pse_083.001 einem Zug hingerissene Komposition wie bei Goethes pse_083.002 "Werther". Andere Dichter schaffen große Werke mit pse_083.003 Schematen und Übersichten, so oft Schiller und Jean Paul pse_083.004 seinen "Titan". Auch im einzelnen sind die Formen des pse_083.005 Schaffens verschieden. Der magische Dichter schafft rauschhaft, pse_083.006 er wird vom Schaffenstriebe überwältigt. Für den mystischen pse_083.007 Dichter ist Kunstschaffen Gottesdienst, ein Weg zur pse_083.008 Reinigung. Das Schaffen des Sängers ist eher ein glückhafter pse_083.009 Naturvorgang. In allem künstlerischen Schaffen liegt auch der pse_083.010 Wille zur Vollendung, dieser Drang nach Vollendung gibt pse_083.011 auch dem Schaffensprozeß eine bestimmte Färbung. Der pse_083.012 Sinn des dichterischen Schaffens kann durchaus verschieden pse_083.013 sein. Er kann wie bei Goethe oft im Mut zum Schöpfertum pse_083.014 liegen, bei anderen in einer Art Resignation, "nur so" mit pse_083.015 dem Leben fertigzuwerden. Für andere wieder ist Dichten pse_083.016 erlösende Selbstdarstellung und oft mit Opfer und Gebet zu pse_083.017 vergleichen; oder auch das Glück, so Schönheit zu erleben. pse_083.018 Es muß also der Sinn durchaus nicht immer im Blick auf die pse_083.019 anderen Menschen liegen, aber auch das ist durchaus möglich. pse_083.020 Dichter wollen oft die Welt durch ihr Werk verändern, sie pse_083.021 fühlen einen heiligen Auftrag im Dienst der Gemeinschaft, pse_083.022 oder es kommt auf das für die Aufklärung bezeichnende pse_083.023 docere cum delectatione hinaus.
pse_083.024 Auch die Beteiligung der seelischen und geistigen Kräfte am pse_083.025 Schaffensvorgang ist nicht bei allen Dichtern gleich. Aus pse_083.026 ungeahnten Tiefen der Seelengründe, aus dem, was die pse_083.027 Psychologie das Unbewußte und das Unterbewußte nennt, pse_083.028 kann plötzlich oder langsam eine erste Anregung oder ein pse_083.029 erstes ungefähres Bild des zu Schaffenden aufsteigen. Sicher pse_083.030 kann es sich dabei oft um Verdrängtes handeln, also um Eindrücke pse_083.031 oder Erregungen, die früher einmal aus bestimmten pse_083.032 Gründen in diese Tiefen begraben worden sind. Auch Gestaltungsantriebe pse_083.033 können von daher aufsteigen. Aber immer pse_083.034 wieder wirken auch die Schichten des Bewußten mit. Es pse_083.035 können ganz bestimmte Gefühle, die mit äußeren Eindrücken pse_083.036 zusammenhängen, unmittelbarer Anlaß für ein Gedicht sein, pse_083.037 oft sogar äußere Anregungen und Aufträge den Dichter zum pse_083.038 Schaffen veranlassen. Vor allem aber spielt das Bewußtseinsleben,
pse_083.001 einem Zug hingerissene Komposition wie bei Goethes pse_083.002 »Werther«. Andere Dichter schaffen große Werke mit pse_083.003 Schematen und Übersichten, so oft Schiller und Jean Paul pse_083.004 seinen »Titan«. Auch im einzelnen sind die Formen des pse_083.005 Schaffens verschieden. Der magische Dichter schafft rauschhaft, pse_083.006 er wird vom Schaffenstriebe überwältigt. Für den mystischen pse_083.007 Dichter ist Kunstschaffen Gottesdienst, ein Weg zur pse_083.008 Reinigung. Das Schaffen des Sängers ist eher ein glückhafter pse_083.009 Naturvorgang. In allem künstlerischen Schaffen liegt auch der pse_083.010 Wille zur Vollendung, dieser Drang nach Vollendung gibt pse_083.011 auch dem Schaffensprozeß eine bestimmte Färbung. Der pse_083.012 Sinn des dichterischen Schaffens kann durchaus verschieden pse_083.013 sein. Er kann wie bei Goethe oft im Mut zum Schöpfertum pse_083.014 liegen, bei anderen in einer Art Resignation, »nur so« mit pse_083.015 dem Leben fertigzuwerden. Für andere wieder ist Dichten pse_083.016 erlösende Selbstdarstellung und oft mit Opfer und Gebet zu pse_083.017 vergleichen; oder auch das Glück, so Schönheit zu erleben. pse_083.018 Es muß also der Sinn durchaus nicht immer im Blick auf die pse_083.019 anderen Menschen liegen, aber auch das ist durchaus möglich. pse_083.020 Dichter wollen oft die Welt durch ihr Werk verändern, sie pse_083.021 fühlen einen heiligen Auftrag im Dienst der Gemeinschaft, pse_083.022 oder es kommt auf das für die Aufklärung bezeichnende pse_083.023 docere cum delectatione hinaus.
pse_083.024 Auch die Beteiligung der seelischen und geistigen Kräfte am pse_083.025 Schaffensvorgang ist nicht bei allen Dichtern gleich. Aus pse_083.026 ungeahnten Tiefen der Seelengründe, aus dem, was die pse_083.027 Psychologie das Unbewußte und das Unterbewußte nennt, pse_083.028 kann plötzlich oder langsam eine erste Anregung oder ein pse_083.029 erstes ungefähres Bild des zu Schaffenden aufsteigen. Sicher pse_083.030 kann es sich dabei oft um Verdrängtes handeln, also um Eindrücke pse_083.031 oder Erregungen, die früher einmal aus bestimmten pse_083.032 Gründen in diese Tiefen begraben worden sind. Auch Gestaltungsantriebe pse_083.033 können von daher aufsteigen. Aber immer pse_083.034 wieder wirken auch die Schichten des Bewußten mit. Es pse_083.035 können ganz bestimmte Gefühle, die mit äußeren Eindrücken pse_083.036 zusammenhängen, unmittelbarer Anlaß für ein Gedicht sein, pse_083.037 oft sogar äußere Anregungen und Aufträge den Dichter zum pse_083.038 Schaffen veranlassen. Vor allem aber spielt das Bewußtseinsleben,
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Auch die Beteiligung der seelischen und geistigen Kräfte am pse_083.025
Schaffensvorgang ist nicht bei allen Dichtern gleich. Aus pse_083.026
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/99>, abgerufen am 22.11.2024.
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