Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste Buch.
ceps, lehrete/ die Welt sey ohne Anfang und
allzeit gewesen. Democritus statuirte/ die
Welt sey casu, ex concursu atomorum zu-
sam gebacken. Leucippus gab vor: Es wären
Infiniti Mundi. Anaxagoras behaubtete: der
Himmel seye aus Steinen componiret. Pos-
sidonius
sagte: Wann die Sonne in das Ocea-
num
sich verkrieche/ so verursache sie ein groß
Krachen. Xenophanes collocirte in con-
cavo Lunae
noch einen andern Orbem. Die
Academici gaben vor: Alle Ding seyen Un-
gewiß. Mehrer dergleichen Meinungen zu
geschweigen. Hat demnach Cicero nicht gar
unrecht geschrieben/ da er setzet: Nihil tam ab-
surdum dici posse, quod non dicatur ab aliquo
Philosophorum.

Was nun dieser Heyde suo tempore geur-
theilet/ das zeugen auch die Schrifften der
Welt-Weisen dieser Zeit/ in welchen ein immer-
wehrendes contradiciren ist. Hiervon wegen
vorgesetzter Kürtze nur einige Beyspiel anzufüh-
ren: So ist unter den alten Naturkündigern
wie schon gemeldet/ Aristoteles der Vornehm-
ste. Untersuchet man dieses sonst unvergleich-
lichen Mannes vorhandene Schrifften über
dem Wort Natura, was es bedeute/ oder da-
durch soll verstanden werden? So erholet man in
Antwort: Quod natura sit principium motus
ut quietis in corporib, quibus per se & non per
accidens inest.
Höret man hierüber die Jün-

gere

Das erſte Buch.
ceps, lehrete/ die Welt ſey ohne Anfang und
allzeit geweſen. Democritus ſtatuirte/ die
Welt ſey caſu, ex concurſu atomorum zu-
ſam gebacken. Leucippus gab vor: Es wären
Infiniti Mundi. Anaxagoras behaubtete: der
Himmel ſeye aus Steinen componiret. Poſ-
ſidonius
ſagte: Wann die Sonne in das Ocea-
num
ſich verkrieche/ ſo verurſache ſie ein groß
Krachen. Xenophanes collocirte in con-
cavo Lunæ
noch einen andern Orbem. Die
Academici gaben vor: Alle Ding ſeyen Un-
gewiß. Mehrer dergleichen Meinungen zu
geſchweigen. Hat demnach Cicero nicht gar
unrecht geſchrieben/ da er ſetzet: Nihil tam ab-
ſurdum dici poſſe, quod non dicatur ab aliquo
Philoſophorum.

Was nun dieſer Heyde ſuo tempore geur-
theilet/ das zeugen auch die Schrifften der
Welt-Weiſen dieſer Zeit/ in welchen ein immer-
wehrendes contradiciren iſt. Hiervon wegen
vorgeſetzter Kürtze nur einige Beyſpiel anzufüh-
ren: So iſt unter den alten Naturkündigern
wie ſchon gemeldet/ Ariſtoteles der Vornehm-
ſte. Unterſuchet man dieſes ſonſt unvergleich-
lichen Mannes vorhandene Schrifften über
dem Wort Natura, was es bedeute/ oder da-
durch ſoll verſtanden werden? So erholet man in
Antwort: Quòd natura ſit principium motus
ut quietis in corporibꝰ, quibus per ſe & non per
accidens ineſt.
Höret man hierüber die Jün-

