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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Erzerum, die armenische Capitale.
Pontusgestaden, in die byzantinischen Provinzen und sogar nach
der Krim stattgefunden, während gleichzeitig unter dem Schutze
der russischen Regierung am Don und an der Wolga armenische
Colonien erstanden, die bei dem thätigen, umsichtigen Wesen
dieses Volkes noch heute prosperiren. In Folge der Tartaren-
Invasion fand eine noch intensivere Emigration, hauptsächlich
nach Trapezunt und Astrachan statt. Aus diesen Gründen kann
es heute nicht mehr befremden, in den Donau-Gegenden, in Süd-
Rußland, ja selbst in Polen und Galizien so zahlreiche armenische
Elemente zu treffen. In den folgenden Jahrhunderten hat diese
Emigration constant angehalten1, ihren Höhepunkt aber erreichte
sie mit dem Erscheinen der Russen jenseits des Kaukasus, zumal
nach den ersten persischen Kriegen. Nur durch die ausgiebige
Unterstützung der persischen Armenier gelang es den damaligen
russischen Generalen so beispiellos rasche Erfolge zu erzielen,
und wie bekannt, war es armenische Hilfe, welche Eriwan so
schnell in die Hände der Russen brachte. Man hat des öftern
den Vorwurf gegen Rußland erhoben, daß es bei der späteren
Auswanderung einen gewissen Zwang ausgeübt hätte, was schon
aus dem einfachen Grunde nicht einleuchten will, als viele der
Emigranten, welche ihre etwas weitgehenden Hoffnungen nicht
erfüllt sahen, ihre Stammsitze wieder aufsuchten, was sie in den
Augen der russischen Regierung begreiflicher Weise als Landes-
verräther erscheinen lassen mußte. Diese Emigration erstreckte sich
weiter auch nur auf die nichtunirten, also eigentlich nationalen
Armenier, nicht aber auf die katholischen, von denen wir heute
eine so bedeutende Colonie in Constantinopel und in anderen
levantinischen Häfen finden. Die Pforte hatte hiebei die große
Unklugheit begangen, mit dem orthodoxen armenischen Patriarchat
durch Dick und Dünn zu gehen und die katholischen Armenier

1 Bekannter ist die zwangsweise Colonisirung von Neu-Dschulfa bei
Ispahan durch Schah Abbas den Großen, der 1605 die gesammte
Bewohnerschaft von Dschulfa am Araxes fortschleppen ließ. Viele gingen
zu Grunde, andere sind reich geworden, verloren aber ihre Habe, als der
Afghanenfürst Mahmud (1721) Ispahan eroberte. Am Caspi-Meer
gingen aber noch unter Abbas' Regierung von 7000 Colonisten bis auf
300 Elende, die Bewilligung zur Rückkehr in ihre Heimat erhalten hatten,
alle zu Grunde. (Braun, "Gemälde", 239.)
4*

Erzerum, die armeniſche Capitale.
Pontusgeſtaden, in die byzantiniſchen Provinzen und ſogar nach
der Krim ſtattgefunden, während gleichzeitig unter dem Schutze
der ruſſiſchen Regierung am Don und an der Wolga armeniſche
Colonien erſtanden, die bei dem thätigen, umſichtigen Weſen
dieſes Volkes noch heute prosperiren. In Folge der Tartaren-
Invaſion fand eine noch intenſivere Emigration, hauptſächlich
nach Trapezunt und Aſtrachan ſtatt. Aus dieſen Gründen kann
es heute nicht mehr befremden, in den Donau-Gegenden, in Süd-
Rußland, ja ſelbſt in Polen und Galizien ſo zahlreiche armeniſche
Elemente zu treffen. In den folgenden Jahrhunderten hat dieſe
Emigration conſtant angehalten1, ihren Höhepunkt aber erreichte
ſie mit dem Erſcheinen der Ruſſen jenſeits des Kaukaſus, zumal
nach den erſten perſiſchen Kriegen. Nur durch die ausgiebige
Unterſtützung der perſiſchen Armenier gelang es den damaligen
ruſſiſchen Generalen ſo beiſpiellos raſche Erfolge zu erzielen,
und wie bekannt, war es armeniſche Hilfe, welche Eriwan ſo
ſchnell in die Hände der Ruſſen brachte. Man hat des öftern
den Vorwurf gegen Rußland erhoben, daß es bei der ſpäteren
Auswanderung einen gewiſſen Zwang ausgeübt hätte, was ſchon
aus dem einfachen Grunde nicht einleuchten will, als viele der
Emigranten, welche ihre etwas weitgehenden Hoffnungen nicht
erfüllt ſahen, ihre Stammſitze wieder aufſuchten, was ſie in den
Augen der ruſſiſchen Regierung begreiflicher Weiſe als Landes-
verräther erſcheinen laſſen mußte. Dieſe Emigration erſtreckte ſich
weiter auch nur auf die nichtunirten, alſo eigentlich nationalen
Armenier, nicht aber auf die katholiſchen, von denen wir heute
eine ſo bedeutende Colonie in Conſtantinopel und in anderen
levantiniſchen Häfen finden. Die Pforte hatte hiebei die große
Unklugheit begangen, mit dem orthodoxen armeniſchen Patriarchat
durch Dick und Dünn zu gehen und die katholiſchen Armenier

