pse_675.001 III pse_675.002 DIE WIRKUNG DER DICHTUNG
pse_675.003 Das eigentliche Wesen des Kunstwerks, also auch der Dichtung, pse_675.004 haben wir in der vollendeten Gestalt, die eben in ihrer pse_675.005 Art und Vollendung einen Gehalt offenbart. In diesem Dasein pse_675.006 ruht ihr Sinn und Wert.
pse_675.007 Aber sehr häufig hat man in der Wirkung der Dichtung ihr pse_675.008 Wesen gesehen. Das tut Aristoteles in bezug auf die Tragödie. pse_675.009 Aber auch Schiller sieht in der Dichtung als wesenhaft immer pse_675.010 ihre wirkende Gestalt: je tiefer die künstlerische Gestalt auf pse_675.011 den Menschen wirken kann, desto höher steht das Kunstwerk. pse_675.012 Freilich betont Schiller dabei ausdrücklich die künstlerische pse_675.013 Wirkung der Gestalt, während er stoffliche Wirkungen als pse_675.014 Unwert ablehnt. Mit Aristoteles und Schiller sind die zeitlichen pse_675.015 Grenzen angegeben, innerhalb welcher die Dichtung pse_675.016 nach ihrer Wirkung gewertet und betrachtet wurde. Erst pse_675.017 mit der Romantik betont man mehr ihr Sosein, ihre Insichgeschlossenheit. pse_675.018 Freilich betrachten die neuesten Arbeiten zur pse_675.019 Poetik auch wieder die Wirkung und messen ihr wesenhafte pse_675.020 Bedeutung zu. Denn die Wirkung der Dichtung ist eine pse_675.021 Tatsache, die aus dem Bereich der Fragen, die die Dichtung pse_675.022 als Gesamtheit uns stellt, einfach nicht wegzudenken ist. pse_675.023 Man könnte sich kaum eine Dichtung vorstellen, die nie gewirkt pse_675.024 hat oder grundsätzlich nicht wirken könnte. Und vor pse_675.025 allem: die Wirkung der Dichtung ist die unbedingte Voraussetzung pse_675.026 und der notwendige Weg, um zu ihrem Wesen pse_675.027 zu kommen; das gilt für jede Einzeldichtung und aus ihnen pse_675.028 heraus für die Dichtung überhaupt. Damit aber drängt sich pse_675.029 zuerst die Frage auf: Wie ist die Begegnung eines Menschen pse_675.030 mit einer Dichtung beschaffen? Man könnte auch sagen: pse_675.031 Worin besteht das Erlebnis einer Dichtung?
pse_675.001 III pse_675.002 DIE WIRKUNG DER DICHTUNG
pse_675.003 Das eigentliche Wesen des Kunstwerks, also auch der Dichtung, pse_675.004 haben wir in der vollendeten Gestalt, die eben in ihrer pse_675.005 Art und Vollendung einen Gehalt offenbart. In diesem Dasein pse_675.006 ruht ihr Sinn und Wert.
pse_675.007 Aber sehr häufig hat man in der Wirkung der Dichtung ihr pse_675.008 Wesen gesehen. Das tut Aristoteles in bezug auf die Tragödie. pse_675.009 Aber auch Schiller sieht in der Dichtung als wesenhaft immer pse_675.010 ihre wirkende Gestalt: je tiefer die künstlerische Gestalt auf pse_675.011 den Menschen wirken kann, desto höher steht das Kunstwerk. pse_675.012 Freilich betont Schiller dabei ausdrücklich die künstlerische pse_675.013 Wirkung der Gestalt, während er stoffliche Wirkungen als pse_675.014 Unwert ablehnt. Mit Aristoteles und Schiller sind die zeitlichen pse_675.015 Grenzen angegeben, innerhalb welcher die Dichtung pse_675.016 nach ihrer Wirkung gewertet und betrachtet wurde. Erst pse_675.017 mit der Romantik betont man mehr ihr Sosein, ihre Insichgeschlossenheit. pse_675.018 Freilich betrachten die neuesten Arbeiten zur pse_675.019 Poetik auch wieder die Wirkung und messen ihr wesenhafte pse_675.020 Bedeutung zu. Denn die Wirkung der Dichtung ist eine pse_675.021 Tatsache, die aus dem Bereich der Fragen, die die Dichtung pse_675.022 als Gesamtheit uns stellt, einfach nicht wegzudenken ist. pse_675.023 Man könnte sich kaum eine Dichtung vorstellen, die nie gewirkt pse_675.024 hat oder grundsätzlich nicht wirken könnte. Und vor pse_675.025 allem: die Wirkung der Dichtung ist die unbedingte Voraussetzung pse_675.026 und der notwendige Weg, um zu ihrem Wesen pse_675.027 zu kommen; das gilt für jede Einzeldichtung und aus ihnen pse_675.028 heraus für die Dichtung überhaupt. Damit aber drängt sich pse_675.029 zuerst die Frage auf: Wie ist die Begegnung eines Menschen pse_675.030 mit einer Dichtung beschaffen? Man könnte auch sagen: pse_675.031 Worin besteht das Erlebnis einer Dichtung?
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Man könnte sich kaum eine Dichtung vorstellen, die nie gewirkt pse_675.024
hat oder grundsätzlich nicht wirken könnte. Und vor pse_675.025
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. E675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/691>, abgerufen am 23.11.2024.
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