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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Sinope, ein Culturbild.
Jahre wurde von der pontischen Küstenstadt Samsun her, im
Thale des Yeschil-Irmak, von europäischen Ingenieuren fleißig
nivellirt und Amasia zur Hauptstation eines, vorläufig allerdings
erst im Projecte gediehenen Schienenweges auserwählt ...

Wir müssen, um unsere anatolischen Schilderungen ent-
sprechend abzuschließen, noch einmal zur pontischen Küste hinab-
steigen, von deren mehr östlichen Strichen bereits umständlich die
Rede war1. Thalab des Iris und Halys würden wir hiebei
nur wenig interessante Landschaften berühren: Dort ein ziemlich
ödes Defile bis zur weitläufigen Delta-Landschaft bei Perschembe;
hier zwar vorerst ein breites Thal mit Waldansätzen an den
Lehnen, später aber einen sumpfigen Gestadebezirk mit der herab-
gekommenen Stadt Bafra, unweit der Halys-Mündung und
seinen brakischen Strandseen. Anders, wenn man längs der
anatolischen Pontusküste gegen Osten steuert, und so in ihrer
beiläufigen Längenmitte auf den nördlichsten Punkt der klein-
asiatischen Halbinsel, auf das Vorgebirge Indsche-Burun, d. i.:
das "Feigen-Cap", stößt. Wie alle paphlagonischen Uferland-
schaften stürzt es steil und jäh in die tieffarbene Meerfluth, die
weithin das öde Gestade bespült. Aber nur wenig Tausend Meter
ostwärts tritt die Küste wieder südwärts zurück, indem die große
Einbuchtung vor dem Halys-Delta nochmals eine Unterbrechung
findet, durch eine langgestreckte Halbinsel mit aufstarrendem,
massigem Vorgebirge und niederem, sandigen Isthmus. Auf dem
letzteren, im Norden und Süden vom Meere bespült, liegt heute
eine unbedeutende Küstenstadt, Sinub, das einstige glanzreiche
Sinope, die Heimat des Cynikers Diogenes und die Residenz
des gewaltigsten Herrschers vor der politischen Neugestaltung
Vorder-Asiens durch die Machterweiterung Roms, jene Mithri-
dates Eupator VI., den die Geschichte den "Großen" nennt. Es
heißt, daß dieser bedeutende, am Ausgange des Jahrtausendes
n. Chr. stehende Beherrscher des pontischen Reiches in Sinope
seine letzte Ruhestätte gefunden habe und eine Wiederauffindung
derselben wohl noch denkbar sei. Ob damit der Geschichts-
forschung ein besonderer Nutzen erwachsen könnte, vermögen wir
nicht zu beurtheilen, interessant aber bliebe es auf alle Fälle,

1 S. den III. Abschnitt.

Sinope, ein Culturbild.
Jahre wurde von der pontiſchen Küſtenſtadt Samſun her, im
Thale des Yeſchil-Irmak, von europäiſchen Ingenieuren fleißig
nivellirt und Amaſia zur Hauptſtation eines, vorläufig allerdings
erſt im Projecte gediehenen Schienenweges auserwählt …

