Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Gattung: Trutta.
Dieser Name bezieht sich aber auf einen ganz anderen Fisch des Sees, nämlich
auf den Leuciscus Meidingeri, der von Schrank, wie ich bereits angeführt
habe (s. oben pag. 199) mit der Seeforelle verwechselt worden ist.

In derselben Weise, wie im Osten der Alpen die sterilen und fruchtbaren
Formen des Seelachses theils von Ichthyologen, theils von Fischern als zwei
besondere Arten betrachtet werden, sind auch in den westlichen Alpengegen-
den diese beiden Seelachsformen als zwei Arten bisher auseinandergehalten
worden, aber nur mit dem Unterschiede, dass am Bodensee die fruchtbare
Form den Namen "Grundforelle" und die sterile Form den Namen "Schweb-
forelle" führt. Es muss auffallen, dass von älteren Ichthyologen über die Le-
bensweise und die verschiedenen Namen der Bodensee-Lachse viel überein-
stimmendere und genauere Notizen gegeben worden sind als von den neuern
Ichthyologen, welche sich oft in ihren Angaben widersprechen und beide
Lachsformen nach Namen und Lebensweise meist durcheinandergemengt ha-
ben. Mangolt, von dem wir über Natur und Eigenschaften der Bodensee-
Fische die ältesten zuverlässigen Nachrichten besitzen, hebt ganz klar hervor
(a. a. O. pag. 16), dass es im Bodensee zweierlei "Sefärhinen" gebe, "nämlich
Grundfärhinen und Schwäbfärhinen. Diser vnderscheid aber ist nit am visch
sonder an der weid: dann die Grundfärhin jr weid hatt im grund vnnd in der
tieffe, dahär sy dann auch den namen hatt vnnd ein Grundfärhin genennt wirt.
Die Schwäbfärhinen aber schwäbt oben embor, weidet vnnd neret sich der
muckenn ob dem wasser. Wie nun das vych auff ein gute feisste weid ge-
schlagenn leybhaffter, feisster vnnd am fleisch besser ist, dann das auff dürre
vnnd magere weid getriben wirt: Also hatt es auch aller ding ein gstallt mit
den vischen. Nun ists aber gwüss dass der lättächtig grund bessere narung
vnnd weid gibt, dann die mucken: so volget auch, dass die Grundfärhinen
besser sind dann die Schwäbfärhinen, dass dann alle schleckmeuler wol
wüssend". Noch heute wird am Bodensee die stets mager bleibende Schweb-
forelle weniger geschätzt als die im Laufe des Sommers bis gegen den Herbst
hin immer feister und fetter werdende Grundforelle.

Ausser Mangolt und Gesner1) berichtet auch Wartmann (Nr. 37 b:
pag. 59) von der Grundforelle, dass sie, um zu laichen, in den Oberrhein und
in die Ill hinaufsteige und alsdann den Namen "Rheinanke" oder "Illanke" er-
halte. Wartmann unterscheidet von dieser geschlechtlich sich entwickelnden
Form der Trutta lacustris noch eine andere Lachsform des Bodensees, die er
schlechthin "Seeforelle" nennt (a. a. O. pag. 66). Offenbar hat er damit die
sterile Form der Trutta lacustris gemeint, denn er sagt von dieser Seeforelle,
dass kaum eine Spur von Haken an ihrem Unterkiefer wahrzunehmen sei,
während an der Rheinanke der Haken des Unterkiefers stark sei und schon

1) S. dessen: Fischbuch. Zürich, 1575. Fol. 89 b.

Gattung: Trutta.
Dieser Name bezieht sich aber auf einen ganz anderen Fisch des Sees, nämlich
auf den Leuciscus Meidingeri, der von Schrank, wie ich bereits angeführt
habe (s. oben pag. 199) mit der Seeforelle verwechselt worden ist.

In derselben Weise, wie im Osten der Alpen die sterilen und fruchtbaren
Formen des Seelachses theils von Ichthyologen, theils von Fischern als zwei
besondere Arten betrachtet werden, sind auch in den westlichen Alpengegen-
den diese beiden Seelachsformen als zwei Arten bisher auseinandergehalten
worden, aber nur mit dem Unterschiede, dass am Bodensee die fruchtbare
Form den Namen »Grundforelle« und die sterile Form den Namen »Schweb-
forelle« führt. Es muss auffallen, dass von älteren Ichthyologen über die Le-
bensweise und die verschiedenen Namen der Bodensee-Lachse viel überein-
stimmendere und genauere Notizen gegeben worden sind als von den neuern
Ichthyologen, welche sich oft in ihren Angaben widersprechen und beide
Lachsformen nach Namen und Lebensweise meist durcheinandergemengt ha-
ben. Mangolt, von dem wir über Natur und Eigenschaften der Bodensee-
Fische die ältesten zuverlässigen Nachrichten besitzen, hebt ganz klar hervor
(a. a. O. pag. 16), dass es im Bodensee zweierlei »Sefärhinen« gebe, »nämlich
Grundfärhinen und Schwäbfärhinen. Diser vnderscheid aber ist nit am visch
sonder an der weid: dann die Grundfärhin jr weid hatt im grund vnnd in der
tieffe, dahär sy dann auch den namen hatt vnnd ein Grundfärhin genennt wirt.
Die Schwäbfärhinen aber schwäbt oben embor, weidet vnnd neret sich der
muckenn ob dem wasser. Wie nun das vych auff ein gute feisste weid ge-
schlagenn leybhaffter, feisster vnnd am fleisch besser ist, dann das auff dürre
vnnd magere weid getriben wirt: Also hatt es auch aller ding ein gstallt mit
den vischen. Nun ists aber gwüss dass der lättächtig grund bessere narung
vnnd weid gibt, dann die mucken: so volget auch, dass die Grundfärhinen
besser sind dann die Schwäbfärhinen, dass dann alle schleckmeuler wol
wüssend«. Noch heute wird am Bodensee die stets mager bleibende Schweb-
forelle weniger geschätzt als die im Laufe des Sommers bis gegen den Herbst
hin immer feister und fetter werdende Grundforelle.

