eine eigene Verlegenheit kamen indessen die Herren mit der Madonna von Loretto, welche bekanntlich die Franzosen mit sich genommen hatten. Ein Mönch kommt nach ihrer Entfernung und sagt: Das habe ich gefürchtet, dass sie das heilige Wunderbild weg¬ führen würden; desswegen habe ichs verborgen und ein anderes dafür hingestellt: hier ist das ächte. Die¬ ses wird nun den Gläubigen zur Verehrung hingesetzt, ohne dass man in Rom sogleich etwas davon erfährt. -- Ich habe es in Loretto selbst gesehen, mich aber um die Aechtheit des einen und des andern wenig be¬ kümmert. -- Nun unterhandelt man in Rom über das Pariser und die Franzosen schicken es mit Reue zurück. Es kommt in Rom an, wo es noch stehen soll. Nun fragt sich, welches ist das ächte? Eins ist so schlecht wie das andere, und beyde thun natürlich Wunder in die Wette.
Von den hiesigen Merkwürdigkeiten ist das beste in Palermo; die Mediceerin, die Familie der Niobe und die besten Bilder; doch hat die Gallerie immer noch sehr interessante Sachen, vorzüglich für die Deut¬ schen. Mit der Mediceischen Venus ist es mir sonder¬ bar genug gegangen. Ich wünschte vorzüglich auf meiner Pilgerschaft auch dieses Wunderbild zu sehen, und es ist mir nicht gelungen. In Palermo habe ich mit Sterzinger in dem nehmlichen Hause gegessen, wo oben die Schätze unter Schloss und Siegel und Wache standen. Sie waren durchaus nicht zu sehen. Der Inspektor von Florenz, der mit in Palermo war, hatte Hoffnung gemacht, ehe alles wieder zurückginge, würde er die Stücke zeigen. In Rom und Neapel
eine eigene Verlegenheit kamen indessen die Herren mit der Madonna von Loretto, welche bekanntlich die Franzosen mit sich genommen hatten. Ein Mönch kommt nach ihrer Entfernung und sagt: Das habe ich gefürchtet, daſs sie das heilige Wunderbild weg¬ führen würden; deſswegen habe ichs verborgen und ein anderes dafür hingestellt: hier ist das ächte. Die¬ ses wird nun den Gläubigen zur Verehrung hingesetzt, ohne daſs man in Rom sogleich etwas davon erfährt. — Ich habe es in Loretto selbst gesehen, mich aber um die Aechtheit des einen und des andern wenig be¬ kümmert. — Nun unterhandelt man in Rom über das Pariser und die Franzosen schicken es mit Reue zurück. Es kommt in Rom an, wo es noch stehen soll. Nun fragt sich, welches ist das ächte? Eins ist so schlecht wie das andere, und beyde thun natürlich Wunder in die Wette.
Von den hiesigen Merkwürdigkeiten ist das beste in Palermo; die Mediceerin, die Familie der Niobe und die besten Bilder; doch hat die Gallerie immer noch sehr interessante Sachen, vorzüglich für die Deut¬ schen. Mit der Mediceischen Venus ist es mir sonder¬ bar genug gegangen. Ich wünschte vorzüglich auf meiner Pilgerschaft auch dieses Wunderbild zu sehen, und es ist mir nicht gelungen. In Palermo habe ich mit Sterzinger in dem nehmlichen Hause gegessen, wo oben die Schätze unter Schloſs und Siegel und Wache standen. Sie waren durchaus nicht zu sehen. Der Inspektor von Florenz, der mit in Palermo war, hatte Hoffnung gemacht, ehe alles wieder zurückginge, würde er die Stücke zeigen. In Rom und Neapel
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eine eigene Verlegenheit kamen indessen die Herren
mit der Madonna von Loretto, welche bekanntlich die
Franzosen mit sich genommen hatten. Ein Mönch
kommt nach ihrer Entfernung und sagt: Das habe
ich gefürchtet, daſs sie das heilige Wunderbild weg¬
führen würden; deſswegen habe ichs verborgen und
ein anderes dafür hingestellt: hier ist das ächte. Die¬
ses wird nun den Gläubigen zur Verehrung hingesetzt,
ohne daſs man in Rom sogleich etwas davon erfährt. —
Ich habe es in Loretto selbst gesehen, mich aber um
die Aechtheit des einen und des andern wenig be¬
kümmert. — Nun unterhandelt man in Rom über
das Pariser und die Franzosen schicken es mit Reue
zurück. Es kommt in Rom an, wo es noch stehen
soll. Nun fragt sich, welches ist das ächte? Eins ist
so schlecht wie das andere, und beyde thun natürlich
Wunder in die Wette.
Von den hiesigen Merkwürdigkeiten ist das beste
in Palermo; die Mediceerin, die Familie der Niobe
und die besten Bilder; doch hat die Gallerie immer
noch sehr interessante Sachen, vorzüglich für die Deut¬
schen. Mit der Mediceischen Venus ist es mir sonder¬
bar genug gegangen. Ich wünschte vorzüglich auf
meiner Pilgerschaft auch dieses Wunderbild zu sehen,
und es ist mir nicht gelungen. In Palermo habe ich
mit Sterzinger in dem nehmlichen Hause gegessen,
wo oben die Schätze unter Schloſs und Siegel und
Wache standen. Sie waren durchaus nicht zu sehen.
Der Inspektor von Florenz, der mit in Palermo war,
hatte Hoffnung gemacht, ehe alles wieder zurückginge,
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 389 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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