entstehen und in der durch Wärmeverlust und Massendruck flüssig gewordenen Erdmasse, dem Magma, in inniger Mischung vorhanden sein.
Der gewöhnliche Ausgangspunkt geologischer Betrachtungen, dass die Erde eine feuerflüssige, wesentlich aus Silicaten beste- hende Kugel gewesen, und das Wasser mit den Gasen dieselbe als glühende Atmosphäre umgeben hätte, entspricht der obigen Anschauung nicht. Nur aus den äusseren, unter geringem Drucke stehenden Schichten der flüssig werdenden Erdmasse konnten Wasser und Gase sofort in Gasform entweichen, während sie in grössern Tiefen in dem Magma theils gelöst, theils in inniger Mischung von demselben zurückgehalten bleiben mussten. -- Gegen die Annahme, dass auch Wasserstoff und andere brenn- bare Stoffe im Magma zurückblieben, könnte die Thatsache sprechen, dass Sauerstoff jetzt einen grossen Theil unserer Atmo- sphäre bildet, also im Ueberschuss vorhanden gewesen sein müsste. Wir kennen aber den Einfluss des gewaltigen Druckes und der ihm entsprechenden hohen Temperatur, die im Erdinnern bei ihrer Bildung herrschten und der durch spätere Abkühlung bewirkten Aenderung der Verwandtschaftskräfte noch viel zu wenig, um entscheiden zu können, ob nicht der Sauerstoff bei der Erdbildung gänzlich verbunden war und erst in späteren Perioden mit dem grössten Theile des jetzt auf der Erdoberfläche befindlichen Wassers aus dem bereits flüssigen Magma entbunden wurde. Dass die Sonnenatmosphäre nach den Ergebnissen der Spectralanalyse zum grossen Theile aus freiem Wasserstoff be- steht und noch jetzt mächtige Wasserstoffmassen aus dem Son- nenkerne hervorbrechen, spricht für den Ueberschuss des Wasser- stoffs im Sonnensysteme, also für die letztere Ansicht. Dass wir in unserer Atmosphäre keinen freien Wasserstoff mehr vorfinden, könnte vielleicht dadurch erklärt werden, das der specifisch leichtere und in viel weiteren Grenzen compressible Wasserstoff eine weit höhere Atmosphäre als die schweren Gase bilden muss und der Erde dadurch fast ganz entzogen wurde, dass die Grenze derselben die Gleichgewichtsgrenze zwischen Anziehung und Centri- fugalkraft überschreitet. Wir wissen, dass unter Druck hoch er- hitztes Wasser Quarz und Silicate in beträchtlicher Menge löst, so wie andererseits, dass geschmolzene Silicate sowohl Wasser,
entstehen und in der durch Wärmeverlust und Massendruck flüssig gewordenen Erdmasse, dem Magma, in inniger Mischung vorhanden sein.
Der gewöhnliche Ausgangspunkt geologischer Betrachtungen, dass die Erde eine feuerflüssige, wesentlich aus Silicaten beste- hende Kugel gewesen, und das Wasser mit den Gasen dieselbe als glühende Atmosphäre umgeben hätte, entspricht der obigen Anschauung nicht. Nur aus den äusseren, unter geringem Drucke stehenden Schichten der flüssig werdenden Erdmasse konnten Wasser und Gase sofort in Gasform entweichen, während sie in grössern Tiefen in dem Magma theils gelöst, theils in inniger Mischung von demselben zurückgehalten bleiben mussten. — Gegen die Annahme, dass auch Wasserstoff und andere brenn- bare Stoffe im Magma zurückblieben, könnte die Thatsache sprechen, dass Sauerstoff jetzt einen grossen Theil unserer Atmo- sphäre bildet, also im Ueberschuss vorhanden gewesen sein müsste. Wir kennen aber den Einfluss des gewaltigen Druckes und der ihm entsprechenden hohen Temperatur, die im Erdinnern bei ihrer Bildung herrschten und der durch spätere Abkühlung bewirkten Aenderung der Verwandtschaftskräfte noch viel zu wenig, um entscheiden zu können, ob nicht der Sauerstoff bei der