Ausser Mangolt und Gesner1) berichtet auch Wartmann (Nr. 37 b:
pag. 59) von der Grundforelle, dass sie, um zu laichen, in den Oberrhein und
in die Ill hinaufsteige und alsdann den Namen »Rheinanke« oder »Illanke« er-
halte. Wartmann unterscheidet von dieser geschlechtlich sich entwickelnden
Form der Trutta lacustris noch eine andere Lachsform des Bodensees, die er
schlechthin »Seeforelle« nennt (a. a. O. pag. 66). Offenbar hat er damit die
sterile Form der Trutta lacustris gemeint, denn er sagt von dieser Seeforelle,
dass kaum eine Spur von Haken an ihrem Unterkiefer wahrzunehmen sei,
während an der Rheinanke der Haken des Unterkiefers stark sei und schon

1) S. dessen: Fischbuch. Zürich, 1575. Fol. 89 b.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0322" n="309"/><fw place="top" type="header">Gattung: Trutta.</fw><lb/>
Dieser Name bezieht sich aber auf einen ganz anderen Fisch des Sees, nämlich<lb/>
auf den <hi rendition="#i">Leuciscus Meidingeri</hi>, der von <hi rendition="#k">Schrank</hi>, wie ich bereits angeführt<lb/>
habe (s. oben pag. 199) mit der Seeforelle verwechselt worden ist.</p><lb/>
                <p>In derselben Weise, wie im Osten der Alpen die sterilen und fruchtbaren<lb/>
Formen des Seelachses theils von Ichthyologen, theils von Fischern als zwei<lb/>
besondere Arten betrachtet werden, sind auch in den westlichen Alpengegen-<lb/>
den diese beiden Seelachsformen als zwei Arten bisher auseinandergehalten<lb/>
worden, aber nur mit dem Unterschiede, dass am Bodensee die fruchtbare<lb/>
Form den Namen »Grundforelle« und die sterile Form den Namen »Schweb-<lb/>
forelle« führt. Es muss auffallen, dass von älteren Ichthyologen über die Le-<lb/>
bensweise und die verschiedenen Namen der Bodensee-Lachse viel überein-<lb/>
stimmendere und genauere Notizen gegeben worden sind als von den neuern<lb/>
Ichthyologen, welche sich oft in ihren Angaben widersprechen und beide<lb/>
Lachsformen nach Namen und Lebensweise meist durcheinandergemengt ha-<lb/>
ben. <hi rendition="#k">Mangolt</hi>, von dem wir über Natur und Eigenschaften der Bodensee-<lb/>
Fische die ältesten zuverlässigen Nachrichten besitzen, hebt ganz klar hervor<lb/>
(a. a. O. pag. 16), dass es im Bodensee zweierlei »Sefärhinen« gebe, »nämlich<lb/>
Grundfärhinen und Schwäbfärhinen. Diser vnderscheid aber ist nit am visch<lb/>
sonder an der weid: dann die Grundfärhin jr weid hatt im grund vnnd in der<lb/>
tieffe, dahär sy dann auch den namen hatt vnnd ein Grundfärhin genennt wirt.<lb/>
Die Schwäbfärhinen aber schwäbt oben embor, weidet vnnd neret sich der<lb/>
muckenn ob dem wasser. Wie nun das vych auff ein gute feisste weid ge-<lb/>
schlagenn leybhaffter, feisster vnnd am fleisch besser ist, dann das auff dürre<lb/>
vnnd magere weid getriben wirt: Also hatt es auch aller ding ein gstallt mit<lb/>
den vischen. Nun ists aber gwüss dass der lättächtig grund bessere narung<lb/>
vnnd weid gibt, dann die mucken: so volget auch, dass die Grundfärhinen<lb/>
besser sind dann die Schwäbfärhinen, dass dann alle schleckmeuler wol<lb/>
wüssend«. Noch heute wird am Bodensee die stets mager bleibende Schweb-<lb/>
forelle weniger geschätzt als die im Laufe des Sommers bis gegen den Herbst<lb/>
hin immer feister und fetter werdende Grundforelle.</p><lb/>
                <p>Ausser <hi rendition="#k">Mangolt</hi> und <hi rendition="#k">Gesner</hi><note place="foot" n="1)">S. dessen: Fischbuch. Zürich, 1575. Fol. 89 b.</note> berichtet auch <hi rendition="#k">Wartmann</hi> (Nr. 37 b:<lb/>
pag. 59) von der Grundforelle, dass sie, um zu laichen, in den Oberrhein und<lb/>
in die Ill hinaufsteige und alsdann den Namen »Rheinanke« oder »Illanke« er-<lb/>
