im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis 1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen- abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög- lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte, sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo- lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt, darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft- blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm- merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht. Das Ergebniss war:
[Tabelle]
Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes Glas sich um 0,24 also um etwa 1/5 dieses Betrages ausdehnt. Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas- masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus- dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden. Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs- sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist, als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht, wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte
im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis 1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen- abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög- lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte, sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo- lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt, darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft- blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm- merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht. Das Ergebniss war:
[Tabelle]
Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes Glas sich um 0,24 also um etwa ⅕ dieses Betrages ausdehnt. Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas- masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus- dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden. Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs- sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist, als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht, wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0476"n="454"/>
im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis<lb/>
1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas<lb/>
verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen-<lb/>
abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög-<lb/>
lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden<lb/>
dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den<lb/>
Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des<lb/>
Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte,<lb/>
sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es<lb/>
fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases<lb/>
in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo-<lb/>
lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium<lb/>
durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt,<lb/>
darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der<lb/>
festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft-<lb/>
blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm-<lb/>
merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht.<lb/>
Das Ergebniss war:<lb/><table><row><cell/></row></table> Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen<lb/>
Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes<lb/>
Glas sich um 0,24 also um etwa ⅕ dieses Betrages ausdehnt.<lb/>
Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas-<lb/>
masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus-<lb/>
dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden.<lb/>
Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs-<lb/>
sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist,<lb/>
als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des<lb/>
Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie<lb/>
sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung<lb/>
aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht,<lb/>
wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[454/0476]
im Schmelzraume 1600° bis 1700°, im Arbeitsraume 1200° bis
1300 °C. Es wurden nun zwei möglichst gleiche, oben etwas
verengte Tiegel aus Glashafenmasse angefertigt und in jeder Ofen-
abtheilung einer derselben mit blasenfreiem Glase bis zum mög-
lichst ebenen und horizontalen Tiegelrande gefüllt. Beide wurden
dann mit grosser Vorsicht aus dem Ofen genommen und in den
Kühlofen gestellt. Um zu verhindern, dass die Oberfläche des
Glases zuerst erstarrte, wurde eine besonders hierfür angefertigte,
sehr dicke, hoch erhitzte Haube auf jeden Tiegel gesetzt. Es
fand sich nach der Abkühlung, dass die Oberfläche des Glases
in beiden Tiegeln ganz gleichförmig eingesunken war. Das Vo-
lumen dieser Einsenkung wurde darauf in meinem Laboratorium
durch Ausfüllung des Raumes mit Quecksilber genau ermittelt,
darauf die Tiegel vorsichtig zerschlagen und das Volumen der
festen Glaskörper durch Wägung im Wasser ermittelt. Eine Luft-
blase, die sich in der Glasmasse befand, wurde nach Zertrüm-
merung des Glaskörpers bestimmt und in Rechnung gebracht.
Das Ergebniss war:
Die Volum-Ausdehnung des flüssigen Glases zwischen den obigen
Temperaturen betrug mithin pro 100 °C. 1,18 pCt., während festes
Glas sich um 0,24 also um etwa ⅕ dieses Betrages ausdehnt.
Diese bedeutende Volumverminderung der geschmolzenen Glas-
masse bei ihrer Abkühlung kann nicht der gewöhnlichen Aus-
dehnung der Körper durch Erwärmung zugeschrieben werden.
Wenn man auch annimmt, dass die Volum-Ausdehnung des flüs-
sigen Glases durch Temperaturerhöhung beträchtlich grösser ist,
als die des festen, so würde doch eine so grosse Steigerung des
Ausdehnungscoefficienten mit der Temperatur ohne alle Analogie
sein. Dass die Glasmasse sich bei der schliesslichen Erstarrung
aus dem noch plastischen Zustande nicht weiter zusammenzieht,
wurde durch Einblasen einer weiten Glasflasche in eine kalte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/476>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.