verwendet werden könnte, wenn man es an die fixe Spur binde. ... Damit ging die Sache in die Hände der Eisenbahntechniker über.
Wir haben uns deshalb so ausführlich über die ersten Versuche mit der Dampflocomotion beschäftigt, um zu zeigen, daß die Einführung der Eisenbahnen und die großartige Entwickelung, welche sie gefunden hatten, keineswegs fördernd auf die Idee, Straßenwagen mit Dampf zu betreiben, einwirkte. Die Angelegenheit ruhte durch Jahrzehnte, bis im Jahre 1878 gelegentlich der Ausstellung in Paris ein von Bollecconstruirter Dampfwagen allgemeines Interesse erregte. Die Maschine bot zwar an sich nichts wesentlich Neues, doch stellte sie in Bezug auf die Anordnung der einzelnen Theile und die Uebertragung der bewegenden Kraft einen sehr sinnreich erdachten Mechanismus dar. Auch die mit diesem Vehikel unternommenen Probefahrten entsprachen durchaus den Anforderungen, welche man an dasselbe stellte. Auf freien Landwegen wurde eine Geschwindigkeit von 25 Kilo- meter in der Stunde erreicht, welche derjenigen der Secundärbahnen entspricht.
Es ist hervorzuheben, daß auch von dem Augenblicke an, da die Aufmerk- samkeit der Techniker sich wieder den Motorwagen zuwendete, der Dampf als Kraftquelle in den Hintergrund gedrängt wurde. Schon 1850 hatte Andraud in Paris die Anwendung von comprimirter Luft versucht, ohne indeß greifbare Er- folge zu erzielen. Bald hierauf gelang es Julienne durch Erfindung einer ver- besserten Luftpumpe die Spannung wesentlich zu erhöhen. Als Resultat ergab sich bei all diesen Versuchen, daß comprimirte Luft als Betriebskraft für größere Ent- fernungen nicht ausreicht, auch dann nicht, wenn die Luft, wie bei den Heißluft- wagen, erst durch einen mit Dampf gefüllten Erwärmer hindurchgeführt wird, um im Augenblicke der Abspannung die Erkaltung zu verhindern.
In den letzten Jahren hat auf dem Gebiete der Construction von Motor- wagen ein lebhafter Wettstreit platzgegriffen und ist seitdem eine große Zahl von Typen der verschiedensten Art aufgetaucht. Ja, man kann sagen, daß dieselben kaum mehr zu übersehen sind. Alle diese Systeme lassen sich in zwei Hauptgruppen scheiden: entweder werden Dämpfe beziehungsweise Gase als Triebkraft verwendet, oder es tritt die elektrische Kraft an deren Stelle. Die letztere ist zur Zeit noch nicht Herr der Situation, dürfte aber mit der Zeit alle übrigen Kraftquellen aus dem Felde schlagen. In Amerika ist man in dieser Richtung weit voraus, während in Europa der Ausgestaltung und Vervollkommnung der Gasmotoren die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Indeß bedienen sich auch hier bereits viele Constructeure der Elektricität als motorische Kraft.
Für uns ist es zunächst von Interesse, wahrzunehmen, daß der "Dampf- wagen", d. h. die Uebertragung des Principes der Locomotive auf das Straßen- fuhrwerk, noch immer nicht völlig aus dem Felde geschlagen ist. Mitte der Neunziger- jahre trat ein französischer Ingenieur, Namens Gaillardet, mit einem solchen Dampfwagen hervor, der in Fig. 769 abgebildet ist. Bei dieser Construction steht ein gewöhnlicher senkrechter Dampfkessel in cylindrischer Form mit Siederohren
Die Motorwagen.
verwendet werden könnte, wenn man es an die fixe Spur binde. ... Damit ging die Sache in die Hände der Eiſenbahntechniker über.
