die ganze Schwangerschaft hindurch von dem Gedanken ge- quält werden, dass sie diesmal die Geburt nicht überstehen werden, dass sie diesmal die Geburt mit ihrem Leben bezah- len werden. In beinahe allen Lehrbüchern der Geburtshilfe ist zu lesen, dass die Todesfurcht vorzüglich gegen Ende der Schwangerschaft den Schwangeren das Leben verbittert, und doch haben viele Gelegenheit sich zehn-, zwölfmal vor dem Tode zu fürchten, weil die zehn-, zwölfmalige Todesfurcht bei ihnen kein tödtliches Puerperalfieber hervorgebracht hat.
Dadurch, dass die im Gebärhause Gebärenden lauter ledige, der trostlosesten Bevölkerung entnommene Mädchen seien, welche während der Schwangerschaft durch schwere Arbeit ihr Brot verdienen, dem Elende und der Noth preisgege- ben, unter dem Einflusse deprimirender Gemüthsaffecte, über- haupt ein liederliches, unmoralisches Leben führen, wird den Individuen weder ein zersetzter Stoff von Aussen eingebracht, noch entsteht in Folge dessen ein zersetzter Stoff innerhalb dieser Individuen, diese Umstände sind demnach keine ätiolo- gischen Momente des Kindbettfiebers.
Abgesehen davon, dass diese Schilderung gewiss nicht auf Alle, welche in Gebärhäusern entbinden, seine Anwendung findet, müsste ja, wenn diese Umstände das Kindbettfieber hervorbringen würden, die Sterblichkeit ausserhalb des Ge- bärhauses ebenso gross sein, als innerhalb der Gebärhäuser, da ja nicht alle, welche ausserhalb des Gebärhauses entbinden, züchtige glückliche Frauen sind, welche im Wohlleben ihre Tage hinbringen.
Das verletzte Schamgefühl der Individuen, welche im Ge- bärhause in Gegenwart der Männer entbinden, ist kein ätiolo- gischer Moment des Kindbettfiebers, weil durch das verletzte Schamgefühl weder von Aussen den Individuen ein zersetzter Stoff eingebracht wird, noch entsteht in Folge des verletzten Schamgefühls ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Wahrlich, es zeugt von der Gedankenlosigkeit, mit wel- cher die Aetiologie des Kindbettfiebers behandelt wurde,
die ganze Schwangerschaft hindurch von dem Gedanken ge- quält werden, dass sie diesmal die Geburt nicht überstehen werden, dass sie diesmal die Geburt mit ihrem Leben bezah- len werden. In beinahe allen Lehrbüchern der Geburtshilfe ist zu lesen, dass die Todesfurcht vorzüglich gegen Ende der Schwangerschaft den Schwangeren das Leben verbittert, und doch haben viele Gelegenheit sich zehn-, zwölfmal vor dem Tode zu fürchten, weil die zehn-, zwölfmalige Todesfurcht bei ihnen kein tödtliches Puerperalfieber hervorgebracht hat.
Dadurch, dass die im Gebärhause Gebärenden lauter ledige, der trostlosesten Bevölkerung entnommene Mädchen seien, welche während der Schwangerschaft durch schwere Arbeit ihr Brot verdienen, dem Elende und der Noth preisgege- ben, unter dem Einflusse deprimirender Gemüthsaffecte, über- haupt ein liederliches, unmoralisches Leben führen, wird den Individuen weder ein zersetzter Stoff von Aussen eingebracht, noch entsteht in Folge dessen ein zersetzter Stoff innerhalb dieser Individuen, diese Umstände sind demnach keine ätiolo- gischen Momente des Kindbettfiebers.
Abgesehen davon, dass diese Schilderung gewiss nicht auf Alle, welche in Gebärhäusern entbinden, seine Anwendung findet, müsste ja, wenn diese Umstände das Kindbettfieber hervorbringen würden, die Sterblichkeit ausserhalb des Ge- bärhauses ebenso gross sein, als innerhalb der Gebärhäuser, da ja nicht alle, welche ausserhalb des Gebärhauses entbinden, züchtige glückliche Frauen sind, welche im Wohlleben ihre Tage hinbringen.
Das verletzte Schamgefühl der Individuen, welche im Ge- bärhause in Gegenwart der Männer entbinden, ist kein ätiolo- gischer Moment des Kindbettfiebers, weil durch das verletzte Schamgefühl weder von Aussen den Individuen ein zersetzter Stoff eingebracht wird, noch entsteht in Folge des verletzten Schamgefühls ein zersetzter Stoff in den Individuen.
Wahrlich, es zeugt von der Gedankenlosigkeit, mit wel- cher die Aetiologie des Kindbettfiebers behandelt wurde,
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die ganze Schwangerschaft hindurch von dem Gedanken ge-
quält werden, dass sie diesmal die Geburt nicht überstehen
werden, dass sie diesmal die Geburt mit ihrem Leben bezah-
len werden. In beinahe allen Lehrbüchern der Geburtshilfe ist
zu lesen, dass die Todesfurcht vorzüglich gegen Ende der
Schwangerschaft den Schwangeren das Leben verbittert, und
doch haben viele Gelegenheit sich zehn-, zwölfmal vor dem
Tode zu fürchten, weil die zehn-, zwölfmalige Todesfurcht bei
ihnen kein tödtliches Puerperalfieber hervorgebracht hat.
Dadurch, dass die im Gebärhause Gebärenden lauter
ledige, der trostlosesten Bevölkerung entnommene Mädchen
seien, welche während der Schwangerschaft durch schwere
Arbeit ihr Brot verdienen, dem Elende und der Noth preisgege-
ben, unter dem Einflusse deprimirender Gemüthsaffecte, über-
haupt ein liederliches, unmoralisches Leben führen, wird den
Individuen weder ein zersetzter Stoff von Aussen eingebracht,
noch entsteht in Folge dessen ein zersetzter Stoff innerhalb
dieser Individuen, diese Umstände sind demnach keine ätiolo-
gischen Momente des Kindbettfiebers.
Abgesehen davon, dass diese Schilderung gewiss nicht auf
Alle, welche in Gebärhäusern entbinden, seine Anwendung
findet, müsste ja, wenn diese Umstände das Kindbettfieber
hervorbringen würden, die Sterblichkeit ausserhalb des Ge-
bärhauses ebenso gross sein, als innerhalb der Gebärhäuser,
da ja nicht alle, welche ausserhalb des Gebärhauses entbinden,
züchtige glückliche Frauen sind, welche im Wohlleben ihre
Tage hinbringen.
Das verletzte Schamgefühl der Individuen, welche im Ge-
bärhause in Gegenwart der Männer entbinden, ist kein ätiolo-
gischer Moment des Kindbettfiebers, weil durch das verletzte
Schamgefühl weder von Aussen den Individuen ein zersetzter
Stoff eingebracht wird, noch entsteht in Folge des verletzten
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/273>, abgerufen am 23.11.2024.
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