pse_601.001 treten die beiden Dienergestalten Eucharis und Rhamnes, die pse_601.002 bisher das Bescheidene, Alltägliche und Schlichte ihres pse_601.003 Standes auch sprachlich formten, aus dieser Sprachhaltung pse_601.004 heraus, sie reden feierlich und passen sich daher dem feierlichen, pse_601.005 erhabenen Schluß der gesamten Tragödie in ihren pse_601.006 reichen Bildern an: die Rundung ins Hohe, die Rückkehr in pse_601.007 die erhabenen Bereiche der Dichtung sind das Bestimmende pse_601.008 für den Abschluß des ganzen Vorgangs, ihm haben sich auch pse_601.009 die Figuren in ihrer Sprache einzufügen.
pse_601.010 Die Darstellung der Weltgespanntheit in der Sprache pse_601.011 haben wir schon an verschiedenen Einzelheiten erkannt. Um pse_601.012 zu zeigen, wie reich hier die sprachlichen Möglichkeiten sind, pse_601.013 seien sie, mit einigen Ergänzungen, zusammengefaßt. Schon pse_601.014 der Doppelsinn der Worte, d. h. der Zusammenprall verschiedener pse_601.015 Erfassungsweisen im Rahmen des gesamten Wortgehalts, pse_601.016 ist hier von Bedeutung: Im Schlußsatz des "Michael pse_601.017 Kramer" wird in der Spannung zwischen konventioneller Alltagsphrase pse_601.018 und Tiefsinn auch ein Dramatisches des Lebens pse_601.019 erahnbar: "... was wird es wohl sein am Ende?" Die vielen pse_601.020 Wortspiele Shakespeares, der Romantiker und Büchners machen pse_601.021 die Sprache selber fragwürdig. Dazu gehört auch die pse_601.022 tragische Ironie: vom Redenden sind die Worte mehr im pse_601.023 konventionellen Sinn gebraucht, den anderen und dem Zuhörer pse_601.024 enthüllt sich aus der Gesamtlage ein Tieferes, das unmittelbaren pse_601.025 Bezug zum Bevorstehenden und Geahnten hat, pse_601.026 so Wallensteins letzte Worte: "ich gedenke einen langen pse_601.027 Schlaf zu tun". Vor allem reißen natürlich Streitgespräche die pse_601.028 ganze Zerrissenheit der Welt auf. Die Verszerreißung, also die pse_601.029 Aufteilung eines Verses auf mehrere Sprecher, ferner die pse_601.030 Stichomythien und die heftige Schilderung eines Kampfes pse_601.031 etwa bei einer Mauerschau durch mehrere Personen, die sich pse_601.032 ständig unterbrechen, ergänzen und widersprechen, sind pse_601.033 weitere wirkungsvolle Mittel. Auch die innere Gespanntheit pse_601.034 einer Rede gehört hierher. Man denke an Fausts Verhalten zum pse_601.035 Erdgeist, die Antithetik von Bitte und Hochmut in diesen pse_601.036 Versen, oder an die innere Widersprüchlichkeit zwischen pse_601.037 Furcht vor der Kaisermacht und ihrer heftigen Herabsetzung pse_601.038 in Wallensteins Monolog.
pse_601.001 treten die beiden Dienergestalten Eucharis und Rhamnes, die pse_601.002 bisher das Bescheidene, Alltägliche und Schlichte ihres pse_601.003 Standes auch sprachlich formten, aus dieser Sprachhaltung pse_601.004 heraus, sie reden feierlich und passen sich daher dem feierlichen, pse_601.005 erhabenen Schluß der gesamten Tragödie in ihren pse_601.006 reichen Bildern an: die Rundung ins Hohe, die Rückkehr in pse_601.007 die erhabenen Bereiche der Dichtung sind das Bestimmende pse_601.008 für den Abschluß des ganzen Vorgangs, ihm haben sich auch pse_601.009 die Figuren in ihrer Sprache einzufügen.
