Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Sinope, ein Culturbild. Feriduns Rachegelüste gab es nur schmale Hoffnungen. Eineseiner Sclavinnen bot Aussicht auf einen Erben, aber diese gebar -- eine Tochter, und erst diese, mittlerweile zur Vollreife ge- langt und mit einem Verwandten Feriduns -- Peschenk -- ver- mählt, beschenkte den betrübten Vater mit einem Enkel, Minotscher (Chala, Ninos), der, zum Jünglinge erwachsen, das Rächeramt übernahm. Er consolidirte wieder die assyrische Weltherrschaft, indem er Tur und Selm bekriegte, ihre Länder mit Iran ver- einigte, und so der eigentliche Begründer des zweiten west-asia- tischen Weltreiches wurde1. Das wären so in großen knappen Zügen die mythischen 1 Kruger, "Geschichte d. Assyr. u. Iran.", a. a. O. 2 Vgl. Lassen, "Indische Alterthumskunde", I, und Niebuhr, "Kleine
Schriften", I; gegentheilige Behauptungen über das hohe Alter der Licht- religion Zarathustras (Zoroasters) bei Dunker, "Geschichte d. Alterth.", II, 315, und Kleuker, "Leben Zoroasters", III etc. Sinope, ein Culturbild. Feriduns Rachegelüſte gab es nur ſchmale Hoffnungen. Eineſeiner Sclavinnen bot Ausſicht auf einen Erben, aber dieſe gebar — eine Tochter, und erſt dieſe, mittlerweile zur Vollreife ge- langt und mit einem Verwandten Feriduns — Peſchenk — ver- mählt, beſchenkte den betrübten Vater mit einem Enkel, Minotſcher (Chala, Ninos), der, zum Jünglinge erwachſen, das Rächeramt übernahm. Er conſolidirte wieder die aſſyriſche Weltherrſchaft, indem er Tur und Selm bekriegte, ihre Länder mit Iran ver- einigte, und ſo der eigentliche Begründer des zweiten weſt-aſia- tiſchen Weltreiches wurde1. Das wären ſo in großen knappen Zügen die mythiſchen 1 Kruger, „Geſchichte d. Aſſyr. u. Iran.“, a. a. O. 2 Vgl. Laſſen, „Indiſche Alterthumskunde“, I, und Niebuhr, „Kleine
Schriften“, I; gegentheilige Behauptungen über das hohe Alter der Licht- religion Zarathuſtras (Zoroaſters) bei Dunker, „Geſchichte d. Alterth.“, II, 315, und Kleuker, „Leben Zoroaſters“, III ꝛc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0231" n="199"/><fw place="top" type="header">Sinope, ein Culturbild.</fw><lb/> Feriduns Rachegelüſte gab es nur ſchmale Hoffnungen. Eine<lb/> ſeiner Sclavinnen bot Ausſicht auf einen Erben, aber dieſe gebar<lb/> — eine Tochter, und erſt dieſe, mittlerweile zur Vollreife ge-<lb/> langt und mit einem Verwandten Feriduns — Peſchenk — ver-<lb/> mählt, beſchenkte den betrübten Vater mit einem Enkel, Minotſcher<lb/> (Chala, Ninos), der, zum Jünglinge erwachſen, das Rächeramt<lb/> übernahm. Er conſolidirte wieder die aſſyriſche Weltherrſchaft,<lb/> indem er Tur und Selm bekriegte, ihre Länder mit Iran ver-<lb/> einigte, und ſo der eigentliche Begründer des zweiten weſt-aſia-<lb/> tiſchen Weltreiches wurde<note place="foot" n="1">Kruger, „Geſchichte d. Aſſyr. u. Iran.“, a. a. O.</note>.</p><lb/> <p>Das wären ſo in großen knappen Zügen die mythiſchen<lb/> Vorfallenheiten, deren Erwähnung zum unmittelbaren Verſtänd-<lb/> niſſe des Folgenden nothwendig erſcheint. Minotſcher vertheilte<lb/> nämlich nach Selms Tode Klein-Aſien unter deſſen Söhne,<lb/> d. h.: unter eingeborene kleinaſiatiſche Fürſten, denen erwieſener-<lb/> maßen ebenſoſehr die Gründung Ilions, wie jene Sinopes zufällt.<lb/> Von Sanopa einer Amazone, nach Anderen von der Nymphe<lb/> Sinope, ſoll ſie ihren Namen erhalten haben und ſie iſt ſomit<lb/> neben dem iraniſchen Balch oder Bactra eine der älteſten Pflanz-<lb/> ſtätten weſtaſiatiſcher Cultur, wie dieſes ein Mittelpunkt des<lb/> uralten Lichtcultes<note place="foot" n="2">Vgl. Laſſen, „Indiſche Alterthumskunde“, <hi rendition="#aq">I</hi>, und Niebuhr, „Kleine<lb/> Schriften“, <hi rendition="#aq">I</hi>; gegentheilige Behauptungen über das hohe Alter der Licht-<lb/> religion Zarathuſtras (Zoroaſters) bei Dunker, „Geſchichte d. Alterth.