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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Trutta.
zeiten gefangen werde, am meisten wenn sie laicht, welches im November
auf sandigem und steinigem Boden, an den Ausflüssen der Flüsse und Bäche
geschieht, in deren Mündung sie steigt. Da Schinz gleich hinterher die See-
forelle als Bewohner des Bodensees, des Rheins oberhalb des Sees und der
Ill unter dem Namen "Rheinlanken" (Salmo Illanca) aufführt, so geht hieraus
hervor, dass Schinz die Seeforelle des Bodensees von den Seeforellen der
übrigen Schweizerseen als besondere Art getrennt wissen will. Gleiche An-
sichten befolgt Schinz später in seiner Fauna helvetica1), sowie in seiner
europäischen Fauna2), nur mit dem Unterschiede, dass er in letzterer Schrift
nach Agassiz's Beispiel die Bodensee-Forelle nicht mehr Salmo Illanca, son-
dern Salmo lacustris nennt. Agassiz (a. a. O.) hat übrigens die fruchtbare und
sterile Form der Seeforelle vortrefflich abgebildet, unterscheidet aber beide,
ohne ihre nahen Beziehungen zu einander errathen zu haben, als zwei beson-
dere Arten, von denen er die fruchtbare Form mit dem Namen Salmo Trutta
des Linne bezeichnete, unter welchem Namen letzterer3) eigentlich nur die
in die Flüsse aufsteigende Meerforelle hat verstehen wollen. Darin muss ich
aber Agassiz beistimmen, dass derselbe4) die von Jurine5) als Salmo Trutta
beschriebene und von Cuvier6) als Salmo lemanus für eine besondere Art aus-
gegebene fruchtbare Seeforelle des Genfersee mit der Seeforelle des Neuen-
burgersees vereinigt hat, da ich an der schönen Abbildung einer weiblichen
Lachsforelle des Genfersees, wie sie Agassiz (a. a. O. Tab. VIII) geliefert, auf
den ersten Blick die fruchtbare Seeforelle in ihren Umrissen, ihrer Färbung
und Zeichnung wieder erkenne. Auch die von Jurine (a. a. O. Pl. 4) abgebil-
dete Salmo Trutta des Genfersees stellt deutlich genug eine fruchtbare See-
forelle dar, um so auffallender weicht dagegen die von Valenciennes (a. a. O.
Pl. 617) gelieferte Darstellung des Salmo lemanus ab; die lange, schmächtige
und niedrige Schnauze auf diesem Bilde deutet eher auf einen männlichen
gemeinen Lachs (T. Salar) als auf eine Seeforelle (T. lacustris) hin, noch mehr
aber der lange Zwischenraum, welcher an dem auf derselben Tafel abgebil-
deten Gaumen zwischen der Schnauzenspitze und dem bezahnten Vorderrande
des Vomerknochen wahrzunehmen ist. Anders verhält es sich mit der Ab-
bildung eines Salmo lacustris des Agassiz (a. a. O. Tab. XV), von welcher es
heisst: "Taf. XV ist ein alter Milchner, gefangen im December, im Bodensee",

1) A. a. O. pag. 160. Hier sagt Schinz von der Seeforelle: "in allen unseren Seen ge-
mein und sehr geschätzt. Sie kommt aber in die Flüsse und geht bis in's Meer".
2) S. dessen europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 345 u. 348.
3) S. dessen: Fauna suecica. pag. 123. Nr. 347.
4) A. a. O. Tab. VIII. Salmo Trutta Lin. Text.
5) S. dessen: Histoire des poissons du lac Leman, in den Memoires de la soc. d. phys.
et d'hist. nat. de Geneve. Tom. III. 1825. pag. 158. Pl. 4.
6) S. dessen: Regne animal. Tom. II. 1829. pag. 303.

Gattung: Trutta.
zeiten gefangen werde, am meisten wenn sie laicht, welches im November
auf sandigem und steinigem Boden, an den Ausflüssen der Flüsse und Bäche
geschieht, in deren Mündung sie steigt. Da Schinz gleich hinterher die See-
forelle als Bewohner des Bodensees, des Rheins oberhalb des Sees und der
Ill unter dem Namen »Rheinlanken« (Salmo Illanca) aufführt, so geht hieraus
hervor, dass Schinz die Seeforelle des Bodensees von den Seeforellen der
übrigen Schweizerseen als besondere Art getrennt wissen will. Gleiche An-
sichten befolgt Schinz später in seiner Fauna helvetica1), sowie in seiner
europäischen Fauna2), nur mit dem Unterschiede, dass er in letzterer Schrift
nach Agassiz’s Beispiel die Bodensee-Forelle nicht mehr Salmo Illanca, son-
dern Salmo lacustris nennt. Agassiz (a. a. O.) hat übrigens die fruchtbare und
sterile Form der Seeforelle vortrefflich abgebildet, unterscheidet aber beide,
ohne ihre nahen Beziehungen zu einander errathen zu haben, als zwei beson-
dere Arten, von denen er die fruchtbare Form mit dem Namen Salmo Trutta
des Linné bezeichnete, unter welchem Namen letzterer3) eigentlich nur die
in die Flüsse aufsteigende Meerforelle hat verstehen wollen. Darin muss ich
aber Agassiz beistimmen, dass derselbe4) die von Jurine5) als Salmo Trutta
beschriebene und von Cuvier6) als Salmo lemanus für eine besondere Art aus-
gegebene fruchtbare Seeforelle des Genfersee mit der Seeforelle des Neuen-
burgersees vereinigt hat, da ich an der schönen Abbildung einer weiblichen
Lachsforelle des Genfersees, wie sie Agassiz (a. a. O. Tab. VIII) geliefert, auf
den ersten Blick die fruchtbare Seeforelle in ihren Umrissen, ihrer Färbung
und Zeichnung wieder erkenne. Auch die von Jurine (a. a. O. Pl. 4) abgebil-
dete Salmo Trutta des Genfersees stellt deutlich genug eine fruchtbare See-
forelle dar, um so auffallender weicht dagegen die von Valenciennes (a. a. O.
Pl. 617) gelieferte Darstellung des Salmo lemanus ab; die lange, schmächtige
und niedrige Schnauze auf diesem Bilde deutet eher auf einen männlichen
gemeinen Lachs (T. Salar) als auf eine Seeforelle (T. lacustris) hin, noch mehr
aber der lange Zwischenraum, welcher an dem auf derselben Tafel abgebil-
deten Gaumen zwischen der Schnauzenspitze und dem bezahnten Vorderrande
des Vomerknochen wahrzunehmen ist. Anders verhält es sich mit der Ab-
bildung eines Salmo lacustris des Agassiz (a. a. O. Tab. XV), von welcher es
heisst: »Taf. XV ist ein alter Milchner, gefangen im December, im Bodensee«,

