das alte Falerii der Falisker, wo der Schurke von Schulmeister seine Zöglinge ins feindliche Lager spa¬ zieren führte und von Kamill so brav unter den Ru¬ thenstreichen der Jungen zurückgeschickt wurde. Es ist angenehm genug, nach einer eingebildeten mili¬ tärischen Topographie sich hier den wirklich schönen Zug als gegenwärtig vorzustellen. Die Lage entspricht ganz der Idee, welche die Geschichte davon giebt. Der Ort ist fast rund umher mit Felsen umgeben, die von Natur unzugänglich sind. Der Anblick flösste mir gleich Respekt ein, und ohne an Cluver zu den¬ ken, der, wie ich glaube, es ziemlich sicher erwie¬ sen hat, setzte ich sogleich eigenmächtig die alte Fe¬ stung hierher. Von Borghetto her führt eine alte Brücke über eine wilde romantische Felsenschlucht, und nach Nepi und Rom zu hat Pius der Sechste eine neue Brücke gebaut, welche das beste ist, was ich noch von ihm gesehen habe. Es ist übrigens gar er¬ baulich, in welchem pompösen Stil diese Dinge in Aufschriften erzählt werden: solche ampullae et ses¬ quipedalia verba scheinen recht in der Seele der heu¬ tigen Römlinge zu liegen. Die alten Römer thaten und liessen reden, und diese reden und lassen thun. Ich habe auf meinem Wege von Ankona hierher viele erhabene Bogen gefunden, welche in einer angeschwol¬ lenen Sprache weiter nichts sagten, als dass Pius der Sechste hier gewesen war und vielleicht ein Frühstück eingenommen hatte. Diese Bogenspanner verdienten einen solchen Herrscher. Von Civita Castellana aus trennt sich die Strasse; die alte flaminische geht über Rignano, Malborghetto und Primaporta nach der
das alte Falerii der Falisker, wo der Schurke von Schulmeister seine Zöglinge ins feindliche Lager spa¬ zieren führte und von Kamill so brav unter den Ru¬ thenstreichen der Jungen zurückgeschickt wurde. Es ist angenehm genug, nach einer eingebildeten mili¬ tärischen Topographie sich hier den wirklich schönen Zug als gegenwärtig vorzustellen. Die Lage entspricht ganz der Idee, welche die Geschichte davon giebt. Der Ort ist fast rund umher mit Felsen umgeben, die von Natur unzugänglich sind. Der Anblick flöſste mir gleich Respekt ein, und ohne an Cluver zu den¬ ken, der, wie ich glaube, es ziemlich sicher erwie¬ sen hat, setzte ich sogleich eigenmächtig die alte Fe¬ stung hierher. Von Borghetto her führt eine alte Brücke über eine wilde romantische Felsenschlucht, und nach Nepi und Rom zu hat Pius der Sechste eine neue Brücke gebaut, welche das beste ist, was ich noch von ihm gesehen habe. Es ist übrigens gar er¬ baulich, in welchem pompösen Stil diese Dinge in Aufschriften erzählt werden: solche ampullae et ses¬ quipedalia verba scheinen recht in der Seele der heu¬ tigen Römlinge zu liegen. Die alten Römer thaten und lieſsen reden, und diese reden und lassen thun. Ich habe auf meinem Wege von Ankona hierher viele erhabene Bogen gefunden, welche in einer angeschwol¬ lenen Sprache weiter nichts sagten, als daſs Pius der Sechste hier gewesen war und vielleicht ein Frühstück eingenommen hatte. Diese Bogenspanner verdienten einen solchen Herrscher. Von Civita Castellana aus trennt sich die Straſse; die alte flaminische geht über Rignano, Malborghetto und Primaporta nach der
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das alte Falerii der Falisker, wo der Schurke von
Schulmeister seine Zöglinge ins feindliche Lager spa¬
zieren führte und von Kamill so brav unter den Ru¬
thenstreichen der Jungen zurückgeschickt wurde. Es
ist angenehm genug, nach einer eingebildeten mili¬
tärischen Topographie sich hier den wirklich schönen
Zug als gegenwärtig vorzustellen. Die Lage entspricht
ganz der Idee, welche die Geschichte davon giebt.
Der Ort ist fast rund umher mit Felsen umgeben,
die von Natur unzugänglich sind. Der Anblick flöſste
mir gleich Respekt ein, und ohne an Cluver zu den¬
ken, der, wie ich glaube, es ziemlich sicher erwie¬
sen hat, setzte ich sogleich eigenmächtig die alte Fe¬
stung hierher. Von Borghetto her führt eine alte
Brücke über eine wilde romantische Felsenschlucht,
und nach Nepi und Rom zu hat Pius der Sechste eine
neue Brücke gebaut, welche das beste ist, was ich
noch von ihm gesehen habe. Es ist übrigens gar er¬
baulich, in welchem pompösen Stil diese Dinge in
Aufschriften erzählt werden: solche ampullae et ses¬
quipedalia verba scheinen recht in der Seele der heu¬
tigen Römlinge zu liegen. Die alten Römer thaten
und lieſsen reden, und diese reden und lassen thun.
Ich habe auf meinem Wege von Ankona hierher viele
erhabene Bogen gefunden, welche in einer angeschwol¬
lenen Sprache weiter nichts sagten, als daſs Pius der
Sechste hier gewesen war und vielleicht ein Frühstück
eingenommen hatte. Diese Bogenspanner verdienten
einen solchen Herrscher. Von Civita Castellana aus
trennt sich die Straſse; die alte flaminische geht über
Rignano, Malborghetto und Primaporta nach der
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/180>, abgerufen am 29.11.2024.
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