Erdbildung gänzlich verbunden war und erst in späteren Perioden mit dem grössten Theile des jetzt auf der Erdoberfläche befindlichen Wassers aus dem bereits flüssigen Magma entbunden wurde. Dass die Sonnenatmosphäre nach den Ergebnissen der Spectralanalyse zum grossen Theile aus freiem Wasserstoff be- steht und noch jetzt mächtige Wasserstoffmassen aus dem Son- nenkerne hervorbrechen, spricht für den Ueberschuss des Wasser- stoffs im Sonnensysteme, also für die letztere Ansicht. Dass wir in unserer Atmosphäre keinen freien Wasserstoff mehr vorfinden, könnte vielleicht dadurch erklärt werden, das der specifisch leichtere und in viel weiteren Grenzen compressible Wasserstoff eine weit höhere Atmosphäre als die schweren Gase bilden muss und der Erde dadurch fast ganz entzogen wurde, dass die Grenze derselben die Gleichgewichtsgrenze zwischen Anziehung und Centri- fugalkraft überschreitet. Wir wissen, dass unter Druck hoch er- hitztes Wasser Quarz und Silicate in beträchtlicher Menge löst, so wie andererseits, dass geschmolzene Silicate sowohl Wasser,
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entstehen und in der durch Wärmeverlust und Massendruck
flüssig gewordenen Erdmasse, dem Magma, in inniger Mischung
vorhanden sein.
Der gewöhnliche Ausgangspunkt geologischer Betrachtungen,
dass die Erde eine feuerflüssige, wesentlich aus Silicaten beste-
hende Kugel gewesen, und das Wasser mit den Gasen dieselbe
als glühende Atmosphäre umgeben hätte, entspricht der obigen
Anschauung nicht. Nur aus den äusseren, unter geringem Drucke
stehenden Schichten der flüssig werdenden Erdmasse konnten
Wasser und Gase sofort in Gasform entweichen, während sie in
grössern Tiefen in dem Magma theils gelöst, theils in inniger
Mischung von demselben zurückgehalten bleiben mussten. —
Gegen die Annahme, dass auch Wasserstoff und andere brenn-
bare Stoffe im Magma zurückblieben, könnte die Thatsache
sprechen, dass Sauerstoff jetzt einen grossen Theil unserer Atmo-
sphäre bildet, also im Ueberschuss vorhanden gewesen sein
müsste. Wir kennen aber den Einfluss des gewaltigen Druckes
und der ihm entsprechenden hohen Temperatur, die im Erdinnern
bei ihrer Bildung herrschten und der durch spätere Abkühlung
bewirkten Aenderung der Verwandtschaftskräfte noch viel zu
wenig, um entscheiden zu können, ob nicht der Sauerstoff bei
der Erdbildung gänzlich verbunden war und erst in späteren
Perioden mit dem grössten Theile des jetzt auf der Erdoberfläche
befindlichen Wassers aus dem bereits flüssigen Magma entbunden
wurde. Dass die Sonnenatmosphäre nach den Ergebnissen der
Spectralanalyse zum grossen Theile aus freiem Wasserstoff be-
steht und noch jetzt mächtige Wasserstoffmassen aus dem Son-
nenkerne hervorbrechen, spricht für den Ueberschuss des Wasser-
stoffs im Sonnensysteme, also für die letztere Ansicht. Dass wir
in unserer Atmosphäre keinen freien Wasserstoff mehr vorfinden,
könnte vielleicht dadurch erklärt werden, das der specifisch
leichtere und in viel weiteren Grenzen compressible Wasserstoff
eine weit höhere Atmosphäre als die schweren Gase bilden muss
und der Erde dadurch fast ganz entzogen wurde, dass die Grenze
derselben die Gleichgewichtsgrenze zwischen Anziehung und Centri-
fugalkraft überschreitet. Wir wissen, dass unter Druck hoch er-
hitztes Wasser Quarz und Silicate in beträchtlicher Menge löst,
so wie andererseits, dass geschmolzene Silicate sowohl Wasser,
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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