pse_623.001 und Reklamefilme, die einen Kultur fördernd, die anderen pse_623.002 sie gefährdend; dann die künstlerischen Formen des Films. pse_623.003 Die Vorstufe sind die kunstwidrigen Filme, die etwa den pse_623.004 Aufführungen in Schmierentheatern entsprechen. Der wirklich pse_623.005 künstlerische Film will aber mit seiner Darstellung dem pse_623.006 Theater Konkurrenz machen, er beachtet seine ihm eigenen pse_623.007 Möglichkeiten nicht, kann aber menschlich durchaus wertvoll pse_623.008 sein. Der Film kann endlich ein arteigenes Kunstwerk pse_623.009 sein, und zwar auf der Grundlage des Zusammenhangs der pse_623.010 Filmtechnik mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild: das pse_623.011 moderne naturwissenschaftliche Weltbild als wissenschaftliches pse_623.012 Erzeugnis macht die Welt, wie wir sie tagtäglich erfahren pse_623.013 und ordnen, unkenntlich, es verfremdet sie. Und der pse_623.014 Film kann mit seiner Technik das naturwissenschaftliche pse_623.015 Weltbild darstellen. Das sind Möglichkeiten mit starken pse_623.016 künstlerischen und auch sozialen Folgen. Aber dabei wird pse_623.017 eines ganz deutlich: der Film scheidet damit aus dem Bereich pse_623.018 der Dichtung als sprachgebundener Kunst völlig aus.
pse_623.019 b) Die Betrachtung des Dramas nach den Gestaltungskräften pse_623.020 überschneidet sich vielfach mit der nach der Darbietung, pse_623.021 öffnet aber doch neue Blicke auf diese Kunst. Auch die pse_623.022 Pantomime verzichtet auf Sprache, weniger auf die Musik, pse_623.023 sie wählt einen knapp angedeuteten Bühnenrahmen. Die pse_623.024 Hauptgestaltungskräfte sind der Körperausdruck und die pse_623.025 Körperbewegung. Da hier, also vor allem in der Form des pse_623.026 Balletts, alle Kernmerkmale des Dramas vorkommen, können pse_623.027 wir sie hier hereinnehmen, aber sie scheidet aus dem pse_623.028 Bereich der Dichtung unbedingt aus. Man erkennt wieder pse_623.029 den Reichtum an Grenzformen. Die Grundlagen des musikalischen pse_623.030 Dramas sind schon früher angedeutet worden. Geschichtlich pse_623.031 geworden sind folgende Arten: das Volksstück pse_623.032 mit Gesang in der Art Raimunds als lockerste Form, dann das pse_623.033 Singspiel, besonders seit dem 18. Jahrhundert; aus ihm hat pse_623.034 sich die Operette des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt; pse_623.035 dann die Oper mit ihrer reichen Entfaltung der Möglichkeiten pse_623.036 seit dem 16. Jahrhundert, und endlich das Musikdrama pse_623.037 als strengste Form rein musikalischer Dramatik seit pse_623.038 Richard Wagner. Das Sprechdrama holt alle Möglichkeiten
pse_623.001 und Reklamefilme, die einen Kultur fördernd, die anderen pse_623.002 sie gefährdend; dann die künstlerischen Formen des Films. pse_623.003 Die Vorstufe sind die kunstwidrigen Filme, die etwa den pse_623.004 Aufführungen in Schmierentheatern entsprechen. Der wirklich pse_623.005 künstlerische Film will aber mit seiner Darstellung dem pse_623.006 Theater Konkurrenz machen, er beachtet seine ihm eigenen pse_623.007 Möglichkeiten nicht, kann aber menschlich durchaus wertvoll pse_623.008 sein. Der Film kann endlich ein arteigenes Kunstwerk pse_623.009 sein, und zwar auf der Grundlage des Zusammenhangs der pse_623.010 Filmtechnik mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild: das pse_623.011 moderne naturwissenschaftliche Weltbild als wissenschaftliches pse_623.012 Erzeugnis macht die Welt, wie wir sie tagtäglich erfahren pse_623.013 und ordnen, unkenntlich, es verfremdet sie. Und der pse_623.014 Film kann mit seiner Technik das naturwissenschaftliche pse_623.015 Weltbild darstellen. Das sind Möglichkeiten mit starken pse_623.016 künstlerischen und auch sozialen Folgen. Aber dabei wird pse_623.017 eines ganz deutlich: der Film scheidet damit aus dem Bereich pse_623.018 der Dichtung als sprachgebundener Kunst völlig aus.
