Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869.

Bild:
<< vorherige Seite

gewesen sein, als das Hindrängen der östlichen Riffe an die Inseln: und wie hier die zurückdrängende Wirkung des Seeganges das Aussenriff immer der Küste dicht folgen lässt, und seine Neigung nach aussen sanfter macht, als die der westlichen Seite, so muss das westliche Riff so ziemlich immer die Ausdehnung des früher bestandenen Landes oder des untermeerischen Rückens bezeichnen.

Hiermit soll indess keineswegs die Möglichkeit geläugnet werden, dass manche Atolle oder Barrenriffe sich bildeten zur Zeit, als die untermeerische Höhe, auf der sie standen, sich senkte; oder dass selbst in manchen Fällen die Senkung wirklich den Anstoss zur Bildung derselben abgab. So würde z. B. die Insel Ngaur sich senken müssen, ehe sich um sie herum ein Barrenriff bildete. Zur Entscheidung der Frage kommt es also zunächst auf das möglichst genaue Studium aller einzelnen Fälle an. Schwieriger, als bei Barrenriffen, wo die ihre Form bedingenden Ursachen dem Forscher noch zugänglich sind, ist die Untersuchung, welche jener Ursachen wirksam waren, bei Atollen, und hier dürfte die Entscheidung wohl nur durch die grössere Natürlichkeit herbeigeführt werden, welche die eine oder die andere Annahme zu besitzen schiene. Subjectiver Auffassung ist hier ein reiches Feld geöffnet; denn selbst in solchen Fällen, wo, wie in der grossen Chagos-Bank, eine Senkung neuerdings stattgefunden haben muss, bleibt dennoch die Frage offen, ob der Bildung der lebenden Bank ebenfalls eine Senkung zu Grunde lag. Die Annahme aber, dass nur oder hauptsächlich das wechselnde Spiel der Strömungen bei der Bildung der Korallenriffe wirksam sei, könnte manche Fälle erklären, die für die Senkungstheorie jetzt noch eine Ausnahme bilden. Ich meine das Vorkommen von ächten Atollen in Erhebungsflächen (areas of elevation), von den mir näher liegenden erwähne ich nur das Bajo de Apo an der Westküste von Mindoro, dann die Islas Amantes und die Islas Cagayan cillos, welche nach den mir vorliegenden Plänen echte Atolle zu sein scheinen. Die West- und Nordküste von Bohol sind von weit abstehenden Riffen umsäumt, welche mannigfach durch kleine Canäle durchbrochen, vom Lande durch einen Tiefwassercanal getrennt sind, in welchem selbst ziemlich grosse Schiffe sich dicht dem Lande nähern können. Alle diese Punkte liegen eingeschlossen in dem jetzt in Hebung begriffenen Archipel der Philippinen. Hier würde die Annahme, dass Strömungen sie gebildet, nicht derselben Schwierigkeit unterliegen, wie die Voraussetzung einer Senkung; und in der That sind auch an andern Stellen dieses Archipels Fälle nicht selten, in welchen die Bildung von Atoll-geformten Riffen oder solchen, die mit der Zeit dazu werden können, deutlich auf die Einwirkung constanter Strömung zurückgeführt werden kann.

Die Insel Tigtauan, in zwei Meilen Entfernung von der Ostküste der Südwestspitze von Mindanao liegend, zeigt an ihrer Westseite, auf welche der Fluss von Masinloc zuströmt, einen schmalen Canal, welcher den höheren Rand der niedrigen, ganz aus Korallen bestehenden Insel durchbricht und in

gewesen sein, als das Hindrängen der östlichen Riffe an die Inseln: und wie hier die zurückdrängende Wirkung des Seeganges das Aussenriff immer der Küste dicht folgen lässt, und seine Neigung nach aussen sanfter macht, als die der westlichen Seite, so muss das westliche Riff so ziemlich immer die Ausdehnung des früher bestandenen Landes oder des untermeerischen Rückens bezeichnen.

