pse_269.001 den er gestalten will, verharrt, entstehen Zentralbilder, pse_269.002 in denen die Spannungen und Merkmale des Daseins sich verdichten. pse_269.003 In diesen Bildern gerinnt gleichsam das in der Dichtung pse_269.004 lebende Weltbild. Daraus lassen sich die Eigenarten der pse_269.005 Symbole ableiten. Jedes Symbol steht zwischen Konkretion pse_269.006 und Abstraktion; es ist ein ganz bestimmtes Bild, ein bestimmtes pse_269.007 Motiv, eine bestimmte Person, aber es entfaltet in sich pse_269.008 auch ein allgemeines, das Wesentliche. Dabei hat das Symbol pse_269.009 eben den Wert, daß es dadurch nicht zerfließt, daß auch das pse_269.010 Allgemeine, das Wesen nicht verschwimmt, sondern gerade pse_269.011 in einer starken Verdichtung und Zusammenziehung greifbar pse_269.012 wird. Im Bild selbst ist schon das Tiefe vorhanden, es darf pse_269.013 und muß nicht erst nachträglich hinzugedeutet werden. So pse_269.014 wird im Bild selbst durch seine Öffnung auf Tiefe die Wahrheit pse_269.015 kund, anders als in theoretischer Schau und in Erkenntnisakten pse_269.016 eben durch unmittelbares Sich-Darbieten im Symbol. pse_269.017 Dabei erschließen sich die großen Symbole erst allmählich pse_269.018 in der Wiederholung. Eindringlich ist das in der "Schwarzen pse_269.019 Spinne" Gotthelfs zu erkennen. Durch die Aufdringlichkeit pse_269.020 dieses Bildes, das ja dem ganzen Geschehen die einheitliche pse_269.021 Linie gibt, spürt man die Bedeutsamkeit dieses so pse_269.022 konkret verdichteten Dinges. Und immer wieder enthüllt pse_269.023 es neue Seiten, läßt den Blick auf andere Hintergründe treffen: pse_269.024 ursprünglich erscheint sie als ein Symbol der Pest, dann aber pse_269.025 wächst sie langsam zum Bild alles Bösen, das vom Menschen pse_269.026 erzeugt wird. Die schwarze Spinne ist aber nicht rational pse_269.027 genau auf das Böse zu übertragen als ein Zeichen des Bösen, pse_269.028 als eine Allegorie, sondern sie bleibt ein konkretes Ding mit pse_269.029 höchster Einprägsamkeit und wächst doch zum höchsten pse_269.030 Symbol, sie wirkt als grauenhaftes Wesen und enthüllt in pse_269.031 diesem Grauen immer mehr das menschliche Böse.
pse_269.032 An diesem Beispiel kann man den Unterschied zwischen pse_269.033 einem dichterischen Symbol und einem philosophischen Begriff pse_269.034 deutlich erkennen. Gemeinsam ist beiden das Ergebnis: pse_269.035 das menschlich Böse in einem geistigen Gebilde zu fassen. Insofern pse_269.036 erschließen sie beide Wahrheit. Aber das Entscheidende pse_269.037 ist die Darstellung: der philosophische Begriff abstrahiert zunächst pse_269.038 vom Gegenstand, er befindet sich in einer logischen
pse_269.001 den er gestalten will, verharrt, entstehen Zentralbilder, pse_269.002 in denen die Spannungen und Merkmale des Daseins sich verdichten. pse_269.003 In diesen Bildern gerinnt gleichsam das in der Dichtung pse_269.004 lebende Weltbild. Daraus lassen sich die Eigenarten der pse_269.005 Symbole ableiten. Jedes Symbol steht zwischen Konkretion pse_269.006 und Abstraktion; es ist ein ganz bestimmtes Bild, ein bestimmtes pse_269.007 Motiv, eine bestimmte Person, aber es entfaltet in sich pse_269.008 auch ein allgemeines, das Wesentliche. Dabei hat das Symbol pse_269.009 eben den Wert, daß es dadurch nicht zerfließt, daß auch das pse_269.010 Allgemeine, das Wesen nicht verschwimmt, sondern gerade pse_269.011 in einer starken Verdichtung und Zusammenziehung greifbar pse_269.012 wird. Im Bild selbst ist schon das Tiefe vorhanden, es darf pse_269.013 und muß nicht erst nachträglich hinzugedeutet werden. So pse_269.014 wird im Bild selbst durch seine Öffnung auf Tiefe die Wahrheit pse_269.015 kund, anders als in theoretischer Schau und in Erkenntnisakten pse_269.016 eben durch unmittelbares Sich-Darbieten im Symbol. pse_269.017 Dabei erschließen sich die großen Symbole erst allmählich pse_269.018 in der Wiederholung. Eindringlich ist das in der »Schwarzen pse_269.019 Spinne« Gotthelfs zu erkennen. Durch die Aufdringlichkeit pse_269.020 dieses Bildes, das ja dem ganzen Geschehen die einheitliche pse_269.021 Linie gibt, spürt man die Bedeutsamkeit dieses so pse_269.022 konkret verdichteten Dinges. Und immer wieder enthüllt pse_269.023 es neue Seiten, läßt den Blick auf andere Hintergründe treffen: pse_269.024 ursprünglich erscheint sie als ein Symbol der Pest, dann aber pse_269.025 wächst sie langsam zum Bild alles Bösen, das vom Menschen pse_269.026 erzeugt wird. Die schwarze Spinne ist aber nicht rational pse_269.027 genau auf das Böse zu übertragen als ein Zeichen des Bösen, pse_269.028 als eine Allegorie, sondern sie bleibt ein konkretes Ding mit pse_269.029 höchster Einprägsamkeit und wächst doch zum höchsten pse_269.030 Symbol, sie wirkt als grauenhaftes Wesen und enthüllt in pse_269.031 diesem Grauen immer mehr das menschliche Böse.
pse_269.032 An diesem Beispiel kann man den Unterschied zwischen pse_269.033 einem dichterischen Symbol und einem philosophischen Begriff pse_269.034 deutlich erkennen. Gemeinsam ist beiden das Ergebnis: pse_269.035 das menschlich Böse in einem geistigen Gebilde zu fassen. Insofern pse_269.036 erschließen sie beide Wahrheit. Aber das Entscheidende pse_269.037 ist die Darstellung: der philosophische Begriff abstrahiert zunächst pse_269.038 vom Gegenstand, er befindet sich in einer logischen
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den er gestalten will, verharrt, entstehen Zentralbilder, pse_269.002
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In diesen Bildern gerinnt gleichsam das in der Dichtung pse_269.004
lebende Weltbild. Daraus lassen sich die Eigenarten der pse_269.005
Symbole ableiten. Jedes Symbol steht zwischen Konkretion pse_269.006
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Motiv, eine bestimmte Person, aber es entfaltet in sich pse_269.008
auch ein allgemeines, das Wesentliche. Dabei hat das Symbol pse_269.009
eben den Wert, daß es dadurch nicht zerfließt, daß auch das pse_269.010
Allgemeine, das Wesen nicht verschwimmt, sondern gerade pse_269.011
in einer starken Verdichtung und Zusammenziehung greifbar pse_269.012
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wird im Bild selbst durch seine Öffnung auf Tiefe die Wahrheit pse_269.015
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eben durch unmittelbares Sich-Darbieten im Symbol. pse_269.017
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konkret verdichteten Dinges. Und immer wieder enthüllt pse_269.023
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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