pse_623.019 b) Die Betrachtung des Dramas nach den Gestaltungskräften pse_623.020 überschneidet sich vielfach mit der nach der Darbietung, pse_623.021 öffnet aber doch neue Blicke auf diese Kunst. Auch die pse_623.022 Pantomime verzichtet auf Sprache, weniger auf die Musik, pse_623.023 sie wählt einen knapp angedeuteten Bühnenrahmen. Die pse_623.024 Hauptgestaltungskräfte sind der Körperausdruck und die pse_623.025 Körperbewegung. Da hier, also vor allem in der Form des pse_623.026 Balletts, alle Kernmerkmale des Dramas vorkommen, können pse_623.027 wir sie hier hereinnehmen, aber sie scheidet aus dem pse_623.028 Bereich der Dichtung unbedingt aus. Man erkennt wieder pse_623.029 den Reichtum an Grenzformen. Die Grundlagen des musikalischen pse_623.030 Dramas sind schon früher angedeutet worden. Geschichtlich pse_623.031 geworden sind folgende Arten: das Volksstück pse_623.032 mit Gesang in der Art Raimunds als lockerste Form, dann das pse_623.033 Singspiel, besonders seit dem 18. Jahrhundert; aus ihm hat pse_623.034 sich die Operette des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt; pse_623.035 dann die Oper mit ihrer reichen Entfaltung der Möglichkeiten pse_623.036 seit dem 16. Jahrhundert, und endlich das Musikdrama pse_623.037 als strengste Form rein musikalischer Dramatik seit pse_623.038 Richard Wagner. Das Sprechdrama holt alle Möglichkeiten
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0639"n="623"/><lbn="pse_623.001"/>
und Reklamefilme, die einen Kultur fördernd, die anderen <lbn="pse_623.002"/>
sie gefährdend; dann die künstlerischen Formen des Films. <lbn="pse_623.003"/>
Die Vorstufe sind die kunstwidrigen Filme, die etwa den <lbn="pse_623.004"/>
Aufführungen in Schmierentheatern entsprechen. Der wirklich <lbn="pse_623.005"/>
künstlerische Film will aber mit seiner Darstellung dem <lbn="pse_623.006"/>
Theater Konkurrenz machen, er beachtet seine ihm eigenen <lbn="pse_623.007"/>
Möglichkeiten nicht, kann aber menschlich durchaus wertvoll <lbn="pse_623.008"/>
sein. Der Film kann endlich ein arteigenes Kunstwerk <lbn="pse_623.009"/>
sein, und zwar auf der Grundlage des Zusammenhangs der <lbn="pse_623.010"/>
Filmtechnik mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild: das <lbn="pse_623.011"/>
moderne naturwissenschaftliche Weltbild als wissenschaftliches <lbn="pse_623.012"/>
Erzeugnis macht die Welt, wie wir sie tagtäglich erfahren <lbn="pse_623.013"/>
und ordnen, unkenntlich, es verfremdet sie. Und der <lbn="pse_623.014"/>
Film kann mit seiner Technik das naturwissenschaftliche <lbn="pse_623.015"/>
Weltbild darstellen. Das sind Möglichkeiten mit starken <lbn="pse_623.016"/>
künstlerischen und auch sozialen Folgen. Aber dabei wird <lbn="pse_623.017"/>
eines ganz deutlich: der Film scheidet damit aus dem Bereich <lbn="pse_623.018"/>
der Dichtung als sprachgebundener Kunst völlig aus.</p><p><lbn="pse_623.019"/>
b) Die Betrachtung des Dramas nach den Gestaltungskräften <lbn="pse_623.020"/>
überschneidet sich vielfach mit der nach der Darbietung, <lbn="pse_623.021"/>
öffnet aber doch neue Blicke auf diese Kunst. Auch die <lbn="pse_623.022"/><hirendition="#i">Pantomime</hi> verzichtet auf Sprache, weniger auf die Musik, <lbn="pse_623.023"/>
sie wählt einen knapp angedeuteten Bühnenrahmen. Die <lbn="pse_623.024"/>
Hauptgestaltungskräfte sind der Körperausdruck und die <lbn="pse_623.025"/>
Körperbewegung. Da hier, also vor allem in der Form des <lbn="pse_623.026"/>
Balletts, alle Kernmerkmale des Dramas vorkommen, können <lbn="pse_623.027"/>
wir sie hier hereinnehmen, aber sie scheidet aus dem <lbn="pse_623.028"/>
Bereich der Dichtung unbedingt aus. Man erkennt wieder <lbn="pse_623.029"/>
den Reichtum an Grenzformen. Die Grundlagen des <hirendition="#i">musikalischen <lbn="pse_623.030"/>
Dramas</hi> sind schon früher angedeutet worden. Geschichtlich <lbn="pse_623.031"/>
geworden sind folgende Arten: das Volksstück <lbn="pse_623.032"/>
mit Gesang in der Art Raimunds als lockerste Form, dann das <lbn="pse_623.033"/>
Singspiel, besonders seit dem 18. Jahrhundert; aus ihm hat <lbn="pse_623.034"/>
sich die Operette des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt; <lbn="pse_623.035"/>
dann die Oper mit ihrer reichen Entfaltung der Möglichkeiten <lbn="pse_623.036"/>
seit dem 16. Jahrhundert, und endlich das Musikdrama <lbn="pse_623.037"/>
als strengste Form rein musikalischer Dramatik seit <lbn="pse_623.038"/>
Richard Wagner. Das <hirendition="#i">Sprechdrama</hi> holt alle Möglichkeiten
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[623/0639]
pse_623.001
und Reklamefilme, die einen Kultur fördernd, die anderen pse_623.002
sie gefährdend; dann die künstlerischen Formen des Films. pse_623.003
Die Vorstufe sind die kunstwidrigen Filme, die etwa den pse_623.004
Aufführungen in Schmierentheatern entsprechen. Der wirklich pse_623.005
künstlerische Film will aber mit seiner Darstellung dem pse_623.006
Theater Konkurrenz machen, er beachtet seine ihm eigenen pse_623.007
Möglichkeiten nicht, kann aber menschlich durchaus wertvoll pse_623.008
sein. Der Film kann endlich ein arteigenes Kunstwerk pse_623.009
sein, und zwar auf der Grundlage des Zusammenhangs der pse_623.010
Filmtechnik mit dem naturwissenschaftlichen Weltbild: das pse_623.011
moderne naturwissenschaftliche Weltbild als wissenschaftliches pse_623.012
Erzeugnis macht die Welt, wie wir sie tagtäglich erfahren pse_623.013
und ordnen, unkenntlich, es verfremdet sie. Und der pse_623.014
Film kann mit seiner Technik das naturwissenschaftliche pse_623.015
Weltbild darstellen. Das sind Möglichkeiten mit starken pse_623.016
künstlerischen und auch sozialen Folgen. Aber dabei wird pse_623.017
eines ganz deutlich: der Film scheidet damit aus dem Bereich pse_623.018
der Dichtung als sprachgebundener Kunst völlig aus.
pse_623.019
b) Die Betrachtung des Dramas nach den Gestaltungskräften pse_623.020
überschneidet sich vielfach mit der nach der Darbietung, pse_623.021
öffnet aber doch neue Blicke auf diese Kunst. Auch die pse_623.022
Pantomime verzichtet auf Sprache, weniger auf die Musik, pse_623.023
sie wählt einen knapp angedeuteten Bühnenrahmen. Die pse_623.024
Hauptgestaltungskräfte sind der Körperausdruck und die pse_623.025
Körperbewegung. Da hier, also vor allem in der Form des pse_623.026
Balletts, alle Kernmerkmale des Dramas vorkommen, können pse_623.027
wir sie hier hereinnehmen, aber sie scheidet aus dem pse_623.028
Bereich der Dichtung unbedingt aus. Man erkennt wieder pse_623.029
den Reichtum an Grenzformen. Die Grundlagen des musikalischen pse_623.030
Dramas sind schon früher angedeutet worden. Geschichtlich pse_623.031
geworden sind folgende Arten: das Volksstück pse_623.032
mit Gesang in der Art Raimunds als lockerste Form, dann das pse_623.033
Singspiel, besonders seit dem 18. Jahrhundert; aus ihm hat pse_623.034
sich die Operette des 19. und 20. Jahrhunderts entwickelt; pse_623.035
dann die Oper mit ihrer reichen Entfaltung der Möglichkeiten pse_623.036
seit dem 16. Jahrhundert, und endlich das Musikdrama pse_623.037
als strengste Form rein musikalischer Dramatik seit pse_623.038
Richard Wagner. Das Sprechdrama holt alle Möglichkeiten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/639>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.