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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Familie: Salmonoidet.
im zweiten Jahre sich zu entwickeln beginne (a. a. O. pag. 56). Noch be-
stimmter unterscheidet Hartmann (Nr. 38 b: pag. 101 u. 111) die Grundforelle
von der Schwebforelle, indem derselbe die erstere als Salmo lacustris be-
schreibt und von ihr meldet, dass sie auch Rheinlanke, Illanke oder Inlanke
genannt werde, dass ihre Laichzeit vom September bis November dauere,
und dass das Männchen, wenn es einige Jahre alt ist, an dem Unterkiefer
einen Haken bekomme. Für die Seeforelle, worunter Hartmann die Schweb-
förne oder Schwebforelle versteht, hat derselbe keinen systematischen Na-
men aufgeführt, indem er angiebt, dass sich dieselbe dem äusseren Ansehen
nach von der Grundforelle kaum unterscheide und das Männchen derselben
nie einen Haken am Unterkiefer bekomme. Er betrachtet dieselbe als Spiel-
art der Grundforelle, welche sich wahrscheinlich mit der letzteren in allen
Schweizerseen vorfinde. Dann fügt derselbe aber noch hinzu: "Die Seefo-
relle (Schwebforelle) geht nie in die Flüsse um zu laichen, sondern legt ihren
Laich, zwischen Mitte Novembers bis Mitte Decembers, in der Tiefe des Sees
ab". Die erste Hälfte dieses Satzes wird von allen Bodensee-Fischern be-
stätigt, nicht aber die zweite Hälfte desselben Satzes, ich habe wenigstens
von keinem Bodensee-Fischer mit Sicherheit erfahren können, wo und wann
die Schwebforelle im Bodensee laiche. Alle stimmten aber darin miteinan-
der überein, dass die Schwebforelle immer im See verbleibe und dass noch
niemals reife Eier in den weiblichen Schwebforellen von ihnen beobachtet
worden wären. Offenbar beruht also Hartmann's Angabe über die Laichzeit
der Schwebforelle auf einer blossen Vermuthung, während Rapp1), welcher
sowohl durch Beschreibung, wie durch Abbildung die Schwebforelle und
Grundforelle vortrefflich charakterisirt, jedenfalls eine Verwechslung began-
gen hat, indem derselbe die Schwebforelle auch Illanke nennt und sie im
Spätsommer, um zu laichen, vom Bodensee in den Rhein und in die Ill ziehen
lässt, die Laichzeit der Grundforelle dagegen gar nicht erwähnt. Von Schinz,
welcher sich in verschiedenen Schriften über die Fischfauna der Schweizerseen
ausgesprochen hat, haben wir nur sehr unbefriedigende Auskunft über die
Seeforelle erhalten; er hat die fruchtbaren und sterilen Formen dieses Fisches
noch dazu mit der Meerforelle (Salmo Trutta) verwechselt, was weder Wart-
mann
nach Hartmann gethan haben; letzterer (Nr. 37 b: pag. 110) hat sich
sogar mit bestimmten Worten gegen die Vereinigung der Seeforelle (Salmo
lacustris
) mit der wandernden Lachsforelle des Meeres (Salmo trutta) ausge-
sprochen. In der Bearbeitung von Cuvier's Thierreich sagt Schinz2) von der
Seeforelle, die er als Salmo Trutta Lin. bezeichnet, dass sich dieselbe vor-
züglich in Seen und besonders auch in der Schweiz finde und zu allen Jahres-

1) S. dessen: Fische des Bodensees. pag. 29.
2) S. Bd. II. 1822. pag. 267.

Familie: Salmonoidet.
im zweiten Jahre sich zu entwickeln beginne (a. a. O. pag. 56). Noch be-
stimmter unterscheidet Hartmann (Nr. 38 b: pag. 101 u. 111) die Grundforelle
von der Schwebforelle, indem derselbe die erstere als Salmo lacustris be-
schreibt und von ihr meldet, dass sie auch Rheinlanke, Illanke oder Inlanke
genannt werde, dass ihre Laichzeit vom September bis November dauere,
und dass das Männchen, wenn es einige Jahre alt ist, an dem Unterkiefer
einen Haken bekomme. Für die Seeforelle, worunter Hartmann die Schweb-
förne oder Schwebforelle versteht, hat derselbe keinen systematischen Na-
men aufgeführt, indem er angiebt, dass sich dieselbe dem äusseren Ansehen
nach von der Grundforelle kaum unterscheide und das Männchen derselben
nie einen Haken am Unterkiefer bekomme. Er betrachtet dieselbe als Spiel-
art der Grundforelle, welche sich wahrscheinlich mit der letzteren in allen
Schweizerseen vorfinde. Dann fügt derselbe aber noch hinzu: »Die Seefo-
relle (Schwebforelle) geht nie in die Flüsse um zu laichen, sondern legt ihren
Laich, zwischen Mitte Novembers bis Mitte Decembers, in der Tiefe des Sees
ab«. Die erste Hälfte dieses Satzes wird von allen Bodensee-Fischern be-
stätigt, nicht aber die zweite Hälfte desselben Satzes, ich habe wenigstens
von keinem Bodensee-Fischer mit Sicherheit erfahren können, wo und wann
die Schwebforelle im Bodensee laiche. Alle stimmten aber darin miteinan-
der überein, dass die Schwebforelle immer im See verbleibe und dass noch
niemals reife Eier in den weiblichen Schwebforellen von ihnen beobachtet
worden wären. Offenbar beruht also Hartmann’s Angabe über die Laichzeit
der Schwebforelle auf einer blossen Vermuthung, während Rapp1), welcher
sowohl durch Beschreibung, wie durch Abbildung die Schwebforelle und
Grundforelle vortrefflich charakterisirt, jedenfalls eine Verwechslung began-
gen hat, indem derselbe die Schwebforelle auch Illanke nennt und sie im
Spätsommer, um zu laichen, vom Bodensee in den Rhein und in die Ill ziehen
lässt, die Laichzeit der Grundforelle dagegen gar nicht erwähnt. Von Schinz,
welcher sich in verschiedenen Schriften über die Fischfauna der Schweizerseen
ausgesprochen hat, haben wir nur sehr unbefriedigende Auskunft über die
Seeforelle erhalten; er hat die fruchtbaren und sterilen Formen dieses Fisches
noch dazu mit der Meerforelle (Salmo Trutta) verwechselt, was weder Wart-
mann
nach Hartmann gethan haben; letzterer (Nr. 37 b: pag. 110) hat sich
sogar mit bestimmten Worten gegen die Vereinigung der Seeforelle (Salmo
lacustris
) mit der wandernden Lachsforelle des Meeres (Salmo trutta) ausge-
sprochen. In der Bearbeitung von Cuvier’s Thierreich sagt Schinz2) von der
Seeforelle, die er als Salmo Trutta Lin. bezeichnet, dass sich dieselbe vor-
züglich in Seen und besonders auch in der Schweiz finde und zu allen Jahres-

