mal in hundert Wöchnerinnen, von den 3056 verpflegten Wöchnerinnen sind dennoch 30 Wöchnerinnen deshalb ge- storben, weil sich in ihnen ein zersetzter Stoff entwickelt hat. 75 Wöchnerinnen sind aber deshalb gestorben, weil ihnen der zersetzte Stoff von aussen eingebracht wurde, und eine der drei Quellen, aus welchen der zersetzte Stoff genommen wird, welcher den Individuen von aussen beigebracht, das Puerpe- ralfieber hervorbringt, ist allerdings der Cadaver.
Der Leser sieht, dass 75 Wöchnerinnen gestorben sind, welche hätten gerettet werden können, und diese Zahl ist ge- wiss in der Wirklichkeit übertroffen worden, da Seyfert die Transferirten dieser 15 Monate verschweigt, und wie viele Kinder mögen in dieser Periode von ihren Müttern inficirt worden sein.
Angesichts dieser Thatsache sagt Seyfert: "Wir haben auch so viel Verstand und Herz, als dass wir einen Gegen- stand von so hoher Wichtigkeit hartnäckig von uns gewiesen hätten, einen Gegenstand, von dem wir wussten, dass auf den- selben in Wien ein so grosses Gewicht gelegt wurde, und we- gen dessen wir, wenn er sich bewährt hätte, mit Recht hätten zur Verantwortung gezogen werden müssen!!
Seyfert sagt, dass im Monate Februar 1849 in der Stadt Prag eine bedeutende Puerperalepidemie geherrscht habe, während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des Ge- bärhauses in diesem Monate ein günstiger war. Das Factum, dass im Februar die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen der Stadt Prag eine grosse war, will ich als wahr gelten lassen, ich kann es aber nicht gelten lassen, wenn Seyfert das eine Epidemie nennt.
Die im Prager Gebärhause im Monate Februar Entbun- denen sind ja gewiss zum grossen Theil erst unmittelbar vor der Geburt aus der Stadt in's Gebärhaus gegangen, warum sind denn selbe gesund geblieben, wenn selbe vor ihrer Auf- nahme den epidemischen Einflüssen der Stadt ausgesetzt ge- wesen waren? Wenn aber im Monate Februar nur solche In-
mal in hundert Wöchnerinnen, von den 3056 verpflegten Wöchnerinnen sind dennoch 30 Wöchnerinnen deshalb ge- storben, weil sich in ihnen ein zersetzter Stoff entwickelt hat. 75 Wöchnerinnen sind aber deshalb gestorben, weil ihnen der zersetzte Stoff von aussen eingebracht wurde, und eine der drei Quellen, aus welchen der zersetzte Stoff genommen wird, welcher den Individuen von aussen beigebracht, das Puerpe- ralfieber hervorbringt, ist allerdings der Cadaver.
Der Leser sieht, dass 75 Wöchnerinnen gestorben sind, welche hätten gerettet werden können, und diese Zahl ist ge- wiss in der Wirklichkeit übertroffen worden, da Seyfert die Transferirten dieser 15 Monate verschweigt, und wie viele Kinder mögen in dieser Periode von ihren Müttern inficirt worden sein.
Angesichts dieser Thatsache sagt Seyfert: »Wir haben auch so viel Verstand und Herz, als dass wir einen Gegen- stand von so hoher Wichtigkeit hartnäckig von uns gewiesen hätten, einen Gegenstand, von dem wir wussten, dass auf den- selben in Wien ein so grosses Gewicht gelegt wurde, und we- gen dessen wir, wenn er sich bewährt hätte, mit Recht hätten zur Verantwortung gezogen werden müssen!!
Seyfert sagt, dass im Monate Februar 1849 in der Stadt Prag eine bedeutende Puerperalepidemie geherrscht habe, während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des Ge- bärhauses in diesem Monate ein günstiger war. Das Factum, dass im Februar die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen der Stadt Prag eine grosse war, will ich als wahr gelten lassen, ich kann es aber nicht gelten lassen, wenn Seyfert das eine Epidemie nennt.
Die im Prager Gebärhause im Monate Februar Entbun- denen sind ja gewiss zum grossen Theil erst unmittelbar vor der Geburt aus der Stadt in’s Gebärhaus gegangen, warum sind denn selbe gesund geblieben, wenn selbe vor ihrer Auf- nahme den epidemischen Einflüssen der Stadt ausgesetzt ge- wesen waren? Wenn aber im Monate Februar nur solche In-
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mal in hundert Wöchnerinnen, von den 3056 verpflegten
Wöchnerinnen sind dennoch 30 Wöchnerinnen deshalb ge-
storben, weil sich in ihnen ein zersetzter Stoff entwickelt hat.
75 Wöchnerinnen sind aber deshalb gestorben, weil ihnen der
zersetzte Stoff von aussen eingebracht wurde, und eine der
drei Quellen, aus welchen der zersetzte Stoff genommen wird,
welcher den Individuen von aussen beigebracht, das Puerpe-
ralfieber hervorbringt, ist allerdings der Cadaver.
Der Leser sieht, dass 75 Wöchnerinnen gestorben sind,
welche hätten gerettet werden können, und diese Zahl ist ge-
wiss in der Wirklichkeit übertroffen worden, da Seyfert die
Transferirten dieser 15 Monate verschweigt, und wie viele
Kinder mögen in dieser Periode von ihren Müttern inficirt
worden sein.
Angesichts dieser Thatsache sagt Seyfert: »Wir haben
auch so viel Verstand und Herz, als dass wir einen Gegen-
stand von so hoher Wichtigkeit hartnäckig von uns gewiesen
hätten, einen Gegenstand, von dem wir wussten, dass auf den-
selben in Wien ein so grosses Gewicht gelegt wurde, und we-
gen dessen wir, wenn er sich bewährt hätte, mit Recht hätten
zur Verantwortung gezogen werden müssen!!
Seyfert sagt, dass im Monate Februar 1849 in der Stadt
Prag eine bedeutende Puerperalepidemie geherrscht habe,
während der Gesundheitszustand der Wöchnerinnen des Ge-
bärhauses in diesem Monate ein günstiger war. Das Factum,
dass im Februar die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen der
Stadt Prag eine grosse war, will ich als wahr gelten lassen,
ich kann es aber nicht gelten lassen, wenn Seyfert das eine
Epidemie nennt.
Die im Prager Gebärhause im Monate Februar Entbun-
denen sind ja gewiss zum grossen Theil erst unmittelbar vor
der Geburt aus der Stadt in’s Gebärhaus gegangen, warum
sind denn selbe gesund geblieben, wenn selbe vor ihrer Auf-
nahme den epidemischen Einflüssen der Stadt ausgesetzt ge-
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/437>, abgerufen am 23.11.2024.
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