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Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

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einen inneren von Mangrove-Büschen bewachsenen Raum führt, welcher bei Fluth völlig vom Wasser bedeckt, bei Ebbe grösstentheils trocken gelegt wird. In den stehenbleibenden Lachen leben schwächlich einige Astraeenknollen. Eine ähnliche Bildung zeigt die Insel S. Cruz vor Zamboanga. Wie verschieden das Wachsthum der Korallenknoten ist, je nachdem ein Strom trüben oder klaren, salzigen oder brackigen, in der einen oder andern Richtung fliessenden Wassers sie trifft, konnte ich mit wenig Mühe in der Silangan de Basilan erkennen. Hier sind die beiden Seiten des Canals, welcher die Insel Malaunavi von Basilan trennt, ganz von üppig lebenden Korallen bewachsen; aber der heftige Strom, welcher sowohl bei Ebbe als bei Fluth immer von Ost nach West geht, bedingt durch die eigenthümlichen topographischen Verhältnisse, verhindert das Wachsthum der Korallen nach aussen, und zwingt sie, statt in die Breite sich nur in die Länge nach oben auszudehnen. So sind die Wände des Canals vollkommen senkrecht. Dort, wo sich durch die Gegenströmungen des austretenden Baches von Isabela Wirbel und Stillen bilden, häuft sich Sand und Schlamm an, auf dem ziemlich zahlreiche isolirte Korallenknollen wachsen, die aber statt in die Höhe sich mehr in die Breite ausdehnen. Am Westende des Canals theilt eine kleine Insel die Strömung in zwei Arme. An der Spitze der Insel, welche diese Theilung bewirkt, finden sich üppig vegetirende Korallen, welchen das hier ruhige Wasser Wachsthum, sowie in die Breite auch in die Höhe erlaubt; aber dort wo beiderseits die Ströme die Insel tangiren, wachsen die Korallen wie vorher in die Höhe, ohne sich in die Breite auszudehnen."

Späterer Zusatz. Eine grosse Schwierigkeit für alle früheren Theorien über Bildung der Korallen war die Unmöglichkeit zu erklären, wie sie aus den grossen Tiefen der tropischen Meere heraufbauen konnten. Diese schien durch Darwin's Ansicht gehoben zu sein, da die Tiefe, welche die Koralleninseln umgibt, erst ein Product der Senkung sein sollte. Nach meiner Ansicht würde sie dagegen wieder in ihr Recht eintreten--wenn nicht seitdem andere Beobachtungen über das Leben der Thiere in grossen Tiefen hinzugekommen wären. Ich erinnere hier nur an die Entdeckungen der Neuzeit durch das Schleppnetz in den nordischen Meeren, an des jüngeren M. Edwards Angaben über Thiere im Mittelmeere, an die Mittheilungen von Carpenter, Pourtales etc. Hier kommen mir für meine Meinung hauptsächlich des Letzteren Beobachtungen erwünscht, weil er nachwies, dass weit ab von den Florida-Riffen eine Zone mit der Tiefe von 90-300 Faden gefunden wird, in welcher zahllose Massen von Korallen und Schalentrümmern zu einem Kalkconglomerat verbunden werden, welches dem der gehobenen Florida-Riffe sehr ähnlich sieht, und bei fortgesetzter Hebung jener Gegenden einen trefflichen Boden für die Ansiedlung der eigentlich riffbildenden Madreporen und Milleporen abgeben kann. Auf das Factum, dass letztere nur in geringen Tiefen leben, ist absolut kein Gewicht zu legen; denn es kommt eben nur darauf an, dass in der Zone, in welcher sie leben, ein hinreichend fester Boden

