das durch den Willen des heiligen Vaters und das An¬ sehen der Kirche ipso jure null ist. Du kannst den¬ ken, wie stark man sich am Vatikan fühlen und wie schwach man die am Arno halten muss, dass man ei¬ ne solche Sprache wagt. Aber sie wissen, dass sie mit dem Herrn in Paris zusammen gehen; das erklärt und rechtfertigt vielleicht ihre Kühnheit. Die grösste An¬ zahl seufzt hier nach der alten Regierung; Neuerungs¬ süchtige hoffen auf Verbindung mit den Herren jen¬ seit des Berges, oder gar mit den Franzosen; die jez¬ zige Regierung hat den kleinsten Anhang. Der Kö¬ nig ist nicht gemacht ihn zu vergrössern: das hat man sehr wohl gewusst, sonst hätte man ihn nicht zum Schattenspiel brauchen können. In der Stadt läuft die Anekdote sehr laut herum, dass er in seinem Privat¬ theater den Balordo vortrefflich macht, und niemand wundert sich darüber.
Es wurde hier von Meyers Nachrichten von Bo¬ napartes Privatleben gesprochen; und Leclerk, der ihn doch wohl etwas näher kennen muss, soll darüber ganz eigene Berichtigungen gemacht haben. Die Fein¬ heit der Kardinäle zeigte sich vorzüglich in der Papst¬ wahl. Pius der Siebente war als Bischof von Imola Bonapartes Gastfreund gewesen: auf diesen Umstand und den individuellen Charakter des korsischen Fran¬ zosen liess sich schon etwas bauen. Du siehst es ist gegangen. In Imola kann man gut Maskerade spie¬ len. Der Papst und seine Gesellen vergessen das Ge¬ bot des heiligen Anchises noch nicht, das er seinem frommen Sohne beym Abschied aus der Hölle gab; und wo Ein Mittel nicht hilft, hilft das andere. In
das durch den Willen des heiligen Vaters und das An¬ sehen der Kirche ipso jure null ist. Du kannst den¬ ken, wie stark man sich am Vatikan fühlen und wie schwach man die am Arno halten muſs, daſs man ei¬ ne solche Sprache wagt. Aber sie wissen, daſs sie mit dem Herrn in Paris zusammen gehen; das erklärt und rechtfertigt vielleicht ihre Kühnheit. Die gröſste An¬ zahl seufzt hier nach der alten Regierung; Neuerungs¬ süchtige hoffen auf Verbindung mit den Herren jen¬ seit des Berges, oder gar mit den Franzosen; die jez¬ zige Regierung hat den kleinsten Anhang. Der Kö¬ nig ist nicht gemacht ihn zu vergröſsern: das hat man sehr wohl gewuſst, sonst hätte man ihn nicht zum Schattenspiel brauchen können. In der Stadt läuft die Anekdote sehr laut herum, daſs er in seinem Privat¬ theater den Balordo vortrefflich macht, und niemand wundert sich darüber.
