von Schwefeleisen hindurchführt, so müssen glühende, aus dem flüssigen Erdinnern, dem Magma, entbundene und durch den Kratergang dringende Wasserdämpfe das Schwefeleisen zersetzen und Schwefelwasserstoff bilden, welcher dann, mit unzersetztem Wasserdampfe gemischt, emporsteigt. Dasselbe würde geschehen, wenn in die mit Tages- oder Meerwasser gefüllten Spalten auf- steigendes glühendes Magma eintritt. Wenn sich aber auch die Vesuv-Thätigkeit vielleicht so erklären lässt, so kann man doch nicht annehmen, dass dies für alle Vulcane gilt, da die Ver- brennungs-Producte vieler derselben gar keine oder doch nur sehr wenig schweflige Säure enthalten, und da auch wohl kaum anzunehmen ist, dass sich unter allen Vulcanen Lager von Schwefelkies oder Schwefeleisen befinden. Schwefelwasserstoff und Kohlenwasserstoff zersetzen sich bei hoher Temperatur unter geringem Drucke. Damit ist allerdings nicht erwiesen, dass sie bei dem hohen Drucke, unter welchem das Magma steht, nicht trotz der hohen Temperatur desselben in ihm bestehen könnten; es muss aber jedenfalls Zersetzung eintreten, wenn beim Aufstei- gen mit dem Magma oder durch dasselbe hindurch der Druck sich vermindert. Dass das Magma Wasser und Wasserstoff enthält, ist für Ersteres erwiesen und auch nicht überraschend, wenn man von der Kant-Laplace'schen Weltbildungstheorie ausgeht. Nach dieser muss man annehmen, dass die Körperatome im Anfang ein- zeln im Raume des Weltalls zerstreut waren. Hatten sich -- vielleicht durch ungleiche Vertheilung -- Anziehungscentren ge- bildet, so mussten sie sich zu diesen hin bewegen. Nach der mechanischen Wärmetheorie musste, wie Helmholtz nachwies, die in den beschleunigt bewegten Atomen angesammelte lebendige Kraft beim Aufeinandertreffen sich in Wärme umsetzen, und die Temperatur musste sich bei fortschreitender Verdichtung in schneller Progression erhöhen. Mit der steigenden Temperatur musste das Spiel der chemischen Verbindungskräfte beginnen. Verwandte, in Berührung kommende Atome mussten sich zu Körpermolekülen verbinden, die vielleicht bei anderweitigen Be- rührungen und bei durch grössere Verdichtung gestiegener Tem- peratur wieder zu anderen Verbindungen auseinander- und zu- sammengingen. Alle bei den herrschenden Temperatur- und Druckverhältnissen möglichen chemischen Verbindungen mussten
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von Schwefeleisen hindurchführt, so müssen glühende, aus dem flüssigen Erdinnern, dem Magma, entbundene und durch den Kratergang dringende Wasserdämpfe das Schwefeleisen zersetzen und Schwefelwasserstoff bilden, welcher dann, mit unzersetztem Wasserdampfe gemischt, emporsteigt. Dasselbe würde geschehen, wenn in die mit Tages- oder Meerwasser gefüllten Spalten auf- steigendes glühendes Magma eintritt. Wenn sich aber auch die Vesuv-Thätigkeit vielleicht so erklären lässt, so kann man doch nicht annehmen, dass dies für alle Vulcane gilt, da die Ver- brennungs-Producte vieler derselben gar keine oder doch nur sehr wenig schweflige Säure enthalten, und da auch wohl kaum anzunehmen ist, dass sich unter allen Vulcanen Lager von Schwefelkies oder Schwefeleisen befinden. Schwefelwasserstoff und Kohlenwasserstoff zersetzen sich bei hoher Temperatur unter geringem Drucke. Damit ist allerdings nicht erwiesen, dass sie bei dem hohen Drucke, unter welchem das Magma steht, nicht trotz der hohen Temperatur desselben in ihm bestehen könnten; es muss aber jedenfalls Zersetzung eintreten, wenn beim Aufstei- gen mit dem Magma oder durch dasselbe hindurch der Druck sich vermindert. Dass