“,<lb/><hi rendition="#aq">II</hi>, 315, und Kleuker, „Leben Zoroaſters“, <hi rendition="#aq">III</hi> ꝛc.</note> und ein großes Handels-Emporium durch<lb/> alle Jahrtauſende, d. h.: bis zum Eintreffen türkiſch-tartariſcher<lb/> Völker, die eine glanzvolle Vergangenheit mit einem Schlage er-<lb/> löſchen machten. Es erſcheint erſprießlich, auf dieſe Thatſache<lb/> hinzuweiſen, zumal heute, wo über die Culturfähigkeit der Os-<lb/> manen ſo viel gefaſelt wird und hervorragende Gelehrte ſich<lb/> bemüßigt finden, für dieſelbe eine Lanze zu brechen. Es wäre<lb/> überflüſſig, diesfalls allein nur auf Sinope hinzuweiſen, wo es<lb/> zahlloſe Objecte der Geſchichte auf vorderaſiatiſchem Gebiete gibt,<lb/> die dem unerbittlichen Schickſale des Verderbens und Verkommens<lb/> entgegeneilten, ſeitdem jene Race über die uralten Culturländer<lb/> hereingefluthet iſt, deren Geſchäft die Zerſtörung des Beſtehenden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [199/0231]
Sinope, ein Culturbild.
Feriduns Rachegelüſte gab es nur ſchmale Hoffnungen. Eine
ſeiner Sclavinnen bot Ausſicht auf einen Erben, aber dieſe gebar
— eine Tochter, und erſt dieſe, mittlerweile zur Vollreife ge-
langt und mit einem Verwandten Feriduns — Peſchenk — ver-
mählt, beſchenkte den betrübten Vater mit einem Enkel, Minotſcher
(Chala, Ninos), der, zum Jünglinge erwachſen, das Rächeramt
übernahm. Er conſolidirte wieder die aſſyriſche Weltherrſchaft,
indem er Tur und Selm bekriegte, ihre Länder mit Iran ver-
einigte, und ſo der eigentliche Begründer des zweiten weſt-aſia-
tiſchen Weltreiches wurde 1.
Das wären ſo in großen knappen Zügen die mythiſchen
Vorfallenheiten, deren Erwähnung zum unmittelbaren Verſtänd-
niſſe des Folgenden nothwendig erſcheint. Minotſcher vertheilte
nämlich nach Selms Tode Klein-Aſien unter deſſen Söhne,
d. h.: unter eingeborene kleinaſiatiſche Fürſten, denen erwieſener-
maßen ebenſoſehr die Gründung Ilions, wie jene Sinopes zufällt.
Von Sanopa einer Amazone, nach Anderen von der Nymphe
Sinope, ſoll ſie ihren Namen erhalten haben und ſie iſt ſomit
neben dem iraniſchen Balch oder Bactra eine der älteſten Pflanz-
ſtätten weſtaſiatiſcher Cultur, wie dieſes ein Mittelpunkt des
uralten Lichtcultes 2 und ein großes Handels-Emporium durch
alle Jahrtauſende, d. h.: bis zum Eintreffen türkiſch-tartariſcher
Völker, die eine glanzvolle Vergangenheit mit einem Schlage er-
löſchen machten. Es erſcheint erſprießlich, auf dieſe Thatſache
hinzuweiſen, zumal heute, wo über die Culturfähigkeit der Os-
manen ſo viel gefaſelt wird und hervorragende Gelehrte ſich
bemüßigt finden, für dieſelbe eine Lanze zu brechen. Es wäre
überflüſſig, diesfalls allein nur auf Sinope hinzuweiſen, wo es
zahlloſe Objecte der Geſchichte auf vorderaſiatiſchem Gebiete gibt,
die dem unerbittlichen Schickſale des Verderbens und Verkommens
entgegeneilten, ſeitdem jene Race über die uralten Culturländer
hereingefluthet iſt, deren Geſchäft die Zerſtörung des Beſtehenden
1 Kruger, „Geſchichte d. Aſſyr. u. Iran.“, a. a. O.
2 Vgl. Laſſen, „Indiſche Alterthumskunde“, I, und Niebuhr, „Kleine
Schriften“, I; gegentheilige Behauptungen über das hohe Alter der Licht-
religion Zarathuſtras (Zoroaſters) bei Dunker, „Geſchichte d. Alterth.“,
II, 315, und Kleuker, „Leben Zoroaſters“, III ꝛc.
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Zitationshilfe: | Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/231>, abgerufen am 16.02.2025. |