halte. <hi rendition="#k">Wartmann</hi> unterscheidet von dieser geschlechtlich sich entwickelnden<lb/>
Form der <hi rendition="#i">Trutta lacustris</hi> noch eine andere Lachsform des Bodensees, die er<lb/>
schlechthin »Seeforelle« nennt (a. a. O. pag. 66). Offenbar hat er damit die<lb/>
sterile Form der <hi rendition="#i">Trutta lacustris</hi> gemeint, denn er sagt von dieser Seeforelle,<lb/>
dass kaum eine Spur von Haken an ihrem Unterkiefer wahrzunehmen sei,<lb/>
während an der Rheinanke der Haken des Unterkiefers stark sei und schon<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0322] Gattung: Trutta. Dieser Name bezieht sich aber auf einen ganz anderen Fisch des Sees, nämlich auf den Leuciscus Meidingeri, der von Schrank, wie ich bereits angeführt habe (s. oben pag. 199) mit der Seeforelle verwechselt worden ist. In derselben Weise, wie im Osten der Alpen die sterilen und fruchtbaren Formen des Seelachses theils von Ichthyologen, theils von Fischern als zwei besondere Arten betrachtet werden, sind auch in den westlichen Alpengegen- den diese beiden Seelachsformen als zwei Arten bisher auseinandergehalten worden, aber nur mit dem Unterschiede, dass am Bodensee die fruchtbare Form den Namen »Grundforelle« und die sterile Form den Namen »Schweb- forelle« führt. Es muss auffallen, dass von älteren Ichthyologen über die Le- bensweise und die verschiedenen Namen der Bodensee-Lachse viel überein- stimmendere und genauere Notizen gegeben worden sind als von den neuern Ichthyologen, welche sich oft in ihren Angaben widersprechen und beide Lachsformen nach Namen und Lebensweise meist durcheinandergemengt ha- ben. Mangolt, von dem wir über Natur und Eigenschaften der Bodensee- Fische die ältesten zuverlässigen Nachrichten besitzen, hebt ganz klar hervor (a. a. O. pag. 16), dass es im Bodensee zweierlei »Sefärhinen« gebe, »nämlich Grundfärhinen und Schwäbfärhinen. Diser vnderscheid aber ist nit am visch sonder an der weid: dann die Grundfärhin jr weid hatt im grund vnnd in der tieffe, dahär sy dann auch den namen hatt vnnd ein Grundfärhin genennt wirt. Die Schwäbfärhinen aber schwäbt oben embor, weidet vnnd neret sich der muckenn ob dem wasser. Wie nun das vych auff ein gute feisste weid ge- schlagenn leybhaffter, feisster vnnd am fleisch besser ist, dann das auff dürre vnnd magere weid getriben wirt: Also hatt es auch aller ding ein gstallt mit den vischen. Nun ists aber gwüss dass der lättächtig grund bessere narung vnnd weid gibt, dann die mucken: so volget auch, dass die Grundfärhinen besser sind dann die Schwäbfärhinen, dass dann alle schleckmeuler wol wüssend«. Noch heute wird am Bodensee die stets mager bleibende Schweb- forelle weniger geschätzt als die im Laufe des Sommers bis gegen den Herbst hin immer feister und fetter werdende Grundforelle. Ausser Mangolt und Gesner 1) berichtet auch Wartmann (Nr. 37 b: pag. 59) von der Grundforelle, dass sie, um zu laichen, in den Oberrhein und in die Ill hinaufsteige und alsdann den Namen »Rheinanke« oder »Illanke« er- halte. Wartmann unterscheidet von dieser geschlechtlich sich entwickelnden Form der Trutta lacustris noch eine andere Lachsform des Bodensees, die er schlechthin »Seeforelle« nennt (a. a. O. pag. 66). Offenbar hat er damit die sterile Form der Trutta lacustris gemeint, denn er sagt von dieser Seeforelle, dass kaum eine Spur von Haken an ihrem Unterkiefer wahrzunehmen sei, während an der Rheinanke der Haken des Unterkiefers stark sei und schon 1) S. dessen: Fischbuch. Zürich, 1575. Fol. 89 b.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/322
Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/322>, abgerufen am 03.05.2024.