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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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zahlreiche unmerkliche Übergänge von einer zur anderen pse_545.002
Form. Zugleich wird es kaum einen Roman geben, der eine pse_545.003
dieser Formen ausschließlich einsetzt. Es werden sich immer pse_545.004
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finden. Aber entscheidend ist nun, wie der Dichter diese vier pse_545.006
Möglichkeiten zusammenfügt, welche im allgemeinen und pse_545.007
welche an einzelnen Stellen, in einzelnen Phasen und Episoden pse_545.008
vorherrschen. Man erkennt daran, welche reiche künstlerische pse_545.009
Möglichkeiten der Romandichter hat, um gerade dieses pse_545.010
Erzählerische wirksam zu machen, um den Erzählstandpunkt pse_545.011
in verschiedener Weise zu wechseln oder zu ändern und damit pse_545.012
der Darstellung des Gesamtvorgangs immer neue Seiten abzugewinnen pse_545.013
und gleichsam durch solche Verquickungen auch pse_545.014
die Fülle des Welterlebens lebendig zu machen.

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Gerade von der Sicht auf den Erzählstandpunkt aus können pse_545.016
nun neuere Versuche überblickt und geordnet werden. Ein pse_545.017
Zug des modernen Romans ist die Lockerung des äußeren pse_545.018
Geschehens. Im "Simplizissimus", im "Don Quijote", aber pse_545.019
auch im "Wilhelm Meister" und im "Kater Murr" stehen die pse_545.020
tatsächlichen Vorgänge deutlich im Vordergrund: in den pse_545.021
einzelnen Ereignissen vollzieht sich der Vorgang und wird das pse_545.022
Tiefere greifbar. So ist es ja auch bei der Überzahl moderner pse_545.023
Unterhaltungsromane. Man denke aber an Romane von pse_545.024
Proust, V. Woolf, auch an den "Ulysses" von Joyce: hier pse_545.025
treten die greifbaren Vorgänge, die man leicht in einer Inhaltsangabe pse_545.026
bringen kann, stark gegenüber anderem zurück. pse_545.027
Die Fabel im Sinne des als Erzählung gesehenen Vorgangs pse_545.028
verschwindet oft nahezu und macht einer übertriebenen Zergliederung pse_545.029
seelischer Vorgänge Platz. Das Konkrete verliert pse_545.030
an Bedeutung gegenüber dem Ungreifbaren. Oft hat man den pse_545.031
Eindruck, daß es dem Romandichter gar nicht mehr darauf pse_545.032
ankomme, eine Welt dichterisch vor uns aufzubauen, sondern pse_545.033
darauf, in alle Falten und Geheimnisse unserer Welt pse_545.034
hineinzuleuchten und damit deren Gefüge zu durchleuchten.

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Ein weiterer Zug ist der häufige und auffällige Wechsel des pse_545.036
Erzählstandpunkts. Das Orientierungszentrum ist nicht immer pse_545.037
die gleiche Person, sondern es kann von Szene zu Szene pse_545.038
wechseln. Immer wieder werden die einzelnen Personen und

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Form. Zugleich wird es kaum einen Roman geben, der eine pse_545.003
dieser Formen ausschließlich einsetzt. Es werden sich immer pse_545.004
irgendwie alle vier, wenigstens in verschiedenen Teilen, pse_545.005
finden. Aber entscheidend ist nun, wie der Dichter diese vier pse_545.006
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vorherrschen. Man erkennt daran, welche reiche künstlerische pse_545.009
Möglichkeiten der Romandichter hat, um gerade dieses pse_545.010
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in verschiedener Weise zu wechseln oder zu ändern und damit pse_545.012
der Darstellung des Gesamtvorgangs immer neue Seiten abzugewinnen pse_545.013
und gleichsam durch solche Verquickungen auch pse_545.014
die Fülle des Welterlebens lebendig zu machen.

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Gerade von der Sicht auf den Erzählstandpunkt aus können pse_545.016
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Zug des modernen Romans ist die Lockerung des äußeren pse_545.018
Geschehens. Im »Simplizissimus«, im »Don Quijote«, aber pse_545.019
auch im »Wilhelm Meister« und im »Kater Murr« stehen die pse_545.020
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einzelnen Ereignissen vollzieht sich der Vorgang und wird das pse_545.022
Tiefere greifbar. So ist es ja auch bei der Überzahl moderner pse_545.023
Unterhaltungsromane. Man denke aber an Romane von pse_545.024
Proust, V. Woolf, auch an den »Ulysses« von Joyce: hier pse_545.025
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bringen kann, stark gegenüber anderem zurück. pse_545.027
Die Fabel im Sinne des als Erzählung gesehenen Vorgangs pse_545.028
verschwindet oft nahezu und macht einer übertriebenen Zergliederung pse_545.029
seelischer Vorgänge Platz. Das Konkrete verliert pse_545.030
an Bedeutung gegenüber dem Ungreifbaren. Oft hat man den pse_545.031
Eindruck, daß es dem Romandichter gar nicht mehr darauf pse_545.032
ankomme, eine Welt dichterisch vor uns aufzubauen, sondern pse_545.033
darauf, in alle Falten und Geheimnisse unserer Welt pse_545.034
hineinzuleuchten und damit deren Gefüge zu durchleuchten.

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die gleiche Person, sondern es kann von Szene zu Szene pse_545.038
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/561>, abgerufen am 25.11.2024.