könnte die Sterblichkeit auf 999 Todte beschränkt geblie- ben sein, wenn diese Umstände aetiologische Momente des Kindbettfiebers wären.
Leichter erkranken am Puerperalfieber nach Scanzoni auch solche Individuen, welche schon während der Schwan- gerschaft an einer Krankheit leiden, welche mit einer den ver- schiedenen Puerperalfieberformen analogen Blutmischung ein- herschreiten; hieher gehören Frauen, welche mit Pneumonien, Pleuritiden, mit Entzündungen des Pericardiums, mit acutem Rheumatismus ins Puerperium kommen.
Wenn Scanzoni glaubt, dass bei den genannten Entzün- dungen eine analoge Blutmischung wie beim Puerperalfieber sich vorfinde, so beweiset das nur wieder, dass er noch im Jahre 1853 nicht weiss, worin das Wesen des Puerperalfiebers bestehe; bei Anatomen, bei Chirurgen, bei Operirten an chi- rurgischen Abtheilungen, bei Neugebornen, die an Pyaemie sterben, findet sich eine identische Blutmischung wie beim Puerperalfieber, aber nicht bei den von Scanzoni genannten Entzündungen. Im Gegentheil, diese Entzündungen schützen die Individuen vor dem Puerperalfieber dadurch, dass selbe aus Humanitätsrücksichten nicht zum Unterrichte benützt, folg- lich nicht inficirt werden. Und wenn Scanzoni beobachtet hat, dass eine weiter vorgeschrittene Lungentuberculose Schutz gewähre gegen das Puerperalfieber, weil er hunderten von Sectionen von an Puerperalfieber Verstorbenen beigewohnt, ohne darunter ein einziges Mal eine weiter fortgeschrittene Lungentuberculose zu treffen, so liegt der Grund einfach dar- in, dass diese Individuen nicht zum Unterrichte benützt, folg- lich nicht inficirt werden. Wenn Scanzoni sagt, das Puerperal- fieber trete bei Anaemischen, Hydropischen, an einem acuten Exanther (Blattern-, Masern-, Scharlach-) Leidenden, bei Ty- phösen oder Scorbutischen seltener auf, so liegt der Grund wieder nur darin, dass derartige Individuen nicht zum Un- terrichte benützt, folglich nicht inficirt werden, und wenn Scanzoni dasselbe nicht auch bei den von ihm genannten Ent-
könnte die Sterblichkeit auf 999 Todte beschränkt geblie- ben sein, wenn diese Umstände aetiologische Momente des Kindbettfiebers wären.
Leichter erkranken am Puerperalfieber nach Scanzoni auch solche Individuen, welche schon während der Schwan- gerschaft an einer Krankheit leiden, welche mit einer den ver- schiedenen Puerperalfieberformen analogen Blutmischung ein- herschreiten; hieher gehören Frauen, welche mit Pneumonien, Pleuritiden, mit Entzündungen des Pericardiums, mit acutem Rheumatismus ins Puerperium kommen.
Wenn Scanzoni glaubt, dass bei den genannten Entzün- dungen eine analoge Blutmischung wie beim Puerperalfieber sich vorfinde, so beweiset das nur wieder, dass er noch im Jahre 1853 nicht weiss, worin das Wesen des Puerperalfiebers bestehe; bei Anatomen, bei Chirurgen, bei Operirten an chi- rurgischen Abtheilungen, bei Neugebornen, die an Pyaemie sterben, findet sich eine identische Blutmischung wie beim Puerperalfieber, aber nicht bei den von Scanzoni genannten Entzündungen. Im Gegentheil, diese Entzündungen schützen die Individuen vor dem Puerperalfieber dadurch, dass selbe aus Humanitätsrücksichten nicht zum Unterrichte benützt, folg- lich nicht inficirt werden. Und wenn Scanzoni beobachtet hat, dass eine weiter vorgeschrittene Lungentuberculose Schutz gewähre gegen das Puerperalfieber, weil er hunderten von Sectionen von an Puerperalfieber Verstorbenen beigewohnt, ohne darunter ein einziges Mal eine weiter fortgeschrittene Lungentuberculose zu treffen, so liegt der Grund einfach dar- in, dass diese Individuen nicht zum Unterrichte benützt, folg- lich nicht inficirt werden. Wenn Scanzoni sagt, das Puerperal- fieber trete bei Anaemischen, Hydropischen, an einem acuten Exanther (Blattern-, Masern-, Scharlach-) Leidenden, bei Ty- phösen oder Scorbutischen seltener auf, so liegt der Grund wieder nur darin, dass derartige Individuen nicht zum Un- terrichte benützt, folglich nicht inficirt werden, und wenn Scanzoni dasselbe nicht auch bei den von ihm genannten Ent-
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könnte die Sterblichkeit auf 999 Todte beschränkt geblie-
ben sein, wenn diese Umstände aetiologische Momente des
Kindbettfiebers wären.
Leichter erkranken am Puerperalfieber nach Scanzoni
auch solche Individuen, welche schon während der Schwan-
gerschaft an einer Krankheit leiden, welche mit einer den ver-
schiedenen Puerperalfieberformen analogen Blutmischung ein-
herschreiten; hieher gehören Frauen, welche mit Pneumonien,
Pleuritiden, mit Entzündungen des Pericardiums, mit acutem
Rheumatismus ins Puerperium kommen.
Wenn Scanzoni glaubt, dass bei den genannten Entzün-
dungen eine analoge Blutmischung wie beim Puerperalfieber
sich vorfinde, so beweiset das nur wieder, dass er noch im
Jahre 1853 nicht weiss, worin das Wesen des Puerperalfiebers
bestehe; bei Anatomen, bei Chirurgen, bei Operirten an chi-
rurgischen Abtheilungen, bei Neugebornen, die an Pyaemie
sterben, findet sich eine identische Blutmischung wie beim
Puerperalfieber, aber nicht bei den von Scanzoni genannten
Entzündungen. Im Gegentheil, diese Entzündungen schützen
die Individuen vor dem Puerperalfieber dadurch, dass selbe aus
Humanitätsrücksichten nicht zum Unterrichte benützt, folg-
lich nicht inficirt werden. Und wenn Scanzoni beobachtet hat,
dass eine weiter vorgeschrittene Lungentuberculose Schutz
gewähre gegen das Puerperalfieber, weil er hunderten von
Sectionen von an Puerperalfieber Verstorbenen beigewohnt,
ohne darunter ein einziges Mal eine weiter fortgeschrittene
Lungentuberculose zu treffen, so liegt der Grund einfach dar-
in, dass diese Individuen nicht zum Unterrichte benützt, folg-
lich nicht inficirt werden. Wenn Scanzoni sagt, das Puerperal-
fieber trete bei Anaemischen, Hydropischen, an einem acuten
Exanther (Blattern-, Masern-, Scharlach-) Leidenden, bei Ty-
phösen oder Scorbutischen seltener auf, so liegt der Grund
wieder nur darin, dass derartige Individuen nicht zum Un-
terrichte benützt, folglich nicht inficirt werden, und wenn
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/382>, abgerufen am 22.11.2024.
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