Hiermit soll indess keineswegs die Möglichkeit geläugnet werden, dass manche Atolle oder Barrenriffe sich bildeten zur Zeit, als die untermeerische Höhe, auf der sie standen, sich senkte; oder dass selbst in manchen Fällen die Senkung wirklich den Anstoss zur Bildung derselben abgab. So würde z. B. die Insel Ngaur sich senken müssen, ehe sich um sie herum ein Barrenriff bildete. Zur Entscheidung der Frage kommt es also zunächst auf das möglichst genaue Studium aller einzelnen Fälle an. Schwieriger, als bei Barrenriffen, wo die ihre Form bedingenden Ursachen dem Forscher noch zugänglich sind, ist die Untersuchung, welche jener Ursachen wirksam waren, bei Atollen, und hier dürfte die Entscheidung wohl nur durch die grössere Natürlichkeit herbeigeführt werden, welche die eine oder die andere Annahme zu besitzen schiene. Subjectiver Auffassung ist hier ein reiches Feld geöffnet; denn selbst in solchen Fällen, wo, wie in der grossen Chagos-Bank, eine Senkung neuerdings stattgefunden haben muss, bleibt dennoch die Frage offen, ob der Bildung der lebenden Bank ebenfalls eine Senkung zu Grunde lag. Die Annahme aber, dass nur oder hauptsächlich das wechselnde Spiel der Strömungen bei der Bildung der Korallenriffe wirksam sei, könnte manche Fälle erklären, die für die Senkungstheorie jetzt noch eine Ausnahme bilden. Ich meine das Vorkommen von ächten Atollen in Erhebungsflächen (areas of elevation), von den mir näher liegenden erwähne ich nur das Bajo de Apo an der Westküste von Mindoro, dann die Islas Amantes und die Islas Cagayan cillos, welche nach den mir vorliegenden Plänen echte Atolle zu sein scheinen. Die West- und Nordküste von Bohol sind von weit abstehenden Riffen umsäumt, welche mannigfach durch kleine Canäle durchbrochen, vom Lande durch einen Tiefwassercanal getrennt sind, in welchem selbst ziemlich grosse Schiffe sich dicht dem Lande nähern können. Alle diese Punkte liegen eingeschlossen in dem jetzt in Hebung begriffenen Archipel der Philippinen. Hier würde die Annahme, dass Strömungen sie gebildet, nicht derselben Schwierigkeit unterliegen, wie die Voraussetzung einer Senkung; und in der That sind auch an andern Stellen dieses Archipels Fälle nicht selten, in welchen die Bildung von Atoll-geformten Riffen oder solchen, die mit der Zeit dazu werden können, deutlich auf die Einwirkung constanter Strömung zurückgeführt werden kann.

Die Insel Tigtauan, in zwei Meilen Entfernung von der Ostküste der Südwestspitze von Mindanao liegend, zeigt an ihrer Westseite, auf welche der Fluss von Masinloc zuströmt, einen schmalen Canal, welcher den höheren Rand der niedrigen, ganz aus Korallen bestehenden Insel durchbricht und in