Wir haben uns deshalb ſo ausführlich über die erſten Verſuche mit der Dampflocomotion beſchäftigt, um zu zeigen, daß die Einführung der Eiſenbahnen und die großartige Entwickelung, welche ſie gefunden hatten, keineswegs fördernd auf die Idee, Straßenwagen mit Dampf zu betreiben, einwirkte. Die Angelegenheit ruhte durch Jahrzehnte, bis im Jahre 1878 gelegentlich der Ausſtellung in Paris ein von Bollécconſtruirter Dampfwagen allgemeines Intereſſe erregte. Die Maſchine bot zwar an ſich nichts weſentlich Neues, doch ſtellte ſie in Bezug auf die Anordnung der einzelnen Theile und die Uebertragung der bewegenden Kraft einen ſehr ſinnreich erdachten Mechanismus dar. Auch die mit dieſem Vehikel unternommenen Probefahrten entſprachen durchaus den Anforderungen, welche man an dasſelbe ſtellte. Auf freien Landwegen wurde eine Geſchwindigkeit von 25 Kilo- meter in der Stunde erreicht, welche derjenigen der Secundärbahnen entſpricht.
Es iſt hervorzuheben, daß auch von dem Augenblicke an, da die Aufmerk- ſamkeit der Techniker ſich wieder den Motorwagen zuwendete, der Dampf als Kraftquelle in den Hintergrund gedrängt wurde. Schon 1850 hatte Andraud in Paris die Anwendung von comprimirter Luft verſucht, ohne indeß greifbare Er- folge zu erzielen. Bald hierauf gelang es Julienne durch Erfindung einer ver- beſſerten Luftpumpe die Spannung weſentlich zu erhöhen. Als Reſultat ergab ſich bei all dieſen Verſuchen, daß comprimirte Luft als Betriebskraft für größere Ent- fernungen nicht ausreicht, auch dann nicht, wenn die Luft, wie bei den Heißluft- wagen, erſt durch einen mit Dampf gefüllten Erwärmer hindurchgeführt wird, um im Augenblicke der Abſpannung die Erkaltung zu verhindern.
In den letzten Jahren hat auf dem Gebiete der Conſtruction von Motor- wagen ein lebhafter Wettſtreit platzgegriffen und iſt ſeitdem eine große Zahl von Typen der verſchiedenſten Art aufgetaucht. Ja, man kann ſagen, daß dieſelben kaum mehr zu überſehen ſind. Alle dieſe Syſteme laſſen ſich in zwei Hauptgruppen ſcheiden: entweder werden Dämpfe beziehungsweiſe Gaſe als Triebkraft verwendet, oder es tritt die elektriſche Kraft an deren Stelle. Die letztere iſt zur Zeit noch nicht Herr der Situation, dürfte aber mit der Zeit alle übrigen Kraftquellen aus dem Felde ſchlagen. In Amerika iſt man in dieſer Richtung weit voraus, während in Europa der Ausgeſtaltung und Vervollkommnung der Gasmotoren die größte Aufmerkſamkeit geſchenkt wird. Indeß bedienen ſich auch hier bereits viele Conſtructeure der Elektricität als motoriſche Kraft.
Für uns iſt es zunächſt von Intereſſe, wahrzunehmen, daß der »Dampf- wagen«, d. h. die Uebertragung des Principes der Locomotive auf das Straßen- fuhrwerk, noch immer nicht völlig aus dem Felde geſchlagen iſt. Mitte der Neunziger- jahre trat ein franzöſiſcher Ingenieur, Namens Gaillardet, mit einem ſolchen Dampfwagen hervor, der in Fig. 769 abgebildet iſt. Bei dieſer Conſtruction ſteht ein gewöhnlicher ſenkrechter Dampfkeſſel in cylindriſcher Form mit Siederohren
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[877/0959]
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verwendet werden könnte, wenn man es an die fixe Spur binde. ... Damit ging
die Sache in die Hände der Eiſenbahntechniker über.
