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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Bereiche der Bilder Iphigenies und Orests am Beginn des pse_600.002
dritten Aufzugs.

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Für das Drama ist die Gespanntheit und Antithetik des pse_600.004
Sprachablaufs wichtig. Das zeigt sich im Satzbau und im pse_600.005
Rhythmus. Der dramatische Satzbau weist strenge Durchgliederung pse_600.006
auf: Unterordnung der einzelnen Glieder drängt pse_600.007
oft entscheidende Aussagen in den Nebensatz. Die Subjekte pse_600.008
werden scharf an die Spitze gestellt, so daß sofort ein Täter pse_600.009
heraustritt und man auf sein Tun gespannt wird. Finale und pse_600.010
konsekutive Unterordnungen herrschen vor. Solche Satzgebilde pse_600.011
mit reicher Unterordnung bauen geschlossene Gebilde, pse_600.012
die auch Unvereinbares syntaktisch verbinden, daher die pse_600.013
Gegensätzlichkeit erst recht heraustreiben.

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Schon in der Prosa echter Dramen macht sich ein gespannter, pse_600.015
vorwärtsdrängender Rhythmus bemerkbar. Welche pse_600.016
Unterschiede trotzdem herrschen können, zeigt die Gegenüberstellung pse_600.017
von Lessings "Minna", Schillers "Räubern", pse_600.018
Hebbels "Judith", Hauptmanns "Webern" usw. In den Versdramen pse_600.019
wird die Verwesentlichung weiter vorangetrieben, pse_600.020
damit auch das Wesentliche des Dramatischen. Die bekannten pse_600.021
Versarten, die im Drama vorkommen: der jambische Trimeter pse_600.022
der Alten, der Alexandriner, der Blankvers, der pse_600.023
spanische trochäische Viertakter und der Faustvers, bieten pse_600.024
jeder in seiner Art die verschiedensten Möglichkeiten der pse_600.025
Bewegtheit, Gespanntheit und Antithetik.

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Im Zusammenhang der Dramatik sind noch drei Züge des pse_600.027
Sprachstils kurz zu beleuchten: das Problem des Personalstils, pse_600.028
die sprachliche Gestaltung der Urgespaltenheit, die pse_600.029
dramatische Sprachsymbolik. In einem Drama können die pse_600.030
einzelnen Figuren ihre eigengeprägte Sprache führen und pse_600.031
damit schon die Gegensätzlichkeit zwischen den einzelnen pse_600.032
Gestalten deutlich werden. Othello und Jago sind sprachlich pse_600.033
in Shakespeares Tragödie deutlich unterschieden: Othellos pse_600.034
Sprache ist kosmisch umfassend, bewegt und unmittelbar im pse_600.035
Ausdruck, Jagos Sprache dagegen rational, konstruiert, berechnend. pse_600.036
Oder Personen verlieren ihren eigengeprägten Stil pse_600.037
und fügen sich in den Stil ein, der der Entfaltung des Vorgangs pse_600.038
entspricht. Am Schluß von Grillparzers "Sappho"

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Bereiche der Bilder Iphigenies und Orests am Beginn des pse_600.002
dritten Aufzugs.

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Für das Drama ist die Gespanntheit und Antithetik des pse_600.004
Sprachablaufs wichtig. Das zeigt sich im Satzbau und im pse_600.005
Rhythmus. Der dramatische Satzbau weist strenge Durchgliederung pse_600.006
auf: Unterordnung der einzelnen Glieder drängt pse_600.007
oft entscheidende Aussagen in den Nebensatz. Die Subjekte pse_600.008
werden scharf an die Spitze gestellt, so daß sofort ein Täter pse_600.009
heraustritt und man auf sein Tun gespannt wird. Finale und pse_600.010
konsekutive Unterordnungen herrschen vor. Solche Satzgebilde pse_600.011
mit reicher Unterordnung bauen geschlossene Gebilde, pse_600.012
die auch Unvereinbares syntaktisch verbinden, daher die pse_600.013
Gegensätzlichkeit erst recht heraustreiben.

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Schon in der Prosa echter Dramen macht sich ein gespannter, pse_600.015
vorwärtsdrängender Rhythmus bemerkbar. Welche pse_600.016
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von Lessings »Minna«, Schillers »Räubern«, pse_600.018
Hebbels »Judith«, Hauptmanns »Webern« usw. In den Versdramen pse_600.019
wird die Verwesentlichung weiter vorangetrieben, pse_600.020
damit auch das Wesentliche des Dramatischen. Die bekannten pse_600.021
Versarten, die im Drama vorkommen: der jambische Trimeter pse_600.022
der Alten, der Alexandriner, der Blankvers, der pse_600.023
spanische trochäische Viertakter und der Faustvers, bieten pse_600.024
jeder in seiner Art die verschiedensten Möglichkeiten der pse_600.025
Bewegtheit, Gespanntheit und Antithetik.