pse_601.010 Die Darstellung der Weltgespanntheit in der Sprache pse_601.011 haben wir schon an verschiedenen Einzelheiten erkannt. Um pse_601.012 zu zeigen, wie reich hier die sprachlichen Möglichkeiten sind, pse_601.013 seien sie, mit einigen Ergänzungen, zusammengefaßt. Schon pse_601.014 der Doppelsinn der Worte, d. h. der Zusammenprall verschiedener pse_601.015 Erfassungsweisen im Rahmen des gesamten Wortgehalts, pse_601.016 ist hier von Bedeutung: Im Schlußsatz des »Michael pse_601.017 Kramer« wird in der Spannung zwischen konventioneller Alltagsphrase pse_601.018 und Tiefsinn auch ein Dramatisches des Lebens pse_601.019 erahnbar: »... was wird es wohl sein am Ende?« Die vielen pse_601.020 Wortspiele Shakespeares, der Romantiker und Büchners machen pse_601.021 die Sprache selber fragwürdig. Dazu gehört auch die pse_601.022 tragische Ironie: vom Redenden sind die Worte mehr im pse_601.023 konventionellen Sinn gebraucht, den anderen und dem Zuhörer pse_601.024 enthüllt sich aus der Gesamtlage ein Tieferes, das unmittelbaren pse_601.025 Bezug zum Bevorstehenden und Geahnten hat, pse_601.026 so Wallensteins letzte Worte: »ich gedenke einen langen pse_601.027 Schlaf zu tun«. Vor allem reißen natürlich Streitgespräche die pse_601.028 ganze Zerrissenheit der Welt auf. Die Verszerreißung, also die pse_601.029 Aufteilung eines Verses auf mehrere Sprecher, ferner die pse_601.030 Stichomythien und die heftige Schilderung eines Kampfes pse_601.031 etwa bei einer Mauerschau durch mehrere Personen, die sich pse_601.032 ständig unterbrechen, ergänzen und widersprechen, sind pse_601.033 weitere wirkungsvolle Mittel. Auch die innere Gespanntheit pse_601.034 einer Rede gehört hierher. Man denke an Fausts Verhalten zum pse_601.035 Erdgeist, die Antithetik von Bitte und Hochmut in diesen pse_601.036 Versen, oder an die innere Widersprüchlichkeit zwischen pse_601.037 Furcht vor der Kaisermacht und ihrer heftigen Herabsetzung pse_601.038 in Wallensteins Monolog.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0617"n="601"/><lbn="pse_601.001"/>
treten die beiden Dienergestalten Eucharis und Rhamnes, die <lbn="pse_601.002"/>
bisher das Bescheidene, Alltägliche und Schlichte ihres <lbn="pse_601.003"/>
Standes auch sprachlich formten, aus dieser Sprachhaltung <lbn="pse_601.004"/>
heraus, sie reden feierlich und passen sich daher dem feierlichen, <lbn="pse_601.005"/>
erhabenen Schluß der gesamten Tragödie in ihren <lbn="pse_601.006"/>
reichen Bildern an: die Rundung ins Hohe, die Rückkehr in <lbn="pse_601.007"/>
die erhabenen Bereiche der Dichtung sind das Bestimmende <lbn="pse_601.008"/>
für den Abschluß des ganzen Vorgangs, ihm haben sich auch <lbn="pse_601.009"/>
die Figuren in ihrer Sprache einzufügen.</p><p><lbn="pse_601.010"/>
Die Darstellung der Weltgespanntheit in der Sprache <lbn="pse_601.011"/>
haben wir schon an verschiedenen Einzelheiten erkannt. Um <lbn="pse_601.012"/>
zu zeigen, wie reich hier die sprachlichen Möglichkeiten sind, <lbn="pse_601.013"/>
seien sie, mit einigen Ergänzungen, zusammengefaßt. Schon <lbn="pse_601.014"/>
der Doppelsinn der Worte, d. h. der Zusammenprall verschiedener <lbn="pse_601.015"/>
Erfassungsweisen im Rahmen des gesamten Wortgehalts, <lbn="pse_601.016"/>
ist hier von Bedeutung: Im Schlußsatz des »Michael <lbn="pse_601.017"/>
Kramer« wird in der Spannung zwischen konventioneller Alltagsphrase <lbn="pse_601.018"/>
und Tiefsinn auch ein Dramatisches des Lebens <lbn="pse_601.019"/>
erahnbar: »... was wird es wohl sein am Ende?« Die vielen <lbn="pse_601.020"/>
Wortspiele Shakespeares, der Romantiker und Büchners machen <lbn="pse_601.021"/>
die Sprache selber fragwürdig. Dazu gehört auch die <lbn="pse_601.022"/>
tragische Ironie: vom Redenden sind die Worte mehr im <lbn="pse_601.023"/>
konventionellen Sinn gebraucht, den anderen und dem Zuhörer <lbn="pse_601.024"/>
enthüllt sich aus der Gesamtlage ein Tieferes, das unmittelbaren <lbn="pse_601.025"/>
