Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

der von ihm behandelten Wöchnerinnen haben Bedeutung für
das ganze Menschengeschlecht.

"Die Thatsache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause
auffallend zahlreichere Todesfälle veranlasse, als ausserhalb
des Gebärhauses, ist nicht allein den Aerzten bekannt, son-
dern auch den Laien, und in officiellen Documenten werden
die Gebärhäuser nicht allein von Aerzten, sondern auch von
Verwaltungsbeamten "Mördergruben" genannt. Auf die That-
sache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause verderblicher
wüthe, gestützt, ist die Frage wiederholt in Berathung gezo-
gen worden, ob es für das menschliche Geschlecht nicht wohl-
thätiger wäre, sämmtliche Gebärhäuser zu cassiren.

"Nur ein entsetzliches Dilemma rettete die Gebärhäuser
vor Vernichtung.

"Wenn die Individuen im Gebärhause entbinden, so rich-
tet das Kindbettfieber unter ihnen schreckenerregende Verhee-
rungen an, und eine bedeutende Anzahl steigt frühzeitig in
der Blüthe des Lebens ins Grab.

"Würden in Folge der Aufhebung sämmtlier Gebärhäuser
die Geburten ausserhalb des Gebärhauses vorsichgehen, so
würden die Entbundenen in grösserer Anzahl wohl gesund
bleiben, aber nun beginnen die Sorgen um die eigene und die
Verpflegung des Kindes, und nun entstehen in Folge der Noth
die Verbrechen der Kindabtreibung, der Kindaussetzung und
des Kindesmordes.

"Man hat daher die Gebärhäuser nur darum bestehen lassen,
weil man der Ansicht war, dass es besser sei, die Kreissenden
in Gebärhäusern den Gefahren des Kindbettfiebers auszusetzen,
als ausserhalb des Gebärhauses den Gefahren der Noth, wo-
durch eine so grosse Anzahlderselben den Gefängnissen verfällt.

"Der ergebenst Gefertigte hat die Ursache dieses verhee-
renden Kindbettfiebers gefunden, und lehrt ihre Wirksamkeit
unschädlich zu machen. Die Aufmerksamkeit aller Anhänger
und Gegner dieser Lehre ist auf den Gesundheitszustand der
von dem Gefertigten behandelten Wöchnerinnen gerichtet; die

der von ihm behandelten Wöchnerinnen haben Bedeutung für
das ganze Menschengeschlecht.

»Die Thatsache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause
auffallend zahlreichere Todesfälle veranlasse, als ausserhalb
des Gebärhauses, ist nicht allein den Aerzten bekannt, son-
dern auch den Laien, und in officiellen Documenten werden
die Gebärhäuser nicht allein von Aerzten, sondern auch von
Verwaltungsbeamten »Mördergruben« genannt. Auf die That-
sache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause verderblicher
wüthe, gestützt, ist die Frage wiederholt in Berathung gezo-
gen worden, ob es für das menschliche Geschlecht nicht wohl-
thätiger wäre, sämmtliche Gebärhäuser zu cassiren.

»Nur ein entsetzliches Dilemma rettete die Gebärhäuser
vor Vernichtung.

»Wenn die Individuen im Gebärhause entbinden, so rich-
tet das Kindbettfieber unter ihnen schreckenerregende Verhee-
rungen an, und eine bedeutende Anzahl steigt frühzeitig in
der Blüthe des Lebens ins Grab.

»Würden in Folge der Aufhebung sämmtlier Gebärhäuser
die Geburten ausserhalb des Gebärhauses vorsichgehen, so
würden die Entbundenen in grösserer Anzahl wohl gesund
bleiben, aber nun beginnen die Sorgen um die eigene und die
Verpflegung des Kindes, und nun entstehen in Folge der Noth
die Verbrechen der Kindabtreibung, der Kindaussetzung und
des Kindesmordes.

»Man hat daher die Gebärhäuser nur darum bestehen lassen,
weil man der Ansicht war, dass es besser sei, die Kreissenden
in Gebärhäusern den Gefahren des Kindbettfiebers auszusetzen,
als ausserhalb des Gebärhauses den Gefahren der Noth, wo-
durch eine so grosse Anzahlderselben den Gefängnissen verfällt.