einen inneren von Mangrove-Büschen bewachsenen Raum führt, welcher bei Fluth völlig vom Wasser bedeckt, bei Ebbe grösstentheils trocken gelegt wird. In den stehenbleibenden Lachen leben schwächlich einige Astraeenknollen. Eine ähnliche Bildung zeigt die Insel S. Cruz vor Zamboanga. Wie verschieden das Wachsthum der Korallenknoten ist, je nachdem ein Strom trüben oder klaren, salzigen oder brackigen, in der einen oder andern Richtung fliessenden Wassers sie trifft, konnte ich mit wenig Mühe in der Silangan de Basilan erkennen. Hier sind die beiden Seiten des Canals, welcher die Insel Malaunavi von Basilan trennt, ganz von üppig lebenden Korallen bewachsen; aber der heftige Strom, welcher sowohl bei Ebbe als bei Fluth immer von Ost nach West geht, bedingt durch die eigenthümlichen topographischen Verhältnisse, verhindert das Wachsthum der Korallen nach aussen, und zwingt sie, statt in die Breite sich nur in die Länge nach oben auszudehnen. So sind die Wände des Canals vollkommen senkrecht. Dort, wo sich durch die Gegenströmungen des austretenden Baches von Isabela Wirbel und Stillen bilden, häuft sich Sand und Schlamm an, auf dem ziemlich zahlreiche isolirte Korallenknollen wachsen, die aber statt in die Höhe sich mehr in die Breite ausdehnen. Am Westende des Canals theilt eine kleine Insel die Strömung in zwei Arme. An der Spitze der Insel, welche diese Theilung bewirkt, finden sich üppig vegetirende Korallen, welchen das hier ruhige Wasser Wachsthum, sowie in die Breite auch in die Höhe erlaubt; aber dort wo beiderseits die Ströme die Insel tangiren, wachsen die Korallen wie vorher in die Höhe, ohne sich in die Breite auszudehnen.”

Späterer Zusatz. Eine grosse Schwierigkeit für alle früheren Theorien über Bildung der Korallen war die Unmöglichkeit zu erklären, wie sie aus den grossen Tiefen der tropischen Meere heraufbauen konnten. Diese schien durch Darwin’s Ansicht gehoben zu sein, da die Tiefe, welche die Koralleninseln umgibt, erst ein Product der Senkung sein sollte. Nach meiner Ansicht würde sie dagegen wieder in ihr Recht eintreten—wenn nicht seitdem andere Beobachtungen über das Leben der Thiere in grossen Tiefen hinzugekommen wären. Ich erinnere hier nur an die Entdeckungen der Neuzeit durch das Schleppnetz in den nordischen Meeren, an des jüngeren M. Edwards Angaben über Thiere im Mittelmeere, an die Mittheilungen von Carpenter, Pourtales etc. Hier kommen mir für meine Meinung hauptsächlich des Letzteren Beobachtungen erwünscht, weil er nachwies, dass weit ab von den Florida-Riffen eine Zone mit der Tiefe von 90–300 Faden gefunden wird, in welcher zahllose Massen von Korallen und Schalentrümmern zu einem Kalkconglomerat verbunden werden, welches dem der gehobenen Florida-Riffe sehr ähnlich sieht, und bei fortgesetzter Hebung jener Gegenden einen trefflichen Boden für die Ansiedlung der eigentlich riffbildenden Madreporen und Milleporen abgeben kann. Auf das Factum, dass letztere nur in geringen Tiefen leben, ist absolut kein Gewicht zu legen; denn es kommt eben nur darauf an, dass in der Zone, in welcher sie leben, ein hinreichend fester Boden

