wieder zurück, und ich trug kein Bedenken, ihn mei¬ nen Tornister umhängen zu lassen. Wir stiegen also den kommenden Morgen, den achtzehnten Juny rüstig den Gotthardt hinauf. Es war nach dem Gewitter sehr schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den obern Schluchten konnte man vor dem Nebel und noch weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts sehen; links und rechts blickten die beschneyten Gipfel aus der Dunkelheit des Sturms drohend herunter. Nach zwey starken Stunden hatten wir uns auf die obere Fläche hinauf gearbeitet, wo das Kloster und das Wirthshaus steht, und wo man im vorigen Kriege geschlagen hat. Das erste liegt jetzt noch wüst und der Schnee ist von innen hoch an den Wänden aufge¬ schichtet; das Wirthshaus ist ziemlich wieder herge¬ stellt und man hat schon wieder leidliche Bequemlich¬ keit. Es muss eine herkulische Arbeit gewesen seyn hier nur kleine Artilleriestücke herauf zu bringen, und war wohl nur in den wärmsten Sommermonaten möglich. Der Schnee liegt noch jetzt auf dem Wege sehr hoch und ich fiel einigemal bis an die Brust durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen würde mir zu nichts gefrommt haben, da man vor den Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konnte. Es ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus die¬ sem Kriege ein neues Phänomen, dass man ihn hier zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug: coe¬ lum ipsum petimus stultitia. Das Wasser auf der ober¬ sten Fläche des Berges hat einen ziemlichen Umfang, denn es giesst sich rund umher die Ausbeute des Re¬ gens und Schnee von den höchsten Felsen in den See,
wieder zurück, und ich trug kein Bedenken, ihn mei¬ nen Tornister umhängen zu lassen. Wir stiegen also den kommenden Morgen, den achtzehnten Juny rüstig den Gotthardt hinauf. Es war nach dem Gewitter sehr schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den obern Schluchten konnte man vor dem Nebel und noch weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts sehen; links und rechts blickten die beschneyten Gipfel aus der Dunkelheit des Sturms drohend herunter. Nach zwey starken Stunden hatten wir uns auf die obere Fläche hinauf gearbeitet, wo das Kloster und das Wirthshaus steht, und wo man im vorigen Kriege geschlagen hat. Das erste liegt jetzt noch wüst und der Schnee ist von innen hoch an den Wänden aufge¬ schichtet; das Wirthshaus ist ziemlich wieder herge¬ stellt und man hat schon wieder leidliche Bequemlich¬ keit. Es muſs eine herkulische Arbeit gewesen seyn hier nur kleine Artilleriestücke herauf zu bringen, und war wohl nur in den wärmsten Sommermonaten möglich. Der Schnee liegt noch jetzt auf dem Wege sehr hoch und ich fiel einigemal bis an die Brust durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen würde mir zu nichts gefrommt haben, da man vor den Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konnte. Es ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus die¬ sem Kriege ein neues Phänomen, daſs man ihn hier zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug: coe¬ lum ipsum petimus stultitia. Das Wasser auf der ober¬ sten Fläche des Berges hat einen ziemlichen Umfang, denn es gieſst sich rund umher die Ausbeute des Re¬ gens und Schnee von den höchsten Felsen in den See,
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0447"n="419 "/>
wieder zurück, und ich trug kein Bedenken, ihn mei¬<lb/>
nen Tornister umhängen zu lassen. Wir stiegen also<lb/>
den kommenden Morgen, den achtzehnten Juny rüstig<lb/>
den Gotthardt hinauf. Es war nach dem Gewitter sehr<lb/>
schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den obern<lb/>
Schluchten konnte man vor dem Nebel und noch<lb/>
weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts<lb/>
sehen; links und rechts blickten die beschneyten Gipfel<lb/>
aus der Dunkelheit des Sturms drohend herunter.<lb/>
Nach zwey starken Stunden hatten wir uns auf die<lb/>
obere Fläche hinauf gearbeitet, wo das Kloster und<lb/>
das Wirthshaus steht, und wo man im vorigen Kriege<lb/>
geschlagen hat. Das erste liegt jetzt noch wüst und<lb/>
der Schnee ist von innen hoch an den Wänden aufge¬<lb/>
schichtet; das Wirthshaus ist ziemlich wieder herge¬<lb/>
stellt und man hat schon wieder leidliche Bequemlich¬<lb/>
keit. Es muſs eine herkulische Arbeit gewesen seyn<lb/>
hier nur kleine Artilleriestücke herauf zu bringen,<lb/>
und war wohl nur in den wärmsten Sommermonaten<lb/>
möglich. Der Schnee liegt noch jetzt auf dem Wege<lb/>
sehr hoch und ich fiel einigemal bis an die Brust<lb/>
durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen<lb/>
würde mir zu nichts gefrommt haben, da man vor<lb/>
den Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konnte. Es<lb/>
ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus die¬<lb/>
sem Kriege ein neues Phänomen, daſs man ihn hier<lb/>
zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug: <hirendition="#i">coe¬<lb/>
lum ipsum petimus stultitia</hi>. Das Wasser auf der ober¬<lb/>
sten Fläche des Berges hat einen ziemlichen Umfang,<lb/>
denn es gieſst sich rund umher die Ausbeute des Re¬<lb/>
gens und Schnee von den höchsten Felsen in den See,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[419 /0447]
wieder zurück, und ich trug kein Bedenken, ihn mei¬
nen Tornister umhängen zu lassen. Wir stiegen also
den kommenden Morgen, den achtzehnten Juny rüstig
den Gotthardt hinauf. Es war nach dem Gewitter sehr
schlechtes Wetter, kalt und windig, und in den obern
Schluchten konnte man vor dem Nebel und noch
weiter hinauf vor dem Schneegestöber durchaus nichts
sehen; links und rechts blickten die beschneyten Gipfel
aus der Dunkelheit des Sturms drohend herunter.
Nach zwey starken Stunden hatten wir uns auf die
obere Fläche hinauf gearbeitet, wo das Kloster und
das Wirthshaus steht, und wo man im vorigen Kriege
geschlagen hat. Das erste liegt jetzt noch wüst und
der Schnee ist von innen hoch an den Wänden aufge¬
schichtet; das Wirthshaus ist ziemlich wieder herge¬
stellt und man hat schon wieder leidliche Bequemlich¬
keit. Es muſs eine herkulische Arbeit gewesen seyn
hier nur kleine Artilleriestücke herauf zu bringen,
und war wohl nur in den wärmsten Sommermonaten
möglich. Der Schnee liegt noch jetzt auf dem Wege
sehr hoch und ich fiel einigemal bis an die Brust
durch. Den höchsten Gipfel des Berges zu ersteigen
würde mir zu nichts gefrommt haben, da man vor
den Nebel kaum zwanzig Schritte sehen konnte. Es
ist vielleicht in den Annalen der Menschheit aus die¬
sem Kriege ein neues Phänomen, daſs man ihn hier
zuerst über Wolken und Ungewitter herauf trug: coe¬
lum ipsum petimus stultitia. Das Wasser auf der ober¬
sten Fläche des Berges hat einen ziemlichen Umfang,
denn es gieſst sich rund umher die Ausbeute des Re¬
gens und Schnee von den höchsten Felsen in den See,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 419 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/447>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.