Bezug zum Bevorstehenden und Geahnten hat, <lbn="pse_601.026"/>
so Wallensteins letzte Worte: »ich gedenke einen langen <lbn="pse_601.027"/>
Schlaf zu tun«. Vor allem reißen natürlich Streitgespräche die <lbn="pse_601.028"/>
ganze Zerrissenheit der Welt auf. Die Verszerreißung, also die <lbn="pse_601.029"/>
Aufteilung eines Verses auf mehrere Sprecher, ferner die <lbn="pse_601.030"/>
Stichomythien und die heftige Schilderung eines Kampfes <lbn="pse_601.031"/>
etwa bei einer Mauerschau durch mehrere Personen, die sich <lbn="pse_601.032"/>
ständig unterbrechen, ergänzen und widersprechen, sind <lbn="pse_601.033"/>
weitere wirkungsvolle Mittel. Auch die innere Gespanntheit <lbn="pse_601.034"/>
einer Rede gehört hierher. Man denke an Fausts Verhalten zum <lbn="pse_601.035"/>
Erdgeist, die Antithetik von Bitte und Hochmut in diesen <lbn="pse_601.036"/>
Versen, oder an die innere Widersprüchlichkeit zwischen <lbn="pse_601.037"/>
Furcht vor der Kaisermacht und ihrer heftigen Herabsetzung <lbn="pse_601.038"/>
in Wallensteins Monolog.</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[601/0617]
pse_601.001
treten die beiden Dienergestalten Eucharis und Rhamnes, die pse_601.002
bisher das Bescheidene, Alltägliche und Schlichte ihres pse_601.003
Standes auch sprachlich formten, aus dieser Sprachhaltung pse_601.004
heraus, sie reden feierlich und passen sich daher dem feierlichen, pse_601.005
erhabenen Schluß der gesamten Tragödie in ihren pse_601.006
reichen Bildern an: die Rundung ins Hohe, die Rückkehr in pse_601.007
die erhabenen Bereiche der Dichtung sind das Bestimmende pse_601.008
für den Abschluß des ganzen Vorgangs, ihm haben sich auch pse_601.009
die Figuren in ihrer Sprache einzufügen.
pse_601.010
Die Darstellung der Weltgespanntheit in der Sprache pse_601.011
haben wir schon an verschiedenen Einzelheiten erkannt. Um pse_601.012
zu zeigen, wie reich hier die sprachlichen Möglichkeiten sind, pse_601.013
seien sie, mit einigen Ergänzungen, zusammengefaßt. Schon pse_601.014
der Doppelsinn der Worte, d. h. der Zusammenprall verschiedener pse_601.015
Erfassungsweisen im Rahmen des gesamten Wortgehalts, pse_601.016
ist hier von Bedeutung: Im Schlußsatz des »Michael pse_601.017
Kramer« wird in der Spannung zwischen konventioneller Alltagsphrase pse_601.018
und Tiefsinn auch ein Dramatisches des Lebens pse_601.019
erahnbar: »... was wird es wohl sein am Ende?« Die vielen pse_601.020
Wortspiele Shakespeares, der Romantiker und Büchners machen pse_601.021
die Sprache selber fragwürdig. Dazu gehört auch die pse_601.022
tragische Ironie: vom Redenden sind die Worte mehr im pse_601.023
konventionellen Sinn gebraucht, den anderen und dem Zuhörer pse_601.024
enthüllt sich aus der Gesamtlage ein Tieferes, das unmittelbaren pse_601.025
Bezug zum Bevorstehenden und Geahnten hat, pse_601.026
so Wallensteins letzte Worte: »ich gedenke einen langen pse_601.027
Schlaf zu tun«. Vor allem reißen natürlich Streitgespräche die pse_601.028
ganze Zerrissenheit der Welt auf. Die Verszerreißung, also die pse_601.029
Aufteilung eines Verses auf mehrere Sprecher, ferner die pse_601.030
Stichomythien und die heftige Schilderung eines Kampfes pse_601.031
etwa bei einer Mauerschau durch mehrere Personen, die sich pse_601.032
ständig unterbrechen, ergänzen und widersprechen, sind pse_601.033
weitere wirkungsvolle Mittel. Auch die innere Gespanntheit pse_601.034
einer Rede gehört hierher. Man denke an Fausts Verhalten zum pse_601.035
Erdgeist, die Antithetik von Bitte und Hochmut in diesen pse_601.036
Versen, oder an die innere Widersprüchlichkeit zwischen pse_601.037
Furcht vor der Kaisermacht und ihrer heftigen Herabsetzung pse_601.038
in Wallensteins Monolog.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 601. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/617>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.