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                         ein Strom trüben oder klaren, salzigen oder brackigen, in der einen
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                         Mühe in der Silangan de Basilan erkennen. Hier sind die beiden Seiten
                         des Canals, welcher die Insel Malaunavi von Basilan trennt, ganz von
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                         nur in die Länge nach oben auszudehnen. So sind die Wände des
                         Canals vollkommen senkrecht. Dort, wo sich durch die Gegenströmungen
                         des austretenden Baches von Isabela Wirbel und Stillen bilden, häuft
                         sich Sand und Schlamm an, auf dem ziemlich zahlreiche isolirte
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                         Breite ausdehnen. Am Westende des Canals theilt eine kleine Insel die
                         Strömung in zwei Arme. An der Spitze der Insel, welche diese Theilung
                         bewirkt, finden sich üppig vegetirende Korallen, welchen das hier
                         ruhige Wasser Wachsthum, sowie in die Breite auch in die Höhe erlaubt;
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                         Unmöglichkeit zu erklären, wie sie aus den grossen Tiefen der
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[111/0111] einen inneren von Mangrove-Büschen bewachsenen Raum führt, welcher bei Fluth völlig vom Wasser bedeckt, bei Ebbe grösstentheils trocken gelegt wird. In den stehenbleibenden Lachen leben schwächlich einige Astraeenknollen. Eine ähnliche Bildung zeigt die Insel S. Cruz vor Zamboanga. Wie verschieden das Wachsthum der Korallenknoten ist, je nachdem ein Strom trüben oder klaren, salzigen oder brackigen, in der einen oder andern Richtung fliessenden Wassers sie trifft, konnte ich mit wenig Mühe in der Silangan de Basilan erkennen. Hier sind die beiden Seiten des Canals, welcher die Insel Malaunavi von Basilan trennt, ganz von üppig lebenden Korallen bewachsen; aber der heftige Strom, welcher sowohl bei Ebbe als bei Fluth immer von Ost nach West geht, bedingt durch die eigenthümlichen topographischen Verhältnisse, verhindert das Wachsthum der Korallen nach aussen, und zwingt sie, statt in die Breite sich nur in die Länge nach oben auszudehnen. So sind die Wände des Canals vollkommen senkrecht. Dort, wo sich durch die Gegenströmungen des austretenden Baches von Isabela Wirbel und Stillen bilden, häuft sich Sand und Schlamm an, auf dem ziemlich zahlreiche isolirte Korallenknollen wachsen, die aber statt in die Höhe sich mehr in die Breite ausdehnen. Am Westende des Canals theilt eine kleine Insel die Strömung in zwei Arme. An der Spitze der Insel, welche diese Theilung bewirkt, finden sich üppig vegetirende Korallen, welchen das hier ruhige Wasser Wachsthum, sowie in die Breite auch in die Höhe erlaubt; aber dort wo beiderseits die Ströme die Insel tangiren, wachsen die Korallen wie vorher in die Höhe, ohne sich in die Breite auszudehnen.” Späterer Zusatz. Eine grosse Schwierigkeit für alle früheren Theorien über Bildung der Korallen war die Unmöglichkeit zu erklären, wie sie aus den grossen Tiefen der tropischen Meere heraufbauen konnten. Diese schien durch Darwin’s Ansicht gehoben zu sein, da die Tiefe, welche die Koralleninseln umgibt, erst ein Product der Senkung sein sollte. Nach meiner Ansicht würde sie dagegen wieder in ihr Recht eintreten—wenn nicht seitdem andere Beobachtungen über das Leben der Thiere in grossen Tiefen hinzugekommen wären. Ich erinnere hier nur an die Entdeckungen der Neuzeit durch das Schleppnetz in den nordischen Meeren, an des jüngeren M. Edwards Angaben über Thiere im Mittelmeere, an die Mittheilungen von Carpenter, Pourtales etc. Hier kommen mir für meine Meinung hauptsächlich des Letzteren Beobachtungen erwünscht, weil er nachwies, dass weit ab von den Florida-Riffen eine Zone mit der Tiefe von 90–300 Faden gefunden wird, in welcher zahllose Massen von Korallen und Schalentrümmern zu einem Kalkconglomerat verbunden werden, welches dem der gehobenen Florida-Riffe sehr ähnlich sieht, und bei fortgesetzter Hebung jener Gegenden einen trefflichen Boden für die Ansiedlung der eigentlich riffbildenden Madreporen und Milleporen abgeben kann. Auf das Factum, dass letztere nur in geringen Tiefen leben, ist absolut kein Gewicht zu legen; denn es kommt eben nur darauf an, dass in der Zone, in welcher sie leben, ein hinreichend fester Boden

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Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/111>, abgerufen am 05.05.2024.