pse_310.001 abgeleitet: aus der Idealklassik, wie sie E. R. Curtius pse_310.002 nennt, entsteht eine Normalklassik. Wenn diese Normen aus pse_310.003 der antiken Kunst herkommen, wenn der Kunstverstand pse_310.004 ausdrücklich bemüht wird, ihnen zu folgen, wenn nach genauen pse_310.005 Regeln gearbeitet wird, so sprechen wir von Klassizismus. pse_310.006 Mit ihm entstehen künstlerische Gefahren, denen eben pse_310.007 jede Klassik auf die Dauer ausgesetzt ist: die Erstarrung und pse_310.008 die Banalität.
pse_310.009 Gerade aus solchen Gefahren erwächst die Gegenkraft, pse_310.010 setzt sich immer wieder eine andere Gestaltungsform als pse_310.011 Gegenschlag durch. Man betont heute als Gegenform gegen pse_310.012 das Klassische den Manierismus. Ursprünglich sah man ihn pse_310.013 als Entartung des Klassischen. Mit der Zeit bildete er eine pse_310.014 bestimmte Epoche in den bildenden Künsten, die Zeit nach pse_310.015 Raffael. Man denkt heute dabei auch an die Literatur. Curtius pse_310.016 versucht, den Ausdruck zur umfassenden Bezeichnung alles pse_310.017 Gegenklassischen zu erweitern. So würde der Manierismus pse_310.018 zu einer Konstante in der europäischen Kunst. Doch kann man pse_310.019 wohl kaum Barock, Romantik, Expressionismus usw. alle pse_310.020 ohne Gezwungenheit unter diesen Begriff ordnen. Denn pse_310.021 Manierismus hat doch einen klar und deutlich umschriebenen pse_310.022 Gehalt, so daß er besser für eine bestimmte Art gegenklassischer pse_310.023 Gestaltungsform verwendet wird. Was den Manierismus pse_310.024 als umgrenzbare Gestaltungsform kennzeichnet, ist die pse_310.025 Tatsache, daß hier nicht nach allgemeingültigen Normen pse_310.026 gestaltet wird, sondern daß persönlicher Ausdrucksdrang zugrundeliegt. pse_310.027 Das gilt für alle antiklassischen Formen. Dem pse_310.028 Manierismus eignet es, daß er diesen persönlichen Ausdrucksdrang pse_310.029 mit herkömmlichen, zur Verfügung stehenden Formeln, pse_310.030 Gebilden gestalten will. Er verwendet Kunstformen pse_310.031 willkürlich, nach persönlichem Geschmack und aus einer pse_310.032 ganz einmaligen inneren Haltung. Das führt leicht dazu, pse_310.033 daß nun solche Formen verzerrt werden, daß der Mensch pse_310.034 mit ihnen sein Spiel treibt. In diesem persönlich-willkürlichen pse_310.035 Einsatz überlieferter Gebilde zum persönlichen Ausdruck hat pse_310.036 man wohl das Wesentliche des Manierismus zu sehen.
pse_310.037 Eine solche grundlegende Haltung wirkt sich nun im pse_310.038 ganzen eines Kunstwerks aus. Auch ihr entspricht die Ergreifung
pse_310.001 abgeleitet: aus der Idealklassik, wie sie E. R. Curtius pse_310.002 nennt, entsteht eine Normalklassik. Wenn diese Normen aus pse_310.003 der antiken Kunst herkommen, wenn der Kunstverstand pse_310.004 ausdrücklich bemüht wird, ihnen zu folgen, wenn nach genauen pse_310.005 Regeln gearbeitet wird, so sprechen wir von Klassizismus. pse_310.006 Mit ihm entstehen künstlerische Gefahren, denen eben pse_310.007 jede Klassik auf die Dauer ausgesetzt ist: die Erstarrung und pse_310.008 die Banalität.
