Anschein, daß man diesfalls noch zu sehr unter dem Eindrucke vergangener Zeiten steht, in denen die Hängebrücken kein langes Leben bewiesen haben. Indessen sind die Fortschritte auf den einschlägigen technischen Gebieten so bedeutend, die Ver- vollkommnung des Materials ist eine so weitgehende, daß man den an ein großes Bauwerk nach dem System der Hängebrücke zu stellenden Anforderungen gewiß nach jeder Richtung gerecht zu werden vermöchte.
An Anregungen hierzu hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt, Dank den vielen Wettbewerben, deren Ergebnisse wir auf den vorausgehenden Seiten kennen gelernt haben. Unter den eingereichten Entwürfen befanden sich nämlich vielfach auch Hängebrücken, welche ganz wesentliche Fortschritte gegenüber den älteren Con- structionen aufwiesen. Ein vortreffliches Beispiel hierfür geben die beiden Entwürfe
[Abbildung]
Fig. 244.
Wormser Straßenbrücke.
[Abbildung]
Fig. 245.
Wormser Eisenbahnbrücke.
der "Maschinenbau-Actiengesellschaft Nürnberg" aus dem Wettbewerb für die Wormser Straßenbrücke. Beide Entwürfe zeigen Hängebrücken mit Versteifungs- trägern über fünf Oeffnungen. An Stelle der hauptsächlich in Nordamerika zur Anwendung kommenden Kabel dienen hier Ketten, deren Glieder aus zähhartem Flußstahl hergestellt werden sollten.
Als besonders interessant darf der zweite Entwurf bezeichnet werden, weil der Versteifungsträger nicht wie gewöhnlich unten, sondern hoch über der Fahr- bahn liegt. Es ergeben sich hieraus für jede Oeffnung zwei Ketten, eine sogenannte Tragkette zur Aufnahme der Fahrbahn und die Versteifungskette als Träger mit Ober- und Untergurt und dazwischen liegendem Gitterwerk. Diese Anordnung hatte in dem vorliegenden Falle den großen Vortheil, eine sehr tiefe Lage der Fahrbahn zu gestatten. Die große Zahl der Oeffnungen bezeichnet aber Baurath Professor Mehrtens (Dresden) als einen Nachtheil, weil allgemein das Gewicht der Hänge- brücken dem Gewichte gleichweit gespannter Balkenbrücken sich umsomehr nähert, je mehr Oeffnungen vorhanden sind.
Zweiter Abſchnitt.
Anſchein, daß man diesfalls noch zu ſehr unter dem Eindrucke vergangener Zeiten ſteht, in denen die Hängebrücken kein langes Leben bewieſen haben. Indeſſen ſind die Fortſchritte auf den einſchlägigen techniſchen Gebieten ſo bedeutend, die Ver- vollkommnung des Materials iſt eine ſo weitgehende, daß man den an ein großes Bauwerk nach dem Syſtem der Hängebrücke zu ſtellenden Anforderungen gewiß nach jeder Richtung gerecht zu werden vermöchte.
An Anregungen hierzu hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt, Dank den vielen Wettbewerben, deren Ergebniſſe wir auf den vorausgehenden Seiten kennen gelernt haben. Unter den eingereichten Entwürfen befanden ſich nämlich vielfach auch Hängebrücken, welche ganz weſentliche Fortſchritte gegenüber den älteren Con- ſtructionen aufwieſen. Ein vortreffliches Beiſpiel hierfür geben die beiden Entwürfe
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Fig. 244.
Wormſer Straßenbrücke.
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Fig. 245.
Wormſer Eiſenbahnbrücke.
der »Maſchinenbau-Actiengeſellſchaft Nürnberg« aus dem Wettbewerb für die Wormſer Straßenbrücke. Beide Entwürfe zeigen Hängebrücken mit Verſteifungs- trägern über fünf Oeffnungen. An Stelle der hauptſächlich in Nordamerika zur Anwendung kommenden Kabel dienen hier Ketten, deren Glieder aus zähhartem Flußſtahl hergeſtellt werden ſollten.