<TEI>
  <text>
    <back>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="110"/>
gewesen sein, als das Hindrängen der östlichen Riffe an die
                         Inseln: und wie hier die zurückdrängende Wirkung des Seeganges das
                         Aussenriff immer der Küste dicht folgen lässt, und seine Neigung
                         nach aussen sanfter macht, als die der westlichen Seite, so muss das
                         westliche Riff so ziemlich immer die Ausdehnung des früher bestandenen
                         Landes oder des untermeerischen Rückens bezeichnen. </p>
          <p>Hiermit soll indess keineswegs die Möglichkeit geläugnet werden,
                         dass manche Atolle oder Barrenriffe sich bildeten zur Zeit, als die
                         untermeerische Höhe, auf der sie standen, sich senkte; oder dass selbst
                         in manchen Fällen die Senkung wirklich den Anstoss zur Bildung
                         derselben abgab. So würde z. B. die Insel Ngaur sich senken
                         müssen, ehe sich um sie herum ein Barrenriff bildete. Zur Entscheidung
                         der Frage kommt es also zunächst auf das möglichst genaue Studium
                         aller einzelnen Fälle an. Schwieriger, als bei Barrenriffen, wo die
                         ihre Form bedingenden Ursachen dem Forscher noch zugänglich sind, ist
                         die Untersuchung, <hi rendition="#g">welche</hi> jener Ursachen wirksam
                         waren, bei Atollen, und hier dürfte die Entscheidung wohl nur durch die
                         grössere Natürlichkeit herbeigeführt werden, welche die eine
                         oder die andere Annahme zu besitzen schiene. Subjectiver Auffassung ist hier
                         ein reiches Feld geöffnet; denn selbst in solchen Fällen, wo, wie
                         in der grossen Chagos-Bank, eine Senkung neuerdings stattgefunden haben
                         muss, bleibt dennoch die Frage offen, ob der Bildung der lebenden Bank
                         ebenfalls eine Senkung zu Grunde lag. Die Annahme aber, dass nur oder
                         hauptsächlich das wechselnde Spiel der Strömungen bei der Bildung
                         der Korallenriffe wirksam sei, könnte manche Fälle erklären,
                         die für die Senkungstheorie jetzt noch eine Ausnahme bilden. Ich meine
                         das Vorkommen von ächten Atollen in Erhebungsflächen (areas of
                         elevation), <choice><sic>Von</sic><corr>von</corr></choice> den mir näher liegenden erwähne ich nur das Bajo de Apo
                         an der Westküste von Mindoro, dann die Islas Amantes und die Islas
                         Cagayan cillos, welche nach den mir vorliegenden Plänen
                             <sic>echte</sic> Atolle zu sein scheinen. Die West- und Nordküste
                         von Bohol sind von weit abstehenden Riffen umsäumt, welche mannigfach
                         durch kleine Canäle durchbrochen, vom Lande durch einen Tiefwassercanal
                         getrennt sind, in welchem selbst ziemlich grosse Schiffe sich dicht dem
                         Lande nähern können. Alle diese Punkte liegen eingeschlossen in
                         dem jetzt in Hebung begriffenen Archipel der Philippinen. Hier würde
                         die Annahme, dass Strömungen sie gebildet, nicht derselben
                         Schwierigkeit unterliegen, wie die Voraussetzung einer Senkung; und in der
                         That sind auch an andern Stellen dieses Archipels Fälle nicht selten,
                         in welchen die Bildung von Atoll-geformten Riffen oder solchen, die mit der
                         Zeit dazu werden können, deutlich auf die Einwirkung constanter
                         Strömung zurückgeführt werden kann. </p>
          <p>Die Insel Tigtauan, in zwei Meilen Entfernung von der Ostküste der
                         Südwestspitze von Mindanao liegend, zeigt an ihrer Westseite, auf
                         welche der Fluss von Masinloc zuströmt, einen schmalen Canal, welcher
                         den höheren Rand der niedrigen, ganz aus Korallen bestehenden Insel
                         durchbricht und in
</p>
        </div>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[110/0110] gewesen sein, als das Hindrängen der östlichen Riffe an die Inseln: und wie hier die zurückdrängende Wirkung des Seeganges das Aussenriff immer der Küste dicht folgen lässt, und seine Neigung nach aussen sanfter macht, als die der westlichen Seite, so muss das westliche Riff so ziemlich immer die Ausdehnung des früher bestandenen Landes oder des untermeerischen Rückens bezeichnen. Hiermit soll indess keineswegs die Möglichkeit geläugnet werden, dass manche Atolle oder Barrenriffe sich bildeten zur Zeit, als die untermeerische Höhe, auf der sie standen, sich senkte; oder dass selbst in manchen Fällen die Senkung wirklich den Anstoss zur Bildung derselben abgab. So würde z. B. die Insel Ngaur sich senken müssen, ehe sich um sie herum ein Barrenriff bildete. Zur Entscheidung der Frage kommt es also zunächst auf das möglichst genaue Studium aller einzelnen Fälle an. Schwieriger, als bei Barrenriffen, wo die ihre Form bedingenden Ursachen dem Forscher noch zugänglich sind, ist die Untersuchung, welche jener Ursachen wirksam waren, bei Atollen, und hier dürfte die Entscheidung wohl nur durch die grössere Natürlichkeit herbeigeführt werden, welche die eine oder die andere Annahme zu besitzen schiene. Subjectiver Auffassung ist hier ein reiches Feld geöffnet; denn selbst in solchen Fällen, wo, wie in der grossen Chagos-Bank, eine Senkung neuerdings stattgefunden haben muss, bleibt dennoch die Frage offen, ob der Bildung der lebenden Bank ebenfalls eine Senkung zu Grunde lag. Die Annahme aber, dass nur oder hauptsächlich das wechselnde Spiel der Strömungen bei der Bildung der Korallenriffe wirksam sei, könnte manche Fälle erklären, die für die Senkungstheorie jetzt noch eine Ausnahme bilden. Ich meine das Vorkommen von ächten Atollen in Erhebungsflächen (areas of elevation), von den mir näher liegenden erwähne ich nur das Bajo de Apo an der Westküste von Mindoro, dann die Islas Amantes und die Islas Cagayan cillos, welche nach den mir vorliegenden Plänen echte Atolle zu sein scheinen. Die West- und Nordküste von Bohol sind von weit abstehenden Riffen umsäumt, welche mannigfach durch kleine Canäle durchbrochen, vom Lande durch einen Tiefwassercanal getrennt sind, in welchem selbst ziemlich grosse Schiffe sich dicht dem Lande nähern können. Alle diese Punkte liegen eingeschlossen in dem jetzt in Hebung begriffenen Archipel der Philippinen. Hier würde die Annahme, dass Strömungen sie gebildet, nicht derselben Schwierigkeit unterliegen, wie die Voraussetzung einer Senkung; und in der That sind auch an andern Stellen dieses Archipels Fälle nicht selten, in welchen die Bildung von Atoll-geformten Riffen oder solchen, die mit der Zeit dazu werden können, deutlich auf die Einwirkung constanter Strömung zurückgeführt werden kann. Die Insel Tigtauan, in zwei Meilen Entfernung von der Ostküste der Südwestspitze von Mindanao liegend, zeigt an ihrer Westseite, auf welche der Fluss von Masinloc zuströmt, einen schmalen Canal, welcher den höheren Rand der niedrigen, ganz aus Korallen bestehenden Insel durchbricht und in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2012-11-06T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
gutenberg.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-06T13:54:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-06T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Die Transkription enspricht den DTA-Richtlinien.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/110
Zitationshilfe: Semper, Karl: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg, 1869, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semper_philippinen_1869/110>, abgerufen am 22.11.2024.