das Magma Wasser und Wasserstoff enthält, ist für Ersteres erwiesen und auch nicht überraschend, wenn man von der Kant-Laplace’schen Weltbildungstheorie ausgeht. Nach dieser muss man annehmen, dass die Körperatome im Anfang ein- zeln im Raume des Weltalls zerstreut waren. Hatten sich — vielleicht durch ungleiche Vertheilung — Anziehungscentren ge- bildet, so mussten sie sich zu diesen hin bewegen. Nach der mechanischen Wärmetheorie musste, wie Helmholtz nachwies, die in den beschleunigt bewegten Atomen angesammelte lebendige Kraft beim Aufeinandertreffen sich in Wärme umsetzen, und die Temperatur musste sich bei fortschreitender Verdichtung in schneller Progression erhöhen. Mit der steigenden Temperatur musste das Spiel der chemischen Verbindungskräfte beginnen. Verwandte, in Berührung kommende Atome mussten sich zu Körpermolekülen verbinden, die vielleicht bei anderweitigen Be- rührungen und bei durch grössere Verdichtung gestiegener Tem- peratur wieder zu anderen Verbindungen auseinander- und zu- sammengingen. Alle bei den herrschenden Temperatur- und Druckverhältnissen möglichen chemischen Verbindungen mussten
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[449/0471]
von Schwefeleisen hindurchführt, so müssen glühende, aus dem
flüssigen Erdinnern, dem Magma, entbundene und durch den
Kratergang dringende Wasserdämpfe das Schwefeleisen zersetzen
und Schwefelwasserstoff bilden, welcher dann, mit unzersetztem
Wasserdampfe gemischt, emporsteigt. Dasselbe würde geschehen,
wenn in die mit Tages- oder Meerwasser gefüllten Spalten auf-
steigendes glühendes Magma eintritt. Wenn sich aber auch die
Vesuv-Thätigkeit vielleicht so erklären lässt, so kann man doch
nicht annehmen, dass dies für alle Vulcane gilt, da die Ver-
brennungs-Producte vieler derselben gar keine oder doch nur
sehr wenig schweflige Säure enthalten, und da auch wohl kaum
anzunehmen ist, dass sich unter allen Vulcanen Lager von
Schwefelkies oder Schwefeleisen befinden. Schwefelwasserstoff
und Kohlenwasserstoff zersetzen sich bei hoher Temperatur unter
geringem Drucke. Damit ist allerdings nicht erwiesen, dass sie
bei dem hohen Drucke, unter welchem das Magma steht, nicht
trotz der hohen Temperatur desselben in ihm bestehen könnten;
es muss aber jedenfalls Zersetzung eintreten, wenn beim Aufstei-
gen mit dem Magma oder durch dasselbe hindurch der Druck sich
vermindert. Dass das Magma Wasser und Wasserstoff enthält,
ist für Ersteres erwiesen und auch nicht überraschend, wenn man
von der Kant-Laplace’schen Weltbildungstheorie ausgeht. Nach
dieser muss man annehmen, dass die Körperatome im Anfang ein-
zeln im Raume des Weltalls zerstreut waren. Hatten sich —
vielleicht durch ungleiche Vertheilung — Anziehungscentren ge-
bildet, so mussten sie sich zu diesen hin bewegen. Nach der
mechanischen Wärmetheorie musste, wie Helmholtz nachwies, die
in den beschleunigt bewegten Atomen angesammelte lebendige
Kraft beim Aufeinandertreffen sich in Wärme umsetzen, und die
Temperatur musste sich bei fortschreitender Verdichtung in
schneller Progression erhöhen. Mit der steigenden Temperatur
musste das Spiel der chemischen Verbindungskräfte beginnen.
Verwandte, in Berührung kommende Atome mussten sich zu
Körpermolekülen verbinden, die vielleicht bei anderweitigen Be-
rührungen und bei durch grössere Verdichtung gestiegener Tem-
peratur wieder zu anderen Verbindungen auseinander- und zu-
sammengingen. Alle bei den herrschenden Temperatur- und
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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