Als beſonders intereſſant darf der zweite Entwurf bezeichnet werden, weil der Verſteifungsträger nicht wie gewöhnlich unten, ſondern hoch über der Fahr- bahn liegt. Es ergeben ſich hieraus für jede Oeffnung zwei Ketten, eine ſogenannte Tragkette zur Aufnahme der Fahrbahn und die Verſteifungskette als Träger mit Ober- und Untergurt und dazwiſchen liegendem Gitterwerk. Dieſe Anordnung hatte in dem vorliegenden Falle den großen Vortheil, eine ſehr tiefe Lage der Fahrbahn zu geſtatten. Die große Zahl der Oeffnungen bezeichnet aber Baurath Profeſſor Mehrtens (Dresden) als einen Nachtheil, weil allgemein das Gewicht der Hänge- brücken dem Gewichte gleichweit geſpannter Balkenbrücken ſich umſomehr nähert, je mehr Oeffnungen vorhanden ſind.
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Zweiter Abſchnitt.
Anſchein, daß man diesfalls noch zu ſehr unter dem Eindrucke vergangener Zeiten
ſteht, in denen die Hängebrücken kein langes Leben bewieſen haben. Indeſſen ſind
die Fortſchritte auf den einſchlägigen techniſchen Gebieten ſo bedeutend, die Ver-
vollkommnung des Materials iſt eine ſo weitgehende, daß man den an ein großes
Bauwerk nach dem Syſtem der Hängebrücke zu ſtellenden Anforderungen gewiß
nach jeder Richtung gerecht zu werden vermöchte.
An Anregungen hierzu hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt, Dank den
vielen Wettbewerben, deren Ergebniſſe wir auf den vorausgehenden Seiten kennen
gelernt haben. Unter den eingereichten Entwürfen befanden ſich nämlich vielfach
auch Hängebrücken, welche ganz weſentliche Fortſchritte gegenüber den älteren Con-
ſtructionen aufwieſen. Ein vortreffliches Beiſpiel hierfür geben die beiden Entwürfe
[Abbildung Fig. 244. Wormſer Straßenbrücke.]
[Abbildung Fig. 245. Wormſer Eiſenbahnbrücke.]
der »Maſchinenbau-Actiengeſellſchaft Nürnberg« aus dem Wettbewerb für die
Wormſer Straßenbrücke. Beide Entwürfe zeigen Hängebrücken mit Verſteifungs-
trägern über fünf Oeffnungen. An Stelle der hauptſächlich in Nordamerika zur
Anwendung kommenden Kabel dienen hier Ketten, deren Glieder aus zähhartem
Flußſtahl hergeſtellt werden ſollten.
Als beſonders intereſſant darf der zweite Entwurf bezeichnet werden, weil
der Verſteifungsträger nicht wie gewöhnlich unten, ſondern hoch über der Fahr-
bahn liegt. Es ergeben ſich hieraus für jede Oeffnung zwei Ketten, eine ſogenannte
Tragkette zur Aufnahme der Fahrbahn und die Verſteifungskette als Träger mit
Ober- und Untergurt und dazwiſchen liegendem Gitterwerk. Dieſe Anordnung hatte
in dem vorliegenden Falle den großen Vortheil, eine ſehr tiefe Lage der Fahrbahn
zu geſtatten. Die große Zahl der Oeffnungen bezeichnet aber Baurath Profeſſor
Mehrtens (Dresden) als einen Nachtheil, weil allgemein das Gewicht der Hänge-
brücken dem Gewichte gleichweit geſpannter Balkenbrücken ſich umſomehr nähert, je
mehr Oeffnungen vorhanden ſind.
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/336>, abgerufen am 23.11.2024.
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