1) S. dessen: Fische des Bodensees. pag. 29.
2) S. Bd. II. 1822. pag. 267.
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[310/0323] Familie: Salmonoidet. im zweiten Jahre sich zu entwickeln beginne (a. a. O. pag. 56). Noch be- stimmter unterscheidet Hartmann (Nr. 38 b: pag. 101 u. 111) die Grundforelle von der Schwebforelle, indem derselbe die erstere als Salmo lacustris be- schreibt und von ihr meldet, dass sie auch Rheinlanke, Illanke oder Inlanke genannt werde, dass ihre Laichzeit vom September bis November dauere, und dass das Männchen, wenn es einige Jahre alt ist, an dem Unterkiefer einen Haken bekomme. Für die Seeforelle, worunter Hartmann die Schweb- förne oder Schwebforelle versteht, hat derselbe keinen systematischen Na- men aufgeführt, indem er angiebt, dass sich dieselbe dem äusseren Ansehen nach von der Grundforelle kaum unterscheide und das Männchen derselben nie einen Haken am Unterkiefer bekomme. Er betrachtet dieselbe als Spiel- art der Grundforelle, welche sich wahrscheinlich mit der letzteren in allen Schweizerseen vorfinde. Dann fügt derselbe aber noch hinzu: »Die Seefo- relle (Schwebforelle) geht nie in die Flüsse um zu laichen, sondern legt ihren Laich, zwischen Mitte Novembers bis Mitte Decembers, in der Tiefe des Sees ab«. Die erste Hälfte dieses Satzes wird von allen Bodensee-Fischern be- stätigt, nicht aber die zweite Hälfte desselben Satzes, ich habe wenigstens von keinem Bodensee-Fischer mit Sicherheit erfahren können, wo und wann die Schwebforelle im Bodensee laiche. Alle stimmten aber darin miteinan- der überein, dass die Schwebforelle immer im See verbleibe und dass noch niemals reife Eier in den weiblichen Schwebforellen von ihnen beobachtet worden wären. Offenbar beruht also Hartmann’s Angabe über die Laichzeit der Schwebforelle auf einer blossen Vermuthung, während Rapp 1), welcher sowohl durch Beschreibung, wie durch Abbildung die Schwebforelle und Grundforelle vortrefflich charakterisirt, jedenfalls eine Verwechslung began- gen hat, indem derselbe die Schwebforelle auch Illanke nennt und sie im Spätsommer, um zu laichen, vom Bodensee in den Rhein und in die Ill ziehen lässt, die Laichzeit der Grundforelle dagegen gar nicht erwähnt. Von Schinz, welcher sich in verschiedenen Schriften über die Fischfauna der Schweizerseen ausgesprochen hat, haben wir nur sehr unbefriedigende Auskunft über die Seeforelle erhalten; er hat die fruchtbaren und sterilen Formen dieses Fisches noch dazu mit der Meerforelle (Salmo Trutta) verwechselt, was weder Wart- mann nach Hartmann gethan haben; letzterer (Nr. 37 b: pag. 110) hat sich sogar mit bestimmten Worten gegen die Vereinigung der Seeforelle (Salmo lacustris) mit der wandernden Lachsforelle des Meeres (Salmo trutta) ausge- sprochen. In der Bearbeitung von Cuvier’s Thierreich sagt Schinz 2) von der Seeforelle, die er als Salmo Trutta Lin. bezeichnet, dass sich dieselbe vor- züglich in Seen und besonders auch in der Schweiz finde und zu allen Jahres- 1) S. dessen: Fische des Bodensees. pag. 29. 2) S. Bd. II. 1822. pag. 267.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/323>, abgerufen am 28.11.2024.