Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Anhänger müssen schwankend werden und die Gegner müs-
sen sich in ihren Zweifeln bestärkt fühlen, wenn der Gesund-
heitszustand der in der Klinik verpflegten Wöchnerinnen ein
so ungünstiger ist, dadurch wird die Verbreitung der Lehre
des Gefertigten verhindert und dadurch wird das Menschen-
geschlecht durch längere Zeit noch von einer Seuche geplagt,
als es der Fall wäre, wenn er den Erfolg auch an der geburts-
hilflichen Klinik zu Pest für sich anführen könnte.

"Mit dieser Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca-
litäten der geburtshilflichen Klinik steht Gefertigter nicht
allein, das Professorencollegium theilte dieselbe Ansicht zu
einer Zeit, als ich noch nicht die Ehre hatte, Mitglied dessel-
ben zu sein, indem es sagte: In Folge Erlasses der hohen k. k.
Statthaltereiabtheilung zu Ofen vom 10. September 1854,
Z. 19,458, wurde Seitens des medicinischen Professorencolle-
giums unterm 17. März 1855 der Antrag zur Abhilfe der Ge-
brechen gestellt, welche dem gedeihlichen Emporkommen der
Institute der medicinischen Facultät am meisten hemmend in
den Weg treten.

"In diesem Vortrage heisst es unter andern: Der durch die
Ueberfüllung der Krankensäle mit Patienten bedingten Luft-
verderbniss wird noch in höchst bedauerlicher Weise dadurch
Vorschub geleistet, dass die klinischen Anstalten sich in
der unmittelbaren Nachbarschaft solcher Institute befinden,
durch welche der Luftverderbniss geradezu Thür und Thor
geöffnet wird. So z. B. befindet sich die geburtshilfliche Kli-
nik im zweiten Stocke gerade über dem im ersten Stocke be-
stehenden chemischen und im Erdgeschosse befindlichen ana-
tomischen Institute, demnach müssen die in den beiden letzt-
genannten Anstalten entwickelten schädlichen Luftarten in
ihrem Entweichen nach oben die Fenster der Gebäranstalt be-
streichen, wodurch geschieht, dass bei dem Oeffnen der Fen-
ster und Thüren in obiger Anstalt statt der guten Luft die in
den Instituten der beiden untern Stockwerke entwickelten un-
gesunden Gasarten in die Räume der Gebäranstalt eingelassen

Anhänger müssen schwankend werden und die Gegner müs-
sen sich in ihren Zweifeln bestärkt fühlen, wenn der Gesund-
heitszustand der in der Klinik verpflegten Wöchnerinnen ein
so ungünstiger ist, dadurch wird die Verbreitung der Lehre
des Gefertigten verhindert und dadurch wird das Menschen-
geschlecht durch längere Zeit noch von einer Seuche geplagt,
als es der Fall wäre, wenn er den Erfolg auch an der geburts-
hilflichen Klinik zu Pest für sich anführen könnte.

»Mit dieser Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca-
litäten der geburtshilflichen Klinik steht Gefertigter nicht
allein, das Professorencollegium theilte dieselbe Ansicht zu
einer Zeit, als ich noch nicht die Ehre hatte, Mitglied dessel-
ben zu sein, indem es sagte: In Folge Erlasses der hohen k. k.
Statthaltereiabtheilung zu Ofen vom 10. September 1854,
Z. 19,458, wurde Seitens des medicinischen Professorencolle-
giums unterm 17. März 1855 der Antrag zur Abhilfe der Ge-
brechen gestellt, welche dem gedeihlichen Emporkommen der
Institute der medicinischen Facultät am meisten hemmend in
den Weg treten.

