Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

Zunächst ist es falsch, wenn Häckel die negerartigen Bewohner der Philippinen und andrer Inseln des hinterindischen Gebietes in eine Gruppe der glatthaarigen Neger, also in dieselbe Categorie mit den Bewohnern Australien's stellt, aber von den kraushaarigen Papuas abtrennt. Es scheint dieser Irrthum--der sich übrigens schon früher in dem populären Werke von Dr. Friedrich Rolle "der Mensch, seine Abstammung und Gesittung im Licht der Darwin'schen Lehre, Frankfurt 1866", pag. 238 findet--durch einen in Prichard's Werk Bd. 4 pag. 231 übersetzten Bericht des Bernardo de la Fuente entstanden zu sein. Dieser spricht sowohl von kraushaarigen, als von glatthaarigen Negern Luzon's. Nun sind aber die als Agta oder Negrito's bezeichneten Neger der Philippinen ausnahmslos kraushaarig, wie die älteren spanischen Autoren sehr wohl wissen. Ich selbst kenne sie aus eigner Anschauung von verschiedenen Orten. Es kann also über die Anwesenheit solcher kraushaariger Neger kein Zweifel bestehen, und ich kann hinzusetzen, dass sie in Lebensweise, Sitten und physischem Verhalten sich den echten Papua's entschieden nähern.

Was nun die andern von de la Fuente erwähnten Neger mit vollkommen schwarzen langen Haaren betrifft, so ist sein Zusatz, "man halte sie für Abkömmlinge der Malabaren" (Prichard Bd. 4) völlig genügend, um ihnen das Bürgerrecht unter den echten Negern, selbst unter den Verwandten der Australneger, völlig zu nehmen; ausserdem aber sagt Prichard, man bezeichne die Neger auch als "Igalotes". Dies mag von Prichard aus einem alten spanischen Buche oder aus de la Fuente richtig citirt sein, ist aber nichtsdestoweniger vollkommen falsch, denn die Igolotes oder Igorrotes haben nichts von Negern, sondern sind dunkelbraune Stämme des Nordwestens von Luzon, die entschieden malaiischen Ursprunges sind. Nun gibt es aber freilich einige Stämme in Luzon und Mindanao, welche dunkler als die olivenfarbigen Malaien sind und häufig neben dem hohen Schädel und dem runden Gesicht des dortigen Negers braunschwarze glatte Haare besitzen, aber dies sind entschiedene Mischlingsracen zwischen den Malaien und den eigentlichen kraushaarigen Negritos. Man trifft unter ihnen sowohl kraushaarige Individuen mit malaiischem Typus des Kopfes und der Gesichtsfarbe, wie auch dunkelbraune negerartig aussehende mit glattem, bald duffem, braunschwarzem, bald glänzend schwarzem Haar. Sie stehen ausnahmslos mit den umwohnenden christlichen oder heidnischen Malaien im Verkehr. So erzählten mir die Mamanua's, eine dieser Mischlingsracen, an der Nordküste von Mindanao, nicht weit von Butuan, dass sie sich selbst noch mit den Christen dort verheirathen, welche letzteren dann immer zu ihnen kommen und die gleiche unstäte Lebensweise annehmen.

Ein andrer in Pangasinan in der Centralebene Luzon's lebender Stamm wird von dem Padre Mozo (Misiones de Philipinas 1763 pag. 101) als Negerstamm beschrieben, aber blos der dunklen Hautfarbe wegen: dieser nennt sich "Baluga" d. h. nach der Bedeutung des Wortes im Tagalischen "mestizo

Zunächst ist es falsch, wenn Häckel die negerartigen Bewohner der Philippinen und andrer Inseln des hinterindischen Gebietes in eine Gruppe der glatthaarigen Neger, also in dieselbe Categorie mit den Bewohnern Australien’s stellt, aber von den kraushaarigen Papuas abtrennt. Es scheint dieser Irrthum—der sich übrigens schon früher in dem populären Werke von Dr. Friedrich Rolle »der Mensch, seine Abstammung und Gesittung im Licht der Darwin’schen Lehre, Frankfurt 1866«, pag. 238 findet—durch einen in Prichard’s Werk Bd. 4 pag. 231 übersetzten Bericht des Bernardo de la Fuente entstanden zu sein. Dieser spricht sowohl von kraushaarigen, als von glatthaarigen Negern Luzon’s. Nun sind aber die als Agta oder Negrito’s bezeichneten Neger der Philippinen ausnahmslos kraushaarig, wie die älteren spanischen Autoren sehr wohl wissen. Ich selbst kenne sie aus eigner Anschauung von verschiedenen Orten. Es kann also über die Anwesenheit solcher kraushaariger Neger kein Zweifel bestehen, und ich kann hinzusetzen, dass sie in Lebensweise, Sitten und physischem Verhalten sich den echten Papua’s entschieden nähern.