Wir müſſen, um unſere anatoliſchen Schilderungen ent-
ſprechend abzuſchließen, noch einmal zur pontiſchen Küſte hinab-
ſteigen, von deren mehr öſtlichen Strichen bereits umſtändlich die
Rede war1. Thalab des Iris und Halys würden wir hiebei
nur wenig intereſſante Landſchaften berühren: Dort ein ziemlich
ödes Defilé bis zur weitläufigen Delta-Landſchaft bei Perſchembe;
hier zwar vorerſt ein breites Thal mit Waldanſätzen an den
Lehnen, ſpäter aber einen ſumpfigen Geſtadebezirk mit der herab-
gekommenen Stadt Bafra, unweit der Halys-Mündung und
ſeinen brakiſchen Strandſeen. Anders, wenn man längs der
anatoliſchen Pontusküſte gegen Oſten ſteuert, und ſo in ihrer
beiläufigen Längenmitte auf den nördlichſten Punkt der klein-
aſiatiſchen Halbinſel, auf das Vorgebirge Indſche-Burun, d. i.:
das „Feigen-Cap“, ſtößt. Wie alle paphlagoniſchen Uferland-
ſchaften ſtürzt es ſteil und jäh in die tieffarbene Meerfluth, die
weithin das öde Geſtade beſpült. Aber nur wenig Tauſend Meter
oſtwärts tritt die Küſte wieder ſüdwärts zurück, indem die große
Einbuchtung vor dem Halys-Delta nochmals eine Unterbrechung
findet, durch eine langgeſtreckte Halbinſel mit aufſtarrendem,
maſſigem Vorgebirge und niederem, ſandigen Iſthmus. Auf dem
letzteren, im Norden und Süden vom Meere beſpült, liegt heute
eine unbedeutende Küſtenſtadt, Sinub, das einſtige glanzreiche
Sinope, die Heimat des Cynikers Diogenes und die Reſidenz
des gewaltigſten Herrſchers vor der politiſchen Neugeſtaltung
Vorder-Aſiens durch die Machterweiterung Roms, jene Mithri-
dates Eupator VI., den die Geſchichte den „Großen“ nennt. Es
heißt, daß dieſer bedeutende, am Ausgange des Jahrtauſendes
n. Chr. ſtehende Beherrſcher des pontiſchen Reiches in Sinope
ſeine letzte Ruheſtätte gefunden habe und eine Wiederauffindung
derſelben wohl noch denkbar ſei. Ob damit der Geſchichts-
forſchung ein beſonderer Nutzen erwachſen könnte, vermögen wir
nicht zu beurtheilen, intereſſant aber bliebe es auf alle Fälle,

1 S. den III. Abſchnitt.
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[197/0229] Sinope, ein Culturbild. Jahre wurde von der pontiſchen Küſtenſtadt Samſun her, im Thale des Yeſchil-Irmak, von europäiſchen Ingenieuren fleißig nivellirt und Amaſia zur Hauptſtation eines, vorläufig allerdings erſt im Projecte gediehenen Schienenweges auserwählt … Wir müſſen, um unſere anatoliſchen Schilderungen ent- ſprechend abzuſchließen, noch einmal zur pontiſchen Küſte hinab- ſteigen, von deren mehr öſtlichen Strichen bereits umſtändlich die Rede war 1. Thalab des Iris und Halys würden wir hiebei nur wenig intereſſante Landſchaften berühren: Dort ein ziemlich ödes Defilé bis zur weitläufigen Delta-Landſchaft bei Perſchembe; hier zwar vorerſt ein breites Thal mit Waldanſätzen an den Lehnen, ſpäter aber einen ſumpfigen Geſtadebezirk mit der herab- gekommenen Stadt Bafra, unweit der Halys-Mündung und ſeinen brakiſchen Strandſeen. Anders, wenn man längs der anatoliſchen Pontusküſte gegen Oſten ſteuert, und ſo in ihrer beiläufigen Längenmitte auf den nördlichſten Punkt der klein- aſiatiſchen Halbinſel, auf das Vorgebirge Indſche-Burun, d. i.: das „Feigen-Cap“, ſtößt. Wie alle paphlagoniſchen Uferland- ſchaften ſtürzt es ſteil und jäh in die tieffarbene Meerfluth, die weithin das öde Geſtade beſpült. Aber nur wenig Tauſend Meter oſtwärts tritt die Küſte wieder ſüdwärts zurück, indem die große Einbuchtung vor dem Halys-Delta nochmals eine Unterbrechung findet, durch eine langgeſtreckte Halbinſel mit aufſtarrendem, maſſigem Vorgebirge und niederem, ſandigen Iſthmus. Auf dem letzteren, im Norden und Süden vom Meere beſpült, liegt heute eine unbedeutende Küſtenſtadt, Sinub, das einſtige glanzreiche Sinope, die Heimat des Cynikers Diogenes und die Reſidenz des gewaltigſten Herrſchers vor der politiſchen Neugeſtaltung Vorder-Aſiens durch die Machterweiterung Roms, jene Mithri- dates Eupator VI., den die Geſchichte den „Großen“ nennt. Es heißt, daß dieſer bedeutende, am Ausgange des Jahrtauſendes n. Chr. ſtehende Beherrſcher des pontiſchen Reiches in Sinope ſeine letzte Ruheſtätte gefunden habe und eine Wiederauffindung derſelben wohl noch denkbar ſei. Ob damit der Geſchichts- forſchung ein beſonderer Nutzen erwachſen könnte, vermögen wir nicht zu beurtheilen, intereſſant aber bliebe es auf alle Fälle, 1 S. den III. Abſchnitt.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/229>, abgerufen am 24.11.2024.