,0008 bei Erwärmung um 100 °C. beträgt,
so würde die Contraction des festen Glases etwa doppelt so gross
gewesen sein, als die hier gefundene, was auf eine Ausdehnung
beim wirklichen Erstarren schliessen liess.
Entscheidender für die Frage, ob mit der Festwerdung aus
dem noch plastischen Zustande der Silicate eine Contraction oder
Ausdehnung verknüpft ist, ist die von Mallet ausgeführte Zusam-
menstellung jahrelang durchgeführter Messungen der Grösse der
in der Plate Glass Co. zu Blackwall gefertigten Spiegelplatten
im rothglühenden, noch zähen und im abgekühlten Zustande.
Dieselben ergaben eine Contraction von 0,53 pCt. Nimmt man
auch hier einen Temperaturunterschied von 800 °C. und den Aus-
dehnungscoefficienten für lineare Ausdehnung des festen Spiegel-
glases zu 1/1100 oder 0,0009 pro 100 °C. an, so würde die lineare
Contraction fester Glasmassen durch die Abkühlung 0,72 pCt.
betragen, also eine geringe Ausdehnung beim eigentlichen Er-
starren eingetreten sein. Die Frage, ob beim Uebergang in den
krystallinischen Zustand bei den Silicaten eine Ausdehnung oder
Zusammenziehung stattfindet, ist bisher durch Versuche nicht
entschieden. Durch Schmelzung von krystallinischen Massen
lässt sie sich auch kaum entscheiden, da erfahrungsmässig bei
solchen Schmelzungen ein grosser Gewichtsverlust durch Ver-
flüchtigung etc. eintritt. Wahrscheinlich ist, dass die Aenderung
des specifischen Gewichtes durch die Krystallisation bei den ver-
schiedenen Silicaten eben so verschieden ist als bei den übrigen
Krystallen, bei denen nach noch unbekannten Gesetzen bisweilen
Ausdehnung, bisweilen Zusammenziehung eintritt.
Es ergiebt sich aus dem Vorherigen, dass die Annahme,
welche Thomson seinen Rechnungen zu Grunde gelegt hat, dass
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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