Was nun die andern von de la Fuente erwähnten Neger mit vollkommen schwarzen langen Haaren betrifft, so ist sein Zusatz, “man halte sie für Abkömmlinge der Malabaren” (Prichard Bd. 4) völlig genügend, um ihnen das Bürgerrecht unter den echten Negern, selbst unter den Verwandten der Australneger, völlig zu nehmen; ausserdem aber sagt Prichard, man bezeichne die Neger auch als “Igalotes”. Dies mag von Prichard aus einem alten spanischen Buche oder aus de la Fuente richtig citirt sein, ist aber nichtsdestoweniger vollkommen falsch, denn die Igolotes oder Igorrotes haben nichts von Negern, sondern sind dunkelbraune Stämme des Nordwestens von Luzon, die entschieden malaiischen Ursprunges sind. Nun gibt es aber freilich einige Stämme in Luzon und Mindanao, welche dunkler als die olivenfarbigen Malaien sind und häufig neben dem hohen Schädel und dem runden Gesicht des dortigen Negers braunschwarze glatte Haare besitzen, aber dies sind entschiedene Mischlingsracen zwischen den Malaien und den eigentlichen kraushaarigen Negritos. Man trifft unter ihnen sowohl kraushaarige Individuen mit malaiischem Typus des Kopfes und der Gesichtsfarbe, wie auch dunkelbraune negerartig aussehende mit glattem, bald duffem, braunschwarzem, bald glänzend schwarzem Haar. Sie stehen ausnahmslos mit den umwohnenden christlichen oder heidnischen Malaien im Verkehr. So erzählten mir die Mamanua’s, eine dieser Mischlingsracen, an der Nordküste von Mindanao, nicht weit von Butuan, dass sie sich selbst noch mit den Christen dort verheirathen, welche letzteren dann immer zu ihnen kommen und die gleiche unstäte Lebensweise annehmen.

Ein andrer in Pangasinan in der Centralebene Luzon’s lebender Stamm wird von dem Padre Mozo (Misiones de Philipinas 1763 pag. 101) als Negerstamm beschrieben, aber blos der dunklen Hautfarbe wegen: dieser nennt sich “Baluga” d. h. nach der Bedeutung des Wortes im Tagalischen “mestizo