Es wurde hier von Meyers Nachrichten von Bo¬ napartes Privatleben gesprochen; und Leclerk, der ihn doch wohl etwas näher kennen muſs, soll darüber ganz eigene Berichtigungen gemacht haben. Die Fein¬ heit der Kardinäle zeigte sich vorzüglich in der Papst¬ wahl. Pius der Siebente war als Bischof von Imola Bonapartes Gastfreund gewesen: auf diesen Umstand und den individuellen Charakter des korsischen Fran¬ zosen lieſs sich schon etwas bauen. Du siehst es ist gegangen. In Imola kann man gut Maskerade spie¬ len. Der Papst und seine Gesellen vergessen das Ge¬ bot des heiligen Anchises noch nicht, das er seinem frommen Sohne beym Abschied aus der Hölle gab; und wo Ein Mittel nicht hilft, hilft das andere. In
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0416"n="388 "/>
das durch den Willen des heiligen Vaters und das An¬<lb/>
sehen der Kirche <hirendition="#i">ipso jure</hi> null ist. Du kannst den¬<lb/>
ken, wie stark man sich am Vatikan fühlen und wie<lb/>
schwach man die am Arno halten muſs, daſs man ei¬<lb/>
ne solche Sprache wagt. Aber sie wissen, daſs sie mit<lb/>
dem Herrn in Paris zusammen gehen; das erklärt und<lb/>
rechtfertigt vielleicht ihre Kühnheit. Die gröſste An¬<lb/>
zahl seufzt hier nach der alten Regierung; Neuerungs¬<lb/>
süchtige hoffen auf Verbindung mit den Herren jen¬<lb/>
seit des Berges, oder gar mit den Franzosen; die jez¬<lb/>
zige Regierung hat den kleinsten Anhang. Der Kö¬<lb/>
nig ist nicht gemacht ihn zu vergröſsern: das hat man<lb/>
sehr wohl gewuſst, sonst hätte man ihn nicht zum<lb/>
Schattenspiel brauchen können. In der Stadt läuft die<lb/>
Anekdote sehr laut herum, daſs er in seinem Privat¬<lb/>
theater den Balordo vortrefflich macht, und niemand<lb/>
wundert sich darüber.</p><lb/><p>Es wurde hier von Meyers Nachrichten von Bo¬<lb/>
napartes Privatleben gesprochen; und Leclerk, der ihn<lb/>
doch wohl etwas näher kennen muſs, soll darüber<lb/>
ganz eigene Berichtigungen gemacht haben. Die Fein¬<lb/>
heit der Kardinäle zeigte sich vorzüglich in der Papst¬<lb/>
wahl. Pius der Siebente war als Bischof von Imola<lb/>
Bonapartes Gastfreund gewesen: auf diesen Umstand<lb/>
und den individuellen Charakter des korsischen Fran¬<lb/>
zosen lieſs sich schon etwas bauen. Du siehst es ist<lb/>
gegangen. In Imola kann man gut Maskerade spie¬<lb/>
len. Der Papst und seine Gesellen vergessen das Ge¬<lb/>
bot des heiligen Anchises noch nicht, das er seinem<lb/>
frommen Sohne beym Abschied aus der Hölle gab;<lb/>
und wo Ein Mittel nicht hilft, hilft das andere. In<lb/></p></div></body></text></TEI>
[388 /0416]
das durch den Willen des heiligen Vaters und das An¬
sehen der Kirche ipso jure null ist. Du kannst den¬
ken, wie stark man sich am Vatikan fühlen und wie
schwach man die am Arno halten muſs, daſs man ei¬
ne solche Sprache wagt. Aber sie wissen, daſs sie mit
dem Herrn in Paris zusammen gehen; das erklärt und
rechtfertigt vielleicht ihre Kühnheit. Die gröſste An¬
zahl seufzt hier nach der alten Regierung; Neuerungs¬
süchtige hoffen auf Verbindung mit den Herren jen¬
seit des Berges, oder gar mit den Franzosen; die jez¬
zige Regierung hat den kleinsten Anhang. Der Kö¬
nig ist nicht gemacht ihn zu vergröſsern: das hat man
sehr wohl gewuſst, sonst hätte man ihn nicht zum
Schattenspiel brauchen können. In der Stadt läuft die
Anekdote sehr laut herum, daſs er in seinem Privat¬
theater den Balordo vortrefflich macht, und niemand
wundert sich darüber.
Es wurde hier von Meyers Nachrichten von Bo¬
napartes Privatleben gesprochen; und Leclerk, der ihn
doch wohl etwas näher kennen muſs, soll darüber
ganz eigene Berichtigungen gemacht haben. Die Fein¬
heit der Kardinäle zeigte sich vorzüglich in der Papst¬
wahl. Pius der Siebente war als Bischof von Imola
Bonapartes Gastfreund gewesen: auf diesen Umstand
und den individuellen Charakter des korsischen Fran¬
zosen lieſs sich schon etwas bauen. Du siehst es ist
gegangen. In Imola kann man gut Maskerade spie¬
len. Der Papst und seine Gesellen vergessen das Ge¬
bot des heiligen Anchises noch nicht, das er seinem
frommen Sohne beym Abschied aus der Hölle gab;
und wo Ein Mittel nicht hilft, hilft das andere. In
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 388 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/416>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.