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Im Zusammenhang der Dramatik sind noch drei Züge des pse_600.027
Sprachstils kurz zu beleuchten: das Problem des Personalstils, pse_600.028
die sprachliche Gestaltung der Urgespaltenheit, die pse_600.029
dramatische Sprachsymbolik. In einem Drama können die pse_600.030
einzelnen Figuren ihre eigengeprägte Sprache führen und pse_600.031
damit schon die Gegensätzlichkeit zwischen den einzelnen pse_600.032
Gestalten deutlich werden. Othello und Jago sind sprachlich pse_600.033
in Shakespeares Tragödie deutlich unterschieden: Othellos pse_600.034
Sprache ist kosmisch umfassend, bewegt und unmittelbar im pse_600.035
Ausdruck, Jagos Sprache dagegen rational, konstruiert, berechnend. pse_600.036
Oder Personen verlieren ihren eigengeprägten Stil pse_600.037
und fügen sich in den Stil ein, der der Entfaltung des Vorgangs pse_600.038
entspricht. Am Schluß von Grillparzers »Sappho«

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[600/0616] pse_600.001 Bereiche der Bilder Iphigenies und Orests am Beginn des pse_600.002 dritten Aufzugs. pse_600.003 Für das Drama ist die Gespanntheit und Antithetik des pse_600.004 Sprachablaufs wichtig. Das zeigt sich im Satzbau und im pse_600.005 Rhythmus. Der dramatische Satzbau weist strenge Durchgliederung pse_600.006 auf: Unterordnung der einzelnen Glieder drängt pse_600.007 oft entscheidende Aussagen in den Nebensatz. Die Subjekte pse_600.008 werden scharf an die Spitze gestellt, so daß sofort ein Täter pse_600.009 heraustritt und man auf sein Tun gespannt wird. Finale und pse_600.010 konsekutive Unterordnungen herrschen vor. Solche Satzgebilde pse_600.011 mit reicher Unterordnung bauen geschlossene Gebilde, pse_600.012 die auch Unvereinbares syntaktisch verbinden, daher die pse_600.013 Gegensätzlichkeit erst recht heraustreiben. pse_600.014 Schon in der Prosa echter Dramen macht sich ein gespannter, pse_600.015 vorwärtsdrängender Rhythmus bemerkbar. Welche pse_600.016 Unterschiede trotzdem herrschen können, zeigt die Gegenüberstellung pse_600.017 von Lessings »Minna«, Schillers »Räubern«, pse_600.018 Hebbels »Judith«, Hauptmanns »Webern« usw. In den Versdramen pse_600.019 wird die Verwesentlichung weiter vorangetrieben, pse_600.020 damit auch das Wesentliche des Dramatischen. Die bekannten pse_600.021 Versarten, die im Drama vorkommen: der jambische Trimeter pse_600.022 der Alten, der Alexandriner, der Blankvers, der pse_600.023 spanische trochäische Viertakter und der Faustvers, bieten pse_600.024 jeder in seiner Art die verschiedensten Möglichkeiten der pse_600.025 Bewegtheit, Gespanntheit und Antithetik. pse_600.026 Im Zusammenhang der Dramatik sind noch drei Züge des pse_600.027 Sprachstils kurz zu beleuchten: das Problem des Personalstils, pse_600.028 die sprachliche Gestaltung der Urgespaltenheit, die pse_600.029 dramatische Sprachsymbolik. In einem Drama können die pse_600.030 einzelnen Figuren ihre eigengeprägte Sprache führen und pse_600.031 damit schon die Gegensätzlichkeit zwischen den einzelnen pse_600.032 Gestalten deutlich werden. Othello und Jago sind sprachlich pse_600.033 in Shakespeares Tragödie deutlich unterschieden: Othellos pse_600.034 Sprache ist kosmisch umfassend, bewegt und unmittelbar im pse_600.035 Ausdruck, Jagos Sprache dagegen rational, konstruiert, berechnend. pse_600.036 Oder Personen verlieren ihren eigengeprägten Stil pse_600.037 und fügen sich in den Stil ein, der der Entfaltung des Vorgangs pse_600.038 entspricht. Am Schluß von Grillparzers »Sappho«

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 600. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/616>, abgerufen am 22.11.2024.