1) A. a. O. pag. 160. Hier sagt Schinz von der Seeforelle: »in allen unseren Seen ge-
mein und sehr geschätzt. Sie kommt aber in die Flüsse und geht bis in’s Meer«.
2) S. dessen europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 345 u. 348.
3) S. dessen: Fauna suecica. pag. 123. Nr. 347.
4) A. a. O. Tab. VIII. Salmo Trutta Lin. Text.
5) S. dessen: Histoire des poissons du lac Léman, in den Mémoires de la soc. d. phys.
et d’hist. nat. de Genève. Tom. III. 1825. pag. 158. Pl. 4.
6) S. dessen: Règne animal. Tom. II. 1829. pag. 303.
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[311/0324] Gattung: Trutta. zeiten gefangen werde, am meisten wenn sie laicht, welches im November auf sandigem und steinigem Boden, an den Ausflüssen der Flüsse und Bäche geschieht, in deren Mündung sie steigt. Da Schinz gleich hinterher die See- forelle als Bewohner des Bodensees, des Rheins oberhalb des Sees und der Ill unter dem Namen »Rheinlanken« (Salmo Illanca) aufführt, so geht hieraus hervor, dass Schinz die Seeforelle des Bodensees von den Seeforellen der übrigen Schweizerseen als besondere Art getrennt wissen will. Gleiche An- sichten befolgt Schinz später in seiner Fauna helvetica 1), sowie in seiner europäischen Fauna 2), nur mit dem Unterschiede, dass er in letzterer Schrift nach Agassiz’s Beispiel die Bodensee-Forelle nicht mehr Salmo Illanca, son- dern Salmo lacustris nennt. Agassiz (a. a. O.) hat übrigens die fruchtbare und sterile Form der Seeforelle vortrefflich abgebildet, unterscheidet aber beide, ohne ihre nahen Beziehungen zu einander errathen zu haben, als zwei beson- dere Arten, von denen er die fruchtbare Form mit dem Namen Salmo Trutta des Linné bezeichnete, unter welchem Namen letzterer 3) eigentlich nur die in die Flüsse aufsteigende Meerforelle hat verstehen wollen. Darin muss ich aber Agassiz beistimmen, dass derselbe 4) die von Jurine 5) als Salmo Trutta beschriebene und von Cuvier 6) als Salmo lemanus für eine besondere Art aus- gegebene fruchtbare Seeforelle des Genfersee mit der Seeforelle des Neuen- burgersees vereinigt hat, da ich an der schönen Abbildung einer weiblichen Lachsforelle des Genfersees, wie sie Agassiz (a. a. O. Tab. VIII) geliefert, auf den ersten Blick die fruchtbare Seeforelle in ihren Umrissen, ihrer Färbung und Zeichnung wieder erkenne. Auch die von Jurine (a. a. O. Pl. 4) abgebil- dete Salmo Trutta des Genfersees stellt deutlich genug eine fruchtbare See- forelle dar, um so auffallender weicht dagegen die von Valenciennes (a. a. O. Pl. 617) gelieferte Darstellung des Salmo lemanus ab; die lange, schmächtige und niedrige Schnauze auf diesem Bilde deutet eher auf einen männlichen gemeinen Lachs (T. Salar) als auf eine Seeforelle (T. lacustris) hin, noch mehr aber der lange Zwischenraum, welcher an dem auf derselben Tafel abgebil- deten Gaumen zwischen der Schnauzenspitze und dem bezahnten Vorderrande des Vomerknochen wahrzunehmen ist. Anders verhält es sich mit der Ab- bildung eines Salmo lacustris des Agassiz (a. a. O. Tab. XV), von welcher es heisst: »Taf. XV ist ein alter Milchner, gefangen im December, im Bodensee«, 1) A. a. O. pag. 160. Hier sagt Schinz von der Seeforelle: »in allen unseren Seen ge- mein und sehr geschätzt. Sie kommt aber in die Flüsse und geht bis in’s Meer«. 2) S. dessen europäische Fauna. Bd. II. 1840. pag. 345 u. 348. 3) S. dessen: Fauna suecica. pag. 123. Nr. 347. 4) A. a. O. Tab. VIII. Salmo Trutta Lin. Text. 5) S. dessen: Histoire des poissons du lac Léman, in den Mémoires de la soc. d. phys. et d’hist. nat. de Genève. Tom. III. 1825. pag. 158. Pl. 4. 6) S. dessen: Règne animal. Tom. II. 1829. pag. 303.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/324>, abgerufen am 03.05.2024.