gere
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0094" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das er&#x017F;te Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">ceps,</hi> lehrete/ die Welt &#x017F;ey ohne Anfang und<lb/>
allzeit gewe&#x017F;en. <hi rendition="#aq">Democritus &#x017F;tatuir</hi>te/ die<lb/>
Welt &#x017F;ey <hi rendition="#aq">ca&#x017F;u, ex concur&#x017F;u atomorum</hi> zu-<lb/>
&#x017F;am gebacken. <hi rendition="#aq">Leucippus</hi> gab vor: Es wären<lb/><hi rendition="#aq">Infiniti Mundi. Anaxagoras</hi> behaubtete: der<lb/>
Himmel &#x017F;eye aus Steinen <hi rendition="#aq">componir</hi>et. <hi rendition="#aq">Po&#x017F;-<lb/>
&#x017F;idonius</hi> &#x017F;agte: Wann die Sonne in das <hi rendition="#aq">Ocea-<lb/>
num</hi> &#x017F;ich verkrieche/ &#x017F;o verur&#x017F;ache &#x017F;ie ein groß<lb/>
Krachen. <hi rendition="#aq">Xenophanes collocir</hi>te <hi rendition="#aq">in con-<lb/>
cavo Lunæ</hi> noch einen andern <hi rendition="#aq">Orbem.</hi> Die<lb/><hi rendition="#aq">Academici</hi> gaben vor: Alle Ding &#x017F;eyen Un-<lb/>
gewiß. Mehrer dergleichen Meinungen zu<lb/>
ge&#x017F;chweigen. Hat demnach <hi rendition="#aq">Cicero</hi> nicht gar<lb/>
unrecht ge&#x017F;chrieben/ da er &#x017F;etzet: <hi rendition="#aq">Nihil tam ab-<lb/>
&#x017F;urdum dici po&#x017F;&#x017F;e, quod non dicatur ab aliquo<lb/>
Philo&#x017F;ophorum.</hi></p><lb/>
          <p>Was nun die&#x017F;er Heyde <hi rendition="#aq">&#x017F;uo tempore</hi> geur-<lb/>
theilet/ das zeugen auch die Schrifften der<lb/>
Welt-Wei&#x017F;en die&#x017F;er Zeit/ in welchen ein immer-<lb/>
wehrendes <hi rendition="#aq">contradicir</hi>en i&#x017F;t. Hiervon wegen<lb/>
vorge&#x017F;etzter Kürtze nur einige Bey&#x017F;piel anzufüh-<lb/>
ren: So i&#x017F;t unter den alten Naturkündigern<lb/>
wie &#x017F;chon gemeldet/ <hi rendition="#aq">Ari&#x017F;toteles</hi> der Vornehm-<lb/>
&#x017F;te. Unter&#x017F;uchet man die&#x017F;es &#x017F;on&#x017F;t unvergleich-<lb/>
lichen Mannes vorhandene Schrifften über<lb/>
dem Wort <hi rendition="#aq">Natura,</hi> was es bedeute/ oder da-<lb/>
durch &#x017F;oll ver&#x017F;tanden werden? So erholet man in<lb/>
Antwort: <hi rendition="#aq">Quòd natura &#x017F;it principium motus<lb/>
ut quietis in corporib&#xA770;, quibus per &#x017F;e &amp; non per<lb/>
accidens ine&#x017F;t.</hi> Höret man hierüber die Jün-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gere</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0094] Das erſte Buch. ceps, lehrete/ die Welt ſey ohne Anfang und allzeit geweſen. Democritus ſtatuirte/ die Welt ſey caſu, ex concurſu atomorum zu- ſam gebacken. Leucippus gab vor: Es wären Infiniti Mundi. Anaxagoras behaubtete: der Himmel ſeye aus Steinen componiret. Poſ- ſidonius ſagte: Wann die Sonne in das Ocea- num ſich verkrieche/ ſo verurſache ſie ein groß Krachen. Xenophanes collocirte in con- cavo Lunæ noch einen andern Orbem. Die Academici gaben vor: Alle Ding ſeyen Un- gewiß. Mehrer dergleichen Meinungen zu geſchweigen. Hat demnach Cicero nicht gar unrecht geſchrieben/ da er ſetzet: Nihil tam ab- ſurdum dici poſſe, quod non dicatur ab aliquo Philoſophorum. Was nun dieſer Heyde ſuo tempore geur- theilet/ das zeugen auch die Schrifften der Welt-Weiſen dieſer Zeit/ in welchen ein immer- wehrendes contradiciren iſt. Hiervon wegen vorgeſetzter Kürtze nur einige Beyſpiel anzufüh- ren: So iſt unter den alten Naturkündigern wie ſchon gemeldet/ Ariſtoteles der Vornehm- ſte. Unterſuchet man dieſes ſonſt unvergleich- lichen Mannes vorhandene Schrifften über dem Wort Natura, was es bedeute/ oder da- durch ſoll verſtanden werden? So erholet man in Antwort: Quòd natura ſit principium motus ut quietis in corporibꝰ, quibus per ſe & non per accidens ineſt. Höret man hierüber die Jün- gere

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/94
Zitationshilfe: Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/94>, abgerufen am 04.05.2024.