pse_461.001 sind nichts Natürliches mehr, sondern organisierte Einrichtungen. pse_461.002 Und doch ist ein Erzähler da. Er darf nicht mit pse_461.003 dem Autor gleichgesetzt werden. Der Leser erlebt ihn in pse_461.004 irgendeiner Weise mit. Wir werden von diesem im Kunstwerk pse_461.005 mitlebenden und wirkenden Erzähler noch Wichtiges pse_461.006 später hören. Hier seien nur einige Punkte herausgehoben, pse_461.007 die das Vorhandensein eines Erzählers im epischen Werk pse_461.008 deutlich machen. Das Erzählen wächst aus Erzählfreude heraus. pse_461.009 Ein Sachbericht kann erzwungen sein, zum Erzählen kann pse_461.010 man nicht gezwungen werden -- oder es wird keine Erzählung. pse_461.011 Nur wenn man innerlich in irgendeiner Weise gestimmt ist, pse_461.012 wird man erzählen; dieser innere Antrieb zum Erzählen wird pse_461.013 in der Erzählung spürbar. Er kann verschiedene Formen annehmen. pse_461.014 Man fühlt beim Lesen, wie anders der Antrieb in pse_461.015 einer Kleistnovelle, in einer Erzählung Stifters oder Gottfried pse_461.016 Kellers ist. Auch daß der Erzähler zwischen vielen Möglichkeiten, pse_461.017 seine Erzählung zu gestalten, wählen kann, daß er pse_461.018 die Freiheit des Gestaltens hat, wirkt sich im Erleben der pse_461.019 Erzählung aus. Daß gerade so gestaltet und geordnet wird pse_461.020 und nicht anders, ist ein Zug am Werk, der den Erzähler vernehmbar pse_461.021 macht. Wie sich der Erzähler in der verschiedensten pse_461.022 Weise bemerkbar machen kann, werden wir noch später zu pse_461.023 betrachten haben. Der Versuch also, den Erzähler als eine pse_461.024 wirkende Kraft in einem epischen Werk auszuschalten, pse_461.025 dürfte nicht gelingen. Man hat auf die vielen Gesprächsszenen pse_461.026 in den homerischen Epen hingewiesen. Aber man darf pse_461.027 weder die vielen Stellen übersehen, in denen ein Erzähler da pse_461.028 ist, noch die immer sich wiederholenden Eingangsformeln zu pse_461.029 den Gesprächen verkennen, die von vornherein diese Gespräche pse_461.030 und Reden in ein Ganzes einformen. Auch im alltäglichen pse_461.031 Erzählen sind eingeschaltete Gespräche durchaus nicht pse_461.032 unnatürlich. Man horche einem schlichten Bauern zu, wenn pse_461.033 er erzählt: wie oft hört man die Formel: "hat er gesagt" o. ä., pse_461.034 und dann bringt er die Worte einer Person in seiner Erzählung pse_461.035 wörtlich. Wenn man behauptet, Erzählen, Monolog, pse_461.036 Dialog, erlebte Rede seien in der epischen Kunst völlig gleichgeordnet, pse_461.037 dann muß man fragen, wo noch die Einheit des pse_461.038 erzählerischen Werkes bleibt. Sie liegt eben in der Tatsache,
pse_461.001 sind nichts Natürliches mehr, sondern organisierte Einrichtungen. pse_461.002 Und doch ist ein Erzähler da. Er darf nicht mit pse_461.003 dem Autor gleichgesetzt werden. Der Leser erlebt ihn in pse_461.004 irgendeiner Weise mit. Wir werden von diesem im Kunstwerk pse_461.005 mitlebenden und wirkenden Erzähler noch Wichtiges pse_461.006 später hören. Hier seien nur einige Punkte herausgehoben, pse_461.007 die das Vorhandensein eines Erzählers im epischen Werk pse_461.008 deutlich machen. Das Erzählen wächst aus Erzählfreude heraus. pse_461.009 Ein Sachbericht kann erzwungen sein, zum Erzählen kann pse_461.010 man nicht gezwungen werden — oder es wird keine Erzählung. pse_461.011 Nur wenn man innerlich in irgendeiner Weise gestimmt ist, pse_461.012 wird man erzählen; dieser innere Antrieb zum Erzählen wird pse_461.013 in der Erzählung spürbar. Er kann verschiedene Formen annehmen. pse_461.014 Man fühlt beim Lesen, wie anders der Antrieb in pse_461.015 einer Kleistnovelle, in einer Erzählung Stifters oder Gottfried pse_461.016 Kellers ist. Auch daß der Erzähler zwischen vielen Möglichkeiten, pse_461.017 seine Erzählung zu gestalten, wählen kann, daß er pse_461.018 die Freiheit des Gestaltens hat, wirkt sich im Erleben der pse_461.019 Erzählung aus. Daß gerade so gestaltet und geordnet wird pse_461.020 und nicht anders, ist ein Zug am Werk, der den Erzähler vernehmbar pse_461.021 macht. Wie sich der Erzähler in der verschiedensten pse_461.022 Weise bemerkbar machen kann, werden wir noch später zu pse_461.023 betrachten haben. Der Versuch also, den Erzähler als eine pse_461.024 wirkende Kraft in einem epischen Werk auszuschalten, pse_461.025 dürfte nicht gelingen. Man hat auf die vielen Gesprächsszenen pse_461.026 in den homerischen Epen hingewiesen. Aber man darf pse_461.027 weder die vielen Stellen übersehen, in denen ein Erzähler da pse_461.028 ist, noch die immer sich wiederholenden Eingangsformeln zu pse_461.029 den Gesprächen verkennen, die von vornherein diese Gespräche pse_461.030 und Reden in ein Ganzes einformen. Auch im alltäglichen pse_461.031 Erzählen sind eingeschaltete Gespräche durchaus nicht pse_461.032 unnatürlich. Man horche einem schlichten Bauern zu, wenn pse_461.033 er erzählt: wie oft hört man die Formel: »hat er gesagt« o. ä., pse_461.034 und dann bringt er die Worte einer Person in seiner Erzählung pse_461.035 wörtlich. Wenn man behauptet, Erzählen, Monolog, pse_461.036 Dialog, erlebte Rede seien in der epischen Kunst völlig gleichgeordnet, pse_461.037 dann muß man fragen, wo noch die Einheit des pse_461.038 erzählerischen Werkes bleibt. Sie liegt eben in der Tatsache,
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dem Autor gleichgesetzt werden. Der Leser erlebt ihn in pse_461.004
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später hören. Hier seien nur einige Punkte herausgehoben, pse_461.007
die das Vorhandensein eines Erzählers im epischen Werk pse_461.008
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Ein Sachbericht kann erzwungen sein, zum Erzählen kann pse_461.010
man nicht gezwungen werden — oder es wird keine Erzählung. pse_461.011
Nur wenn man innerlich in irgendeiner Weise gestimmt ist, pse_461.012
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in der Erzählung spürbar. Er kann verschiedene Formen annehmen. pse_461.014
Man fühlt beim Lesen, wie anders der Antrieb in pse_461.015
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und nicht anders, ist ein Zug am Werk, der den Erzähler vernehmbar pse_461.021
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ist, noch die immer sich wiederholenden Eingangsformeln zu pse_461.029
den Gesprächen verkennen, die von vornherein diese Gespräche pse_461.030
und Reden in ein Ganzes einformen. Auch im alltäglichen pse_461.031
Erzählen sind eingeschaltete Gespräche durchaus nicht pse_461.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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