»In diesem Vortrage heisst es unter andern: Der durch die
Ueberfüllung der Krankensäle mit Patienten bedingten Luft-
verderbniss wird noch in höchst bedauerlicher Weise dadurch
Vorschub geleistet, dass die klinischen Anstalten sich in
der unmittelbaren Nachbarschaft solcher Institute befinden,
durch welche der Luftverderbniss geradezu Thür und Thor
geöffnet wird. So z. B. befindet sich die geburtshilfliche Kli-
nik im zweiten Stocke gerade über dem im ersten Stocke be-
stehenden chemischen und im Erdgeschosse befindlichen ana-
tomischen Institute, demnach müssen die in den beiden letzt-
genannten Anstalten entwickelten schädlichen Luftarten in
ihrem Entweichen nach oben die Fenster der Gebäranstalt be-
streichen, wodurch geschieht, dass bei dem Oeffnen der Fen-
ster und Thüren in obiger Anstalt statt der guten Luft die in
den Instituten der beiden untern Stockwerke entwickelten un-
gesunden Gasarten in die Räume der Gebäranstalt eingelassen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0101" n="89"/>
Anhänger müssen schwankend werden und die Gegner müs-<lb/>
sen sich in ihren Zweifeln bestärkt fühlen, wenn der Gesund-<lb/>
heitszustand der in der Klinik verpflegten Wöchnerinnen ein<lb/>
so ungünstiger ist, dadurch wird die Verbreitung der Lehre<lb/>
des Gefertigten verhindert und dadurch wird das Menschen-<lb/>
geschlecht durch längere Zeit noch von einer Seuche geplagt,<lb/>
als es der Fall wäre, wenn er den Erfolg auch an der geburts-<lb/>
hilflichen Klinik zu Pest für sich anführen könnte.</p><lb/>
        <p>»Mit dieser Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca-<lb/>
litäten der geburtshilflichen Klinik steht Gefertigter nicht<lb/>
allein, das Professorencollegium theilte dieselbe Ansicht zu<lb/>
einer Zeit, als ich noch nicht die Ehre hatte, Mitglied dessel-<lb/>
ben zu sein, indem es sagte: In Folge Erlasses der hohen k. k.<lb/>
Statthaltereiabtheilung zu Ofen vom 10. September 1854,<lb/>
Z. 19,458, wurde Seitens des medicinischen Professorencolle-<lb/>
giums unterm 17. März 1855 der Antrag zur Abhilfe der Ge-<lb/>
brechen gestellt, welche dem gedeihlichen Emporkommen der<lb/>
Institute der medicinischen Facultät am meisten hemmend in<lb/>
den Weg treten.</p><lb/>
        <p>»In diesem Vortrage heisst es unter andern: Der durch die<lb/>
Ueberfüllung der Krankensäle mit Patienten bedingten Luft-<lb/>
verderbniss wird noch in höchst bedauerlicher Weise dadurch<lb/>
Vorschub geleistet, dass die klinischen Anstalten sich in<lb/>
der unmittelbaren Nachbarschaft solcher Institute befinden,<lb/>
durch welche der Luftverderbniss geradezu Thür und Thor<lb/>
geöffnet wird. So z. B. befindet sich die geburtshilfliche Kli-<lb/>
nik im zweiten Stocke gerade über dem im ersten Stocke be-<lb/>
stehenden chemischen und im Erdgeschosse befindlichen ana-<lb/>
tomischen Institute, demnach müssen die in den beiden letzt-<lb/>
genannten Anstalten entwickelten schädlichen Luftarten in<lb/>
ihrem Entweichen nach oben die Fenster der Gebäranstalt be-<lb/>
streichen, wodurch geschieht, dass bei dem Oeffnen der Fen-<lb/>
ster und Thüren in obiger Anstalt statt der guten Luft die in<lb/>
den Instituten der beiden untern Stockwerke entwickelten un-<lb/>
gesunden Gasarten in die Räume der Gebäranstalt eingelassen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0101] Anhänger müssen schwankend werden und die Gegner müs- sen sich in ihren Zweifeln bestärkt fühlen, wenn der Gesund- heitszustand der in der Klinik verpflegten Wöchnerinnen ein so ungünstiger ist, dadurch wird die Verbreitung der Lehre des Gefertigten verhindert und dadurch wird das Menschen- geschlecht durch längere Zeit noch von einer Seuche geplagt, als es der Fall wäre, wenn er den Erfolg auch an der geburts- hilflichen Klinik zu Pest für sich anführen könnte. »Mit dieser Ansicht von der Sanitätswidrigkeit der Loca- litäten der geburtshilflichen Klinik steht Gefertigter nicht allein, das Professorencollegium theilte dieselbe Ansicht zu einer Zeit, als ich noch nicht die Ehre hatte, Mitglied dessel- ben zu sein, indem es sagte: In Folge Erlasses der hohen k. k. Statthaltereiabtheilung zu Ofen vom 10. September 1854, Z. 19,458, wurde Seitens des medicinischen Professorencolle- giums unterm 17. März 1855 der Antrag zur Abhilfe der Ge- brechen gestellt, welche dem gedeihlichen Emporkommen der Institute der medicinischen Facultät am meisten hemmend in den Weg treten. »In diesem Vortrage heisst es unter andern: Der durch die Ueberfüllung der Krankensäle mit Patienten bedingten Luft- verderbniss wird noch in höchst bedauerlicher Weise dadurch Vorschub geleistet, dass die klinischen Anstalten sich in der unmittelbaren Nachbarschaft solcher Institute befinden, durch welche der Luftverderbniss geradezu Thür und Thor geöffnet wird. So z. B. befindet sich die geburtshilfliche Kli- nik im zweiten Stocke gerade über dem im ersten Stocke be- stehenden chemischen und im Erdgeschosse befindlichen ana- tomischen Institute, demnach müssen die in den beiden letzt- genannten Anstalten entwickelten schädlichen Luftarten in ihrem Entweichen nach oben die Fenster der Gebäranstalt be- streichen, wodurch geschieht, dass bei dem Oeffnen der Fen- ster und Thüren in obiger Anstalt statt der guten Luft die in den Instituten der beiden untern Stockwerke entwickelten un- gesunden Gasarten in die Räume der Gebäranstalt eingelassen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/101
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/101>, abgerufen am 04.05.2024.