pse_057.001 mit dem Leben im Grundsätzlichen, Wesentlichen, sowohl pse_057.002 was die vom Dichter geschaffenen menschlichen Gestalten pse_057.003 als auch was die Situationen, Handlungen usw. anlangt. Das pse_057.004 ist die innere Notwendigkeit. Wir werden beim Begriff der pse_057.005 Wirklichkeit noch darauf zurückkommen. Also auch hier pse_057.006 wieder: es kommt auf die künstlerische Formwerdung an. Je pse_057.007 vollendeter die Gestalt, desto durchscheinender wird sie sein, pse_057.008 desto erscheinender wird das Wahre in ihr. Das ist eben das pse_057.009 Wesen der ästhetischen Gestalt.
pse_057.010 Dichtung und Weltanschauung. Alles Vorangehende läßt uns pse_057.011 nun auch leichter und klarer zu dieser viel umstrittenen Frage pse_057.012 Stellung nehmen: Soll Dichtung Welt- und Lebensanschauung pse_057.013 bieten und damit auch auf das sittliche Handeln wirken? pse_057.014 Sicher ist. Dichtung hat nicht die Aufgabe, Weltanschauung pse_057.015 zu lehren oder zu propagieren, sie ist keine Ethik und hat pse_057.016 keine sittlichen Anweisungen zu geben. Sie ist Kunst und ruht pse_057.017 daher als Gebilde in sich. Aber: wie wir bald sehen werden, pse_057.018 greift Dichtung ins Leben hinein und läßt sich von dort her pse_057.019 anregen. Sie gestaltet in ihrer Weise Leben, vor allem formt pse_057.020 sie vielfach Menschen, und diese Menschen stehen -- im Rahmen pse_057.021 der geschlossenen dichterischen Wirklichkeit -- in einer pse_057.022 Welt, nehmen zu ihr Stellung und handeln in ihr nach bestimmten pse_057.023 sittlichen Grundsätzen, so ähnlich wie im alltäglichen pse_057.024 Leben. Dichtung stellt uns also Bilder von lebenden pse_057.025 und handelnden Menschen vor. Da aber dieses Bild von allem pse_057.026 Zufälligen, vom Verwirrenden des bloßen Alltags abgehoben pse_057.027 ist und Wesenhaftes schauen läßt, kann Dichtung gleichsam pse_057.028 Idealbilder menschlichen Seins und Handelns vor uns hinstellen. pse_057.029 Sie werden zu Leitbildern unseres eigenen Daseins und pse_057.030 sittlichen Handelns und können in ihrer Reinheit dann wirklich pse_057.031 entscheidend auf uns Menschen wirken. Es sei aber gleich pse_057.032 vermerkt, daß das nicht sein muß, daß Dichtung nicht pse_057.033 immer Ideal- und Leitbilder aufstellt und damit nicht immer pse_057.034 uns unmittelbar sittlich beeinflußt. Wir werden diese Frage pse_057.035 der menschlichen Wirkung der Dichtung am Schluß des pse_057.036 Ganzen zu betrachten haben. Aber immerhin, sie kann es tun, pse_057.037 und damit ist die Möglichkeit einer Beziehung von Dichtung, pse_057.038 Weltanschauung und Sittlichkeit gegeben: im Kunstgebilde
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pse_057.010 Dichtung und Weltanschauung. Alles Vorangehende läßt uns pse_057.011 nun auch leichter und klarer zu dieser viel umstrittenen Frage pse_057.012 Stellung nehmen: Soll Dichtung Welt- und Lebensanschauung pse_057.013 bieten und damit auch auf das sittliche Handeln wirken? pse_057.014 Sicher ist. Dichtung hat nicht die Aufgabe, Weltanschauung pse_057.015 zu lehren oder zu propagieren, sie ist keine Ethik und hat pse_057.016 keine sittlichen Anweisungen zu geben. Sie ist Kunst und ruht pse_057.017 daher als Gebilde in sich. Aber: wie wir bald sehen werden, pse_057.018 greift Dichtung ins Leben hinein und läßt sich von dort her pse_057.019 anregen. Sie gestaltet in ihrer Weise Leben, vor allem formt pse_057.020 sie vielfach Menschen, und diese Menschen stehen — im Rahmen pse_057.021 der geschlossenen dichterischen Wirklichkeit — in einer pse_057.022 Welt, nehmen zu ihr Stellung und handeln in ihr nach bestimmten pse_057.023 sittlichen Grundsätzen, so ähnlich wie im alltäglichen pse_057.024 Leben. Dichtung stellt uns also Bilder von lebenden pse_057.025 und handelnden Menschen vor. Da aber dieses Bild von allem pse_057.026 Zufälligen, vom Verwirrenden des bloßen Alltags abgehoben pse_057.027 ist und Wesenhaftes schauen läßt, kann Dichtung gleichsam pse_057.028 Idealbilder menschlichen Seins und Handelns vor uns hinstellen. pse_057.029 Sie werden zu Leitbildern unseres eigenen Daseins und pse_057.030 sittlichen Handelns und können in ihrer Reinheit dann wirklich pse_057.031 entscheidend auf uns Menschen wirken. Es sei aber gleich pse_057.032 vermerkt, daß das nicht sein muß, daß Dichtung nicht pse_057.033 immer Ideal- und Leitbilder aufstellt und damit nicht immer pse_057.034 uns unmittelbar sittlich beeinflußt. Wir werden diese Frage pse_057.035 der menschlichen Wirkung der Dichtung am Schluß des pse_057.036 Ganzen zu betrachten haben. Aber immerhin, sie kann es tun, pse_057.037 und damit ist die Möglichkeit einer Beziehung von Dichtung, pse_057.038 Weltanschauung und Sittlichkeit gegeben: im Kunstgebilde
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mit dem Leben im Grundsätzlichen, Wesentlichen, sowohl pse_057.002
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als auch was die Situationen, Handlungen usw. anlangt. Das pse_057.004
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Dichtung und Weltanschauung. Alles Vorangehende läßt uns pse_057.011
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und handelnden Menschen vor. Da aber dieses Bild von allem pse_057.026
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/73>, abgerufen am 25.11.2024.
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