pse_310.009 Gerade aus solchen Gefahren erwächst die Gegenkraft, pse_310.010 setzt sich immer wieder eine andere Gestaltungsform als pse_310.011 Gegenschlag durch. Man betont heute als Gegenform gegen pse_310.012 das Klassische den Manierismus. Ursprünglich sah man ihn pse_310.013 als Entartung des Klassischen. Mit der Zeit bildete er eine pse_310.014 bestimmte Epoche in den bildenden Künsten, die Zeit nach pse_310.015 Raffael. Man denkt heute dabei auch an die Literatur. Curtius pse_310.016 versucht, den Ausdruck zur umfassenden Bezeichnung alles pse_310.017 Gegenklassischen zu erweitern. So würde der Manierismus pse_310.018 zu einer Konstante in der europäischen Kunst. Doch kann man pse_310.019 wohl kaum Barock, Romantik, Expressionismus usw. alle pse_310.020 ohne Gezwungenheit unter diesen Begriff ordnen. Denn pse_310.021 Manierismus hat doch einen klar und deutlich umschriebenen pse_310.022 Gehalt, so daß er besser für eine bestimmte Art gegenklassischer pse_310.023 Gestaltungsform verwendet wird. Was den Manierismus pse_310.024 als umgrenzbare Gestaltungsform kennzeichnet, ist die pse_310.025 Tatsache, daß hier nicht nach allgemeingültigen Normen pse_310.026 gestaltet wird, sondern daß persönlicher Ausdrucksdrang zugrundeliegt. pse_310.027 Das gilt für alle antiklassischen Formen. Dem pse_310.028 Manierismus eignet es, daß er diesen persönlichen Ausdrucksdrang pse_310.029 mit herkömmlichen, zur Verfügung stehenden Formeln, pse_310.030 Gebilden gestalten will. Er verwendet Kunstformen pse_310.031 willkürlich, nach persönlichem Geschmack und aus einer pse_310.032 ganz einmaligen inneren Haltung. Das führt leicht dazu, pse_310.033 daß nun solche Formen verzerrt werden, daß der Mensch pse_310.034 mit ihnen sein Spiel treibt. In diesem persönlich-willkürlichen pse_310.035 Einsatz überlieferter Gebilde zum persönlichen Ausdruck hat pse_310.036 man wohl das Wesentliche des Manierismus zu sehen.
pse_310.037 Eine solche grundlegende Haltung wirkt sich nun im pse_310.038 ganzen eines Kunstwerks aus. Auch ihr entspricht die Ergreifung
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abgeleitet: aus der Idealklassik, wie sie E. R. Curtius pse_310.002
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Regeln gearbeitet wird, so sprechen wir von Klassizismus. pse_310.006
Mit ihm entstehen künstlerische Gefahren, denen eben pse_310.007
jede Klassik auf die Dauer ausgesetzt ist: die Erstarrung und pse_310.008
die Banalität.
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Gerade aus solchen Gefahren erwächst die Gegenkraft, pse_310.010
setzt sich immer wieder eine andere Gestaltungsform als pse_310.011
Gegenschlag durch. Man betont heute als Gegenform gegen pse_310.012
das Klassische den Manierismus. Ursprünglich sah man ihn pse_310.013
als Entartung des Klassischen. Mit der Zeit bildete er eine pse_310.014
bestimmte Epoche in den bildenden Künsten, die Zeit nach pse_310.015
Raffael. Man denkt heute dabei auch an die Literatur. Curtius pse_310.016
versucht, den Ausdruck zur umfassenden Bezeichnung alles pse_310.017
Gegenklassischen zu erweitern. So würde der Manierismus pse_310.018
zu einer Konstante in der europäischen Kunst. Doch kann man pse_310.019
wohl kaum Barock, Romantik, Expressionismus usw. alle pse_310.020
ohne Gezwungenheit unter diesen Begriff ordnen. Denn pse_310.021
Manierismus hat doch einen klar und deutlich umschriebenen pse_310.022
Gehalt, so daß er besser für eine bestimmte Art gegenklassischer pse_310.023
Gestaltungsform verwendet wird. Was den Manierismus pse_310.024
als umgrenzbare Gestaltungsform kennzeichnet, ist die pse_310.025
Tatsache, daß hier nicht nach allgemeingültigen Normen pse_310.026
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Manierismus eignet es, daß er diesen persönlichen Ausdrucksdrang pse_310.029
mit herkömmlichen, zur Verfügung stehenden Formeln, pse_310.030
Gebilden gestalten will. Er verwendet Kunstformen pse_310.031
willkürlich, nach persönlichem Geschmack und aus einer pse_310.032
ganz einmaligen inneren Haltung. Das führt leicht dazu, pse_310.033
daß nun solche Formen verzerrt werden, daß der Mensch pse_310.034
mit ihnen sein Spiel treibt. In diesem persönlich-willkürlichen pse_310.035
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man wohl das Wesentliche des Manierismus zu sehen.
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Eine solche grundlegende Haltung wirkt sich nun im pse_310.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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