Heute will ich fröhlich fröhlich seyn, Keine Weise, keine Sitte hören; Will mich walzen und vor Freude schreyn: Und der König soll mir das nicht wehren.
So singt Asmus den ersten May in Wansbeck; so kann ich ja wohl vier Wochen früher den ersten April in Syrakus singen: so froh bin ich; ob ich gleich vor ei¬ nigen Stunden beynahe in dem Syrakasumpfe ersoffen oder erstickt wäre. Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Wenn man in Syrakus nicht weit von der Arethu¬ se sitzt und einem Freunde im Vaterlande schreibt, so stürmen die Gegenstände auf den Geist: vergieb mir also ein Bisschen Unordnung.
So wie ich zum Thore herein war und eine Stra¬ sse herauf schlenderte, -- wohlzumerken, mein Sack hielt keine grosse Peripherie, und ich konnte ihn mit seinem Inhalt leicht in den Taschen bergen -- so rief mir ein Mann aus einer Bude zu: Vous etes etran¬ ger, Monsieur, et Vous cherches une auberge? -- Vous l'aves touche, Monsieur! sagte ich. Aies la bonte d'en¬ trer un peu dans mon attelier; j'aurai l'honneur de Vous servir. Ich trat ein. Der Mann war ein Hutma¬ cher, Franzose von Geburt, und schon seit vielen Jah¬ ren ansässig in Syrakus. Er begleitete mich in ein ziemlich leidliches Wirthshaus, das auch Landolina nachher als das beste nannte. Die Nahrung, wenig¬
Syrakus.
Heute will ich fröhlich fröhlich seyn, Keine Weise, keine Sitte hören; Will mich walzen und vor Freude schreyn: Und der König soll mir das nicht wehren.
So singt Asmus den ersten May in Wansbeck; so kann ich ja wohl vier Wochen früher den ersten April in Syrakus singen: so froh bin ich; ob ich gleich vor ei¬ nigen Stunden beynahe in dem Syrakasumpfe ersoffen oder erstickt wäre. Wo fange ich an? Wo höre ich auf? Wenn man in Syrakus nicht weit von der Arethu¬ se sitzt und einem Freunde im Vaterlande schreibt, so stürmen die Gegenstände auf den Geist: vergieb mir also ein Biſschen Unordnung.
So wie ich zum Thore herein war und eine Stra¬ ſse herauf schlenderte, — wohlzumerken, mein Sack hielt keine groſse Peripherie, und ich konnte ihn mit seinem Inhalt leicht in den Taschen bergen — so rief mir ein Mann aus einer Bude zu: Vous etes etran¬ ger, Monsieur, et Vous cherchés une auberge? — Vous l'avés touché, Monsieur! sagte ich. Aiés la bonté d'en¬ trer un peu dans mon attelier; j'aurai l'honneur de Vous servir. Ich trat ein. Der Mann war ein Hutma¬ cher, Franzose von Geburt, und schon seit vielen Jah¬ ren ansäſsig in Syrakus. Er begleitete mich in ein ziemlich leidliches Wirthshaus, das auch Landolina nachher als das beste nannte. Die Nahrung, wenig¬
<TEI><text><body><pbfacs="#f0268"n="[242]"/><div><dateline><hirendition="#right"><hirendition="#g">Syrakus</hi>.</hi></dateline><lb/><lgtype="poem"><l>Heute will ich fröhlich fröhlich seyn,</l><lb/><l>Keine Weise, keine Sitte hören;</l><lb/><l>Will mich walzen und vor Freude schreyn:</l><lb/><l>Und der König soll mir das nicht wehren.</l><lb/></lg><p><hirendition="#in">S</hi>o singt Asmus den ersten May in Wansbeck; so kann<lb/>
ich ja wohl vier Wochen früher den ersten April in<lb/>
Syrakus singen: so froh bin ich; ob ich gleich vor ei¬<lb/>
nigen Stunden beynahe in dem Syrakasumpfe ersoffen<lb/>
oder erstickt wäre. Wo fange ich an? Wo höre ich<lb/>
auf? Wenn man in Syrakus nicht weit von der Arethu¬<lb/>
se sitzt und einem Freunde im Vaterlande schreibt, so<lb/>
stürmen die Gegenstände auf den Geist: vergieb mir<lb/>
also ein Biſschen Unordnung.</p><lb/><p>So wie ich zum Thore herein war und eine Stra¬<lb/>ſse herauf schlenderte, — wohlzumerken, mein Sack<lb/>
hielt keine groſse Peripherie, und ich konnte ihn mit<lb/>
seinem Inhalt leicht in den Taschen bergen — so rief<lb/>
mir ein Mann aus einer Bude zu: <hirendition="#i">Vous etes etran¬<lb/>
ger, Monsieur, et Vous cherchés une auberge</hi>? —<hirendition="#i">Vous<lb/>
l'avés touché, Monsieur!</hi> sagte ich. <hirendition="#i">Aiés la bonté d'en¬<lb/>
trer un peu dans mon attelier; j'aurai l'honneur de<lb/>
Vous servir</hi>. Ich trat ein. Der Mann war ein Hutma¬<lb/>
cher, Franzose von Geburt, und schon seit vielen Jah¬<lb/>
ren ansäſsig in Syrakus. Er begleitete mich in ein<lb/>
ziemlich leidliches Wirthshaus, das auch Landolina<lb/>
nachher als das beste nannte. Die Nahrung, wenig¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[242]/0268]
Syrakus.
Heute will ich fröhlich fröhlich seyn,
Keine Weise, keine Sitte hören;
Will mich walzen und vor Freude schreyn:
Und der König soll mir das nicht wehren.
So singt Asmus den ersten May in Wansbeck; so kann
ich ja wohl vier Wochen früher den ersten April in
Syrakus singen: so froh bin ich; ob ich gleich vor ei¬
nigen Stunden beynahe in dem Syrakasumpfe ersoffen
oder erstickt wäre. Wo fange ich an? Wo höre ich
auf? Wenn man in Syrakus nicht weit von der Arethu¬
se sitzt und einem Freunde im Vaterlande schreibt, so
stürmen die Gegenstände auf den Geist: vergieb mir
also ein Biſschen Unordnung.
So wie ich zum Thore herein war und eine Stra¬
ſse herauf schlenderte, — wohlzumerken, mein Sack
hielt keine groſse Peripherie, und ich konnte ihn mit
seinem Inhalt leicht in den Taschen bergen — so rief
mir ein Mann aus einer Bude zu: Vous etes etran¬
ger, Monsieur, et Vous cherchés une auberge? — Vous
l'avés touché, Monsieur! sagte ich. Aiés la bonté d'en¬
trer un peu dans mon attelier; j'aurai l'honneur de
Vous servir. Ich trat ein. Der Mann war ein Hutma¬
cher, Franzose von Geburt, und schon seit vielen Jah¬
ren ansäſsig in Syrakus. Er begleitete mich in ein
ziemlich leidliches Wirthshaus, das auch Landolina
nachher als das beste nannte. Die Nahrung, wenig¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. [242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/268>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.