»Der ergebenst Gefertigte hat die Ursache dieses verhee-
renden Kindbettfiebers gefunden, und lehrt ihre Wirksamkeit
unschädlich zu machen. Die Aufmerksamkeit aller Anhänger
und Gegner dieser Lehre ist auf den Gesundheitszustand der
von dem Gefertigten behandelten Wöchnerinnen gerichtet; die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="88"/>
der von ihm behandelten Wöchnerinnen haben Bedeutung für<lb/>
das ganze Menschengeschlecht.</p><lb/>
        <p>»Die Thatsache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause<lb/>
auffallend zahlreichere Todesfälle veranlasse, als ausserhalb<lb/>
des Gebärhauses, ist nicht allein den Aerzten bekannt, son-<lb/>
dern auch den Laien, und in officiellen Documenten werden<lb/>
die Gebärhäuser nicht allein von Aerzten, sondern auch von<lb/>
Verwaltungsbeamten »Mördergruben« genannt. Auf die That-<lb/>
sache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause verderblicher<lb/>
wüthe, gestützt, ist die Frage wiederholt in Berathung gezo-<lb/>
gen worden, ob es für das menschliche Geschlecht nicht wohl-<lb/>
thätiger wäre, sämmtliche Gebärhäuser zu cassiren.</p><lb/>
        <p>»Nur ein entsetzliches Dilemma rettete die Gebärhäuser<lb/>
vor Vernichtung.</p><lb/>
        <p>»Wenn die Individuen im Gebärhause entbinden, so rich-<lb/>
tet das Kindbettfieber unter ihnen schreckenerregende Verhee-<lb/>
rungen an, und eine bedeutende Anzahl steigt frühzeitig in<lb/>
der Blüthe des Lebens ins Grab.</p><lb/>
        <p>»Würden in Folge der Aufhebung sämmtlier Gebärhäuser<lb/>
die Geburten ausserhalb des Gebärhauses vorsichgehen, so<lb/>
würden die Entbundenen in grösserer Anzahl wohl gesund<lb/>
bleiben, aber nun beginnen die Sorgen um die eigene und die<lb/>
Verpflegung des Kindes, und nun entstehen in Folge der Noth<lb/>
die Verbrechen der Kindabtreibung, der Kindaussetzung und<lb/>
des Kindesmordes.</p><lb/>
        <p>»Man hat daher die Gebärhäuser nur darum bestehen lassen,<lb/>
weil man der Ansicht war, dass es besser sei, die Kreissenden<lb/>
in Gebärhäusern den Gefahren des Kindbettfiebers auszusetzen,<lb/>
als ausserhalb des Gebärhauses den Gefahren der Noth, wo-<lb/>
durch eine so grosse Anzahlderselben den Gefängnissen verfällt.</p><lb/>
        <p>»Der ergebenst Gefertigte hat die Ursache dieses verhee-<lb/>
renden Kindbettfiebers gefunden, und lehrt ihre Wirksamkeit<lb/>
unschädlich zu machen. Die Aufmerksamkeit aller Anhänger<lb/>
und Gegner dieser Lehre ist auf den Gesundheitszustand der<lb/>
von dem Gefertigten behandelten Wöchnerinnen gerichtet; die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0100] der von ihm behandelten Wöchnerinnen haben Bedeutung für das ganze Menschengeschlecht. »Die Thatsache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause auffallend zahlreichere Todesfälle veranlasse, als ausserhalb des Gebärhauses, ist nicht allein den Aerzten bekannt, son- dern auch den Laien, und in officiellen Documenten werden die Gebärhäuser nicht allein von Aerzten, sondern auch von Verwaltungsbeamten »Mördergruben« genannt. Auf die That- sache, dass das Kindbettfieber im Gebärhause verderblicher wüthe, gestützt, ist die Frage wiederholt in Berathung gezo- gen worden, ob es für das menschliche Geschlecht nicht wohl- thätiger wäre, sämmtliche Gebärhäuser zu cassiren. »Nur ein entsetzliches Dilemma rettete die Gebärhäuser vor Vernichtung. »Wenn die Individuen im Gebärhause entbinden, so rich- tet das Kindbettfieber unter ihnen schreckenerregende Verhee- rungen an, und eine bedeutende Anzahl steigt frühzeitig in der Blüthe des Lebens ins Grab. »Würden in Folge der Aufhebung sämmtlier Gebärhäuser die Geburten ausserhalb des Gebärhauses vorsichgehen, so würden die Entbundenen in grösserer Anzahl wohl gesund bleiben, aber nun beginnen die Sorgen um die eigene und die Verpflegung des Kindes, und nun entstehen in Folge der Noth die Verbrechen der Kindabtreibung, der Kindaussetzung und des Kindesmordes. »Man hat daher die Gebärhäuser nur darum bestehen lassen, weil man der Ansicht war, dass es besser sei, die Kreissenden in Gebärhäusern den Gefahren des Kindbettfiebers auszusetzen, als ausserhalb des Gebärhauses den Gefahren der Noth, wo- durch eine so grosse Anzahlderselben den Gefängnissen verfällt. »Der ergebenst Gefertigte hat die Ursache dieses verhee- renden Kindbettfiebers gefunden, und lehrt ihre Wirksamkeit unschädlich zu machen. Die Aufmerksamkeit aller Anhänger und Gegner dieser Lehre ist auf den Gesundheitszustand der von dem Gefertigten behandelten Wöchnerinnen gerichtet; die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/100
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/100>, abgerufen am 05.05.2024.