Wir haben uns deshalb ſo ausführlich über die erſten Verſuche mit der
Dampflocomotion beſchäftigt, um zu zeigen, daß die Einführung der Eiſenbahnen
und die großartige Entwickelung, welche ſie gefunden hatten, keineswegs fördernd
auf die Idee, Straßenwagen mit Dampf zu betreiben, einwirkte. Die Angelegenheit
ruhte durch Jahrzehnte, bis im Jahre 1878 gelegentlich der Ausſtellung in Paris
ein von Bollécconſtruirter Dampfwagen allgemeines Intereſſe erregte. Die
Maſchine bot zwar an ſich nichts weſentlich Neues, doch ſtellte ſie in Bezug auf
die Anordnung der einzelnen Theile und die Uebertragung der bewegenden Kraft
einen ſehr ſinnreich erdachten Mechanismus dar. Auch die mit dieſem Vehikel
unternommenen Probefahrten entſprachen durchaus den Anforderungen, welche man
an dasſelbe ſtellte. Auf freien Landwegen wurde eine Geſchwindigkeit von 25 Kilo-
meter in der Stunde erreicht, welche derjenigen der Secundärbahnen entſpricht.
Es iſt hervorzuheben, daß auch von dem Augenblicke an, da die Aufmerk-
ſamkeit der Techniker ſich wieder den Motorwagen zuwendete, der Dampf als
Kraftquelle in den Hintergrund gedrängt wurde. Schon 1850 hatte Andraud in
Paris die Anwendung von comprimirter Luft verſucht, ohne indeß greifbare Er-
folge zu erzielen. Bald hierauf gelang es Julienne durch Erfindung einer ver-
beſſerten Luftpumpe die Spannung weſentlich zu erhöhen. Als Reſultat ergab ſich
bei all dieſen Verſuchen, daß comprimirte Luft als Betriebskraft für größere Ent-
fernungen nicht ausreicht, auch dann nicht, wenn die Luft, wie bei den Heißluft-
wagen, erſt durch einen mit Dampf gefüllten Erwärmer hindurchgeführt wird, um
im Augenblicke der Abſpannung die Erkaltung zu verhindern.
In den letzten Jahren hat auf dem Gebiete der Conſtruction von Motor-
wagen ein lebhafter Wettſtreit platzgegriffen und iſt ſeitdem eine große Zahl von
Typen der verſchiedenſten Art aufgetaucht. Ja, man kann ſagen, daß dieſelben
kaum mehr zu überſehen ſind. Alle dieſe Syſteme laſſen ſich in zwei Hauptgruppen
ſcheiden: entweder werden Dämpfe beziehungsweiſe Gaſe als Triebkraft verwendet,
oder es tritt die elektriſche Kraft an deren Stelle. Die letztere iſt zur Zeit noch nicht Herr
der Situation, dürfte aber mit der Zeit alle übrigen Kraftquellen aus dem Felde
ſchlagen. In Amerika iſt man in dieſer Richtung weit voraus, während in Europa
der Ausgeſtaltung und Vervollkommnung der Gasmotoren die größte Aufmerkſamkeit
geſchenkt wird. Indeß bedienen ſich auch hier bereits viele Conſtructeure der
Elektricität als motoriſche Kraft.
Für uns iſt es zunächſt von Intereſſe, wahrzunehmen, daß der »Dampf-
wagen«, d. h. die Uebertragung des Principes der Locomotive auf das Straßen-
fuhrwerk, noch immer nicht völlig aus dem Felde geſchlagen iſt. Mitte der Neunziger-
jahre trat ein franzöſiſcher Ingenieur, Namens Gaillardet, mit einem ſolchen
Dampfwagen hervor, der in Fig. 769 abgebildet iſt. Bei dieſer Conſtruction ſteht
ein gewöhnlicher ſenkrechter Dampfkeſſel in cylindriſcher Form mit Siederohren
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 877. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/959>, abgerufen am 23.11.2024.
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