<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p xml:id="n4.2">
            <pb facs="#f0139" n="139"/>
          </p>
          <p>Zunächst ist es falsch, wenn Häckel die negerartigen Bewohner der
                         Philippinen und andrer Inseln des hinterindischen Gebietes in eine Gruppe
                         der glatthaarigen Neger, also in dieselbe Categorie mit den Bewohnern
                         Australien&#x2019;s stellt, aber von den kraushaarigen Papuas abtrennt. Es
                         scheint dieser Irrthum&#x2014;der sich übrigens schon früher in dem
                         populären Werke von Dr. Friedrich Rolle »der Mensch, seine
                         Abstammung und Gesittung im Licht der Darwin&#x2019;schen Lehre, Frankfurt
                         1866«, pag. 238 findet&#x2014;durch einen in Prichard&#x2019;s Werk Bd. 4
                         pag. 231 übersetzten Bericht des Bernardo de la Fuente entstanden zu
                         sein. Dieser spricht sowohl von kraushaarigen, als von glatthaarigen Negern
                         Luzon&#x2019;s. Nun sind aber die als Agta oder Negrito&#x2019;s bezeichneten
                         Neger der Philippinen ausnahmslos kraushaarig, wie die älteren
                         spanischen Autoren sehr wohl wissen. Ich selbst kenne sie aus eigner
                         Anschauung von verschiedenen Orten. Es kann also über die Anwesenheit
                         solcher kraushaariger Neger kein Zweifel bestehen, und ich kann hinzusetzen,
                         dass sie in Lebensweise, Sitten und physischem Verhalten sich den echten
                         Papua&#x2019;s entschieden nähern. </p>
          <p>Was nun die andern von de la Fuente erwähnten Neger mit vollkommen
                         schwarzen langen Haaren betrifft, so ist sein Zusatz, &#x201C;man halte sie
                         für Abkömmlinge der Malabaren&#x201D; (Prichard Bd. 4) völlig
                         genügend, um ihnen das Bürgerrecht unter den echten Negern, selbst
                         unter den Verwandten der Australneger, völlig zu nehmen; ausserdem aber
                         sagt Prichard, man bezeichne die Neger auch als &#x201C;Igalotes&#x201D;. Dies
                         mag von Prichard aus einem alten spanischen Buche oder aus de la Fuente
                         richtig citirt sein, ist aber nichtsdestoweniger vollkommen falsch, denn die
                         Igolotes oder Igorrotes haben nichts von Negern, sondern sind dunkelbraune
                         Stämme des Nordwestens von Luzon, die entschieden malaiischen
                         Ursprunges sind. Nun gibt es aber freilich einige Stämme in Luzon und
                         Mindanao, welche dunkler als die olivenfarbigen Malaien sind und häufig
                         neben dem hohen Schädel und dem runden Gesicht des dortigen Negers
                         braunschwarze glatte Haare besitzen, aber dies sind entschiedene
                         Mischlingsracen zwischen den Malaien und den eigentlichen kraushaarigen
                         Negritos. Man trifft unter ihnen sowohl kraushaarige Individuen mit
                         malaiischem Typus des Kopfes und der Gesichtsfarbe, wie auch dunkelbraune
                         negerartig aussehende mit glattem, bald duffem, braunschwarzem, bald
                         glänzend schwarzem Haar. Sie stehen ausnahmslos mit den umwohnenden
                         christlichen oder heidnischen Malaien im Verkehr. So erzählten mir die
                         Mamanua&#x2019;s, eine dieser Mischlingsracen, an der Nordküste von
                         Mindanao, nicht weit von Butuan, dass sie sich selbst noch mit den Christen
                         dort verheirathen, welche letzteren dann immer zu ihnen kommen und die
                         gleiche unstäte Lebensweise annehmen. </p>
          <p>Ein andrer in Pangasinan in der Centralebene Luzon&#x2019;s lebender Stamm
                         wird von dem Padre Mozo (Misiones de Philipinas 1763 pag. 101) als
                         Negerstamm beschrieben, aber blos der dunklen Hautfarbe wegen: dieser nennt
                         sich &#x201C;Baluga&#x201D; d. h. nach der Bedeutung des Wortes im Tagalischen
                         &#x201C;mestizo
</p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[139/0139] Zunächst ist es falsch, wenn Häckel die negerartigen Bewohner der Philippinen und andrer Inseln des hinterindischen Gebietes in eine Gruppe der glatthaarigen Neger, also in dieselbe Categorie mit den Bewohnern Australien’s stellt, aber von den kraushaarigen Papuas abtrennt. Es scheint dieser Irrthum—der sich übrigens schon früher in dem populären Werke von Dr. Friedrich Rolle »der Mensch, seine Abstammung und Gesittung im Licht der Darwin’schen Lehre, Frankfurt 1866«, pag. 238 findet—durch einen in Prichard’s Werk Bd. 4 pag. 231 übersetzten Bericht des Bernardo de la Fuente entstanden zu sein. Dieser spricht sowohl von kraushaarigen, als von glatthaarigen Negern Luzon’s. Nun sind aber die als Agta oder Negrito’s bezeichneten Neger der Philippinen ausnahmslos kraushaarig, wie die älteren spanischen Autoren sehr wohl wissen. Ich selbst kenne sie aus eigner Anschauung von verschiedenen Orten. Es kann also über die Anwesenheit solcher kraushaariger Neger kein Zweifel bestehen, und ich kann hinzusetzen, dass sie in Lebensweise, Sitten und physischem Verhalten sich den echten Papua’s entschieden nähern. Was nun die andern von de la Fuente erwähnten Neger mit vollkommen schwarzen langen Haaren betrifft, so ist sein Zusatz, “man halte sie für Abkömmlinge der Malabaren” (Prichard Bd. 4) völlig genügend, um ihnen das Bürgerrecht unter den echten Negern, selbst unter den Verwandten der Australneger, völlig zu nehmen; ausserdem aber sagt Prichard, man bezeichne die Neger auch als “Igalotes”. Dies mag von Prichard aus einem alten spanischen Buche oder aus de la Fuente richtig citirt sein, ist aber nichtsdestoweniger vollkommen falsch, denn die Igolotes oder Igorrotes haben nichts von Negern, sondern sind dunkelbraune Stämme des Nordwestens von Luzon, die entschieden malaiischen Ursprunges sind. Nun gibt es aber freilich einige Stämme in Luzon und Mindanao, welche dunkler als die olivenfarbigen Malaien sind und häufig neben dem hohen Schädel und dem runden Gesicht des dortigen Negers braunschwarze glatte Haare besitzen, aber dies sind entschiedene Mischlingsracen zwischen den Malaien und den eigentlichen kraushaarigen Negritos. Man trifft unter ihnen sowohl kraushaarige Individuen mit malaiischem Typus des Kopfes und der Gesichtsfarbe, wie auch dunkelbraune negerartig aussehende mit glattem, bald duffem, braunschwarzem, bald glänzend schwarzem Haar. Sie stehen ausnahmslos mit den umwohnenden christlichen oder heidnischen Malaien im Verkehr. So erzählten mir die Mamanua’s, eine dieser Mischlingsracen, an der Nordküste von Mindanao, nicht weit von Butuan, dass sie sich selbst noch mit den Christen dort verheirathen, welche letzteren dann immer zu ihnen kommen und die gleiche unstäte Lebensweise annehmen. Ein andrer in Pangasinan in der Centralebene Luzon’s lebender Stamm wird von dem Padre Mozo (Misiones de Philipinas 1763 pag. 101) als Negerstamm beschrieben, aber blos der dunklen Hautfarbe wegen: dieser nennt sich “Baluga” d. h. nach der Bedeutung des Wortes im Tagalischen “mestizo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription enspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/139
Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/139>, abgerufen am 23.11.2024.