1 Bekannter iſt die zwangsweiſe Coloniſirung von Neu-Dſchulfa bei
Ispahan durch Schah Abbas den Großen, der 1605 die geſammte
Bewohnerſchaft von Dſchulfa am Araxes fortſchleppen ließ. Viele gingen
zu Grunde, andere ſind reich geworden, verloren aber ihre Habe, als der
Afghanenfürſt Mahmud (1721) Ispahan eroberte. Am Caspi-Meer
gingen aber noch unter Abbas’ Regierung von 7000 Coloniſten bis auf
300 Elende, die Bewilligung zur Rückkehr in ihre Heimat erhalten hatten,
alle zu Grunde. (Braun, „Gemälde“, 239.)
4*
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[51/0083] Erzerum, die armeniſche Capitale. Pontusgeſtaden, in die byzantiniſchen Provinzen und ſogar nach der Krim ſtattgefunden, während gleichzeitig unter dem Schutze der ruſſiſchen Regierung am Don und an der Wolga armeniſche Colonien erſtanden, die bei dem thätigen, umſichtigen Weſen dieſes Volkes noch heute prosperiren. In Folge der Tartaren- Invaſion fand eine noch intenſivere Emigration, hauptſächlich nach Trapezunt und Aſtrachan ſtatt. Aus dieſen Gründen kann es heute nicht mehr befremden, in den Donau-Gegenden, in Süd- Rußland, ja ſelbſt in Polen und Galizien ſo zahlreiche armeniſche Elemente zu treffen. In den folgenden Jahrhunderten hat dieſe Emigration conſtant angehalten 1, ihren Höhepunkt aber erreichte ſie mit dem Erſcheinen der Ruſſen jenſeits des Kaukaſus, zumal nach den erſten perſiſchen Kriegen. Nur durch die ausgiebige Unterſtützung der perſiſchen Armenier gelang es den damaligen ruſſiſchen Generalen ſo beiſpiellos raſche Erfolge zu erzielen, und wie bekannt, war es armeniſche Hilfe, welche Eriwan ſo ſchnell in die Hände der Ruſſen brachte. Man hat des öftern den Vorwurf gegen Rußland erhoben, daß es bei der ſpäteren Auswanderung einen gewiſſen Zwang ausgeübt hätte, was ſchon aus dem einfachen Grunde nicht einleuchten will, als viele der Emigranten, welche ihre etwas weitgehenden Hoffnungen nicht erfüllt ſahen, ihre Stammſitze wieder aufſuchten, was ſie in den Augen der ruſſiſchen Regierung begreiflicher Weiſe als Landes- verräther erſcheinen laſſen mußte. Dieſe Emigration erſtreckte ſich weiter auch nur auf die nichtunirten, alſo eigentlich nationalen Armenier, nicht aber auf die katholiſchen, von denen wir heute eine ſo bedeutende Colonie in Conſtantinopel und in anderen levantiniſchen Häfen finden. Die Pforte hatte hiebei die große Unklugheit begangen, mit dem orthodoxen armeniſchen Patriarchat durch Dick und Dünn zu gehen und die katholiſchen Armenier 1 Bekannter iſt die zwangsweiſe Coloniſirung von Neu-Dſchulfa bei Ispahan durch Schah Abbas den Großen, der 1605 die geſammte Bewohnerſchaft von Dſchulfa am Araxes fortſchleppen ließ. Viele gingen zu Grunde, andere ſind reich geworden, verloren aber ihre Habe, als der Afghanenfürſt Mahmud (1721) Ispahan eroberte. Am Caspi-Meer gingen aber noch unter Abbas’ Regierung von 7000 Coloniſten bis auf 300 Elende, die Bewilligung zur Rückkehr in ihre Heimat erhalten hatten, alle zu Grunde. (Braun, „Gemälde“, 239.) 4